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Koft

Die Gleichheit.

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8. Jahrgang. VOLKSVEREINS FÜR DAS KATH. DEUTSCHLAND  

AGLABEACH

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen.

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 2970) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart  

Mittwoch, den 5. Januar 1898.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Juhalts- Verzeichniß.

An die Leserinnen und Leser. Schutz unseren Kindern. Aus der Be­wegung. Feuilleton: Was die Revolution für die Frauen that. Von E. Bellamy. Notizentheil von Lily Braun   und Klara Zetkin  : Gewerkschaftliche Arbei­terinnen- Organisation. Soziale Gesetzgebung. Weibliche Fabrik inspektoren. Sittlichkeitsfrage. Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. Kinderarbeit.Sozia listische Frauenbewegung im Auslande. Frauenbewegung.

An die Lelerinnen und Leser.

Die ,, Gleichheit" nimmt unter den periodisch erscheinen­den Frauenblättern in Deutschland   eine eigenartige Stellung ein. Scharf unterscheidet sie sich in ihrem grundsäßlichen Erfassen der Frauenfrage von all den Zeitschriften, die mehr oder weniger fon­sequent für die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ein­treten.

Wohl kämpft die Gleichheit" für die volle soziale Befreiung der Frau und zwar verficht sie die einschlägigen Forderungen weit rückhaltsloser und energischer als die meisten frauenrecht­lerischen Organe. Aber der von ihr vertretenen Geschichts auf faffung nach bedeutet die soziale Gleichberechtigung der Geschlechter im Rahmen der heutigen Gesellschaft keineswegs die Lösung der Frauenfrage. Die juristische Gleichstellung der Frau mit dem Manne auf allen Gebieten des sozialen Lebens schafft vielmehr erst den Boden, auf dem neue wirthschaftliche, soziale und sitt liche Konflikte emporwachsen. Unter der Herrschaft der kapita­ listischen   Ordnung müssen diese sich in dem Maße entwickeln, als die Frau in allen Berufssphären zur Konkurrentin des Mannes wird; als sie sich nur entscheiden kann zwischen der wirthschaft lichen Abhängigkeit vom Manne in der Familie und der wirth­schaftlichen Abhängigkeit vom Kapitalisten in der Gesellschaft; als zu dem Pflichtenkreis im Heim ein neuer Pflichtenkreis in der Welt tritt. Des Weiteren macht die soziale Gleichberechtigung der Frau zwar der Geschlechtsherrschaft des Mannes über das Weib ein Ende, läßt jedoch die Klassenherrschaft der Besitzenden über die Nichtbesißenden in voller Schärfe fortbestehen, damit aber auch die wirthschaftliche Ausbeutung und soziale Unfreiheit der er­drückenden Mehrzahl der Frauen.

Die Gleichheit" vertritt deshalb die Ueberzeugung, daß die Frauenfrage als Theil der sozialen Frage ihre Lösung erst finden fann nach einer Umgestaltung der Gesellschaft aus einer fapita­listischen in eine sozialistische. Einzig und allein in einem sozia­ listischen   Gemeinwesen verschwindet mit der bestehenden Eigenthums­ordnung die wirthschaftliche Herrschaft des Menschen über den Menschen, die Ursache jeder gesellschaftlichen Unterdrückung und jeder Ausbeutung ist, verschwindet damit der soziale Gegensatz zwischen Mann und Frau, zwischen dem Wirken der Letzteren in der Familie und ihrer Thätigkeit in der Gesellschaft.

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Dieser Auffassung entsprechend betont die Gleichheit", daß die Masse der Frauen ihre volle soziale Befreiung nicht erwarten darf von einem Kampfe von Geschlecht zu Geschlecht, sondern nur vom proletarischen Klassenkampf. Denn nur der bewußte Klassen kampf des Proletariats fann und muß die von der wirthschaft. lichen Entwicklung vorbereitete sozialistische Gesellschaft herbeiführen.

Buschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Fr. Klara Zetkin  ( Gißner), Stuttgart  , Rothebühl­Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach- Straße 12.

Die Gleichheit" fußt also theoretisch auf dem Boden der materialistischen Geschichtsauffassung, wie sie von Marg und Engels formulirt worden ist. Sie ist ihrem Charakter nach ein Organ des proletarischen Klassenkampfs. So unverschleiert sie in der Folge jederzeit die Ueberzeugung vertritt, daß nur eine grund­legende Umgestaltung der Eigenthums- und Wirthschaftsverhält­nisse der Masse der Frauen die Befreiung bringt, so nachdrücklich fordert sie für die Jeztzeit durchgreifende soziale Reformen. Sie tritt ein für alle Forderungen, welche darauf abzielen, die soziale Unterbürtigkeit der Frau dem Manne gegenüber zu beseitigen, innerhalb der kapitalistischen   Gesellschaft die soziale Gleichberech­tigung der Geschlechter herbeizuführen. Besonders energisch kämpft sie für das freie Vereins- und Versammlungsrecht und für das aftive und passive Wahlrecht der Frau zu allen gesetzgebenden, verwaltenden 2c. Körperschaften. Mit dem gleichen Nachdruck befür­wortet sie alle Maßregeln, welche geeignet sind, die Lasten der Arbeiterklasse zu erleichtern, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern, ihre Rechte zu erweitern und zu sichern. Scharf betont sie die Nothwendigkeit eines umfassenden gesetzlichen Schutzes und vermehrter Rechte für die Berufsarbeiterinnen, als der heutigen­tags zwiefach ausgebeuteten und unterdrückten sozialen Schichte.

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Die Gleichheit" wendet sich im Besonderen an die fort­geschrittenſten Proletarierinnen, mögen sie mit Hand oder Hirn dem Kapital frohnden. Sie strebt danach, diese theoretisch zu schulen, ihnen ein klares Erfassen des geschichtlichen Entwicklungs­gangs zu ermöglichen und sie damit zu befähigen, nicht blos selbst bewußt am Befreiungskampf des Proletariats theilzunehmen, sondern auch aufklärend und lehrend unter ihren Klassengenossinnen zu wirken und sie zu zielflaren Kämpferinnen zu erziehen. Im Sinne dieser Aufgabe behandelt die Gleichheit" in ihren Artikeln soziale Probleme, nimmt sie Stellung zu den auftauchenden Zeitfragen, zumal zu solchen, welche die Interessen der proletarischen Frauen­welt berühren. Im Sinne dieser Aufgabe giebt sie in ihrem Notizentheil einen Ueberblick über Erscheinungen auf dem Gebiet der Sozialpolitik, der Frauen- und Kinderarbeit, der Arbeits­bedingungen der Arbeiterinnen, der Frauenbewegung des In- und Auslands 2c. Ein möglichst umfangreiches und reichhaltiges Thatsachenmaterial soll die theoretische Ueberzeugung stüßen und festigen, soll Belege erbringen für das geschichtliche Vergehen und Werden, das zur sozialistischen   Gesellschaft führt, soll die Noth­wendigkeit erweisen, durch gründliche Reformen dem Fortschritt die Bahn zu ebnen. So ruft die" Gleichheit" die klassenbewußten Proletarierinnen nicht blos zum Kampfe für ihre Befreiung, sie liefert ihnen auch Waffen, Rüstzeug für den Kampf.

Ihrem Charakter als Kampfes- und Schulungsorgan der sozialdemokratischen Frauen entsprechend, verdient unseres Er­achtens die Gleichheit" auch die Beachtung Derer, welche die sozialistische lleberzeugung nicht theilen, aber von der Erkenntniß durchdrungen sind, daß der werkthätigen Masse und den Frauen eine größere Antheilnahme an dem Kulturleben und eine thätige Mitarbeit an seiner Fortentwicklung gesichert werden muß. Mögen diese Kreise der sozialdemokratischen Frauenbewegung und ihren Lebensäußerungen gegnerisch oder sympathisch gegenüberstehen, ganz gleich: sie müssen mit ihrem Vorhandensein rechnen, sie müssen sich über die Bedingungen ihrer Eristenz, über ihre Forderungen, ihre Entwicklung unterrichten. Die Gleichheit" zeichnet scharf den Charakter und die Ziele des klassenbewußten Theiles der prole­