Regelmäßige Frauenvortragsabende hat ein sozialistischer Wahlverein zu Wien   für zwei Bezirke der Stadt organisirt. Die Vor­tragsabende verfolgen den Zweck, das Klassenbewußtsein des weiblichen Proletariats zu wecken und unter diesem Aufklärung in wirthschaft­lichen und politischen Fragen zu verbreiten.

Eine Agitation gegen den Krieg unternahm kürzlich Genossin Nellie van Kol   unter den holländischen Frauen, um diese zu einem Massenprotest gegen die Greuel des Kriegs zu veranlassen.

Als Kandidatin bei den Erneuerungswahlen zum Londoner  Schulamt hatten die Arbeiter und Gewerkvereine von Greenwich  die Sozialistin Mrs. M. B. Adams aufgestellt. Frau Adams ist ge­wählt worden; sie besitzt eine treffliche pädagogische Bildung und war früher als Lehrerin an höheren Schulanstalten thätig. Schon bei den letzten Schulamtswahlen kandidirte Mrs. Adams und erhielt eine gute Stimmenanzahl.

Frauenbewegung.

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* Die Frauen für den Antisemitismus zu fangen dem Wiener   Vorbild versucht die Berliner Staatsbürger­versucht die Berliner Staatsbürger­zeitung", indem sie heftig dagegen eifert, daß so viele Jüdinnen in der bürgerlichen Frauenbewegung eine Rolle spielen. Sie verlangt von den deutsch  - nationalen Parteien, daß sie die berechtigten" For­derungen der Frauen anerkennen und so ihre Unterstüßung gewinnen sollen. Dadurch, so hofft sie, werde das antinationale Prinzip der Juden und der Sozialdemokraten wirksam bekämpft werden. Wir können das Resultat dieser Bekämpfung jedenfalls in Ruhe abwarten!

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Die Zulaffung zur Advokatur ist in Frankreich   den Frauen versagt geblieben. Fräulein Jeanne Chauvin  , die, wie wir mittheilten, in Paris   zur Advokatur zugelassen werden wollte, ist mit ihrer Forderung endgiltig abgewiesen worden. In endloser Ausführung begründet die letzte Instanz, der Appellationshof, diese Entscheidung. Die Gebräuche und Traditionen des Barreaus müßten berücksichtigt werden, so heißt es. In jenen fernen Zeiten, als die frauenrechtlerische Bewegung noch nicht eristirte und die Mädchen das Elternhaus nur verließen, um selbst eine Familie zu gründen, verstand es sich von selbst, daß alle Advokaten Männer waren. Außerdem aber können die Advokaten in den Richterstand berufen werden, und dieser sei ausschließlich Männern zugänglich. Fräulein Chauvin ist jetzt angewiesen, wenn sie das Ergebniß ihrer Studien fruftifiziren will, sich dem Beruf einer Rechtskonsulentin zu widmen. Als solche hat sie auch ihr erstes Honorar bei der frauenrechtlerischen Zeitung ,, L'Avant- Cour­rière" verdient. Sie redigirte dort den Gesetzesvorschlag über die Rechte der verheiratheten Frau, die Verfügung über ihr Einkommen betr., einen Gesetzentwurf, der von der Kammer angenommen wurde.

Die Zulassung der Frauen zur Rechtsanwaltschaft in Rußland   und Finnland   scheint in ziemlich sicherer Aussicht zu stehen. Schritte, um den Frauen die Praxis als Rechtsanwälte zu ermöglichen, sind in Rußland   bereits seit geraumer Zeit seitens von Frauen geschehen, welche Universitätsstudien absolvirt haben. 1875 fam ein Fräulein Alexandroff in Nischnei- Nowgorod   um das Recht ein, die Advokatur auszuüben. Ein Utas vom 7. Januar 1876 ver­sagte jedoch den Frauen die Praris der Rechtsanwaltschaft. Die Forderung einer diesbezüglichen Reform der Gesetze hat die Sym­pathie und Unterstüßung weiter Kreise der Intelligenz" gefunden. In einer Kommission, welche beauftragt ist, die geltenden Rechts­statuten einer Revision zu unterziehen, hat sich nun kürzlich die Majorität für die Zulassung der Frauen zur Rechtsanwaltschaft er­flärt. Diese Stellungnahme dürfte nicht ohne Einfluß auf die Ent­scheidung in der Frage sein. In Finnland   haben Frauen schon seit Langem als Anwaltsgehilfinnen vor Gericht praktizirt. Nie­mand hat ihnen bisher das Recht dazu streitig gemacht. Kürzlich legte jedoch eine streitende Partei Einspruch dagegen ein, daß die Gegenpartei sich von einer Frau als Rechtsanwalt vertreten ließ. Der Richter war gezwungen, den Einspruch als gesetzlich berechtigt anzuerkennen, denn im betreffenden Gesezestext heißt es: Diejenigen, welche für Andere plädiren wollen, sollen ehrliche Männer sein." Die abgewiesene Anwaltsgehilfin hat sich mit dem Entscheid des Richters nicht begnügt, sondern die Angelegenheit vor den Senat ge­bracht. Die Meinungen der Senatoren sind in der Frage getheilt. Die Einen wollen den Buchstaben des Gesetzes festgehalten wissen, die Anderen befürworten eine zeitgemäße Auslegung des Gesetzes. Die Letzteren berufen sich auf die übliche Praris gegenüber testamentarischen Zeugen. Auch hier spricht der Gesetzestert nur von Männern" als Zeugen, die Rechtspraxis interpretirt dagegen seit Langem das Wort Männer" mit" Personen" und läßt weibliche Zeugen zu. Die sich für die Streitfrage interessirenden Kreise sind überzeugt, daß die Ent­scheidung des Senats zu Gunsten der Frauen ausfallen werde.

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner  ) in Stuttgart  .

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* Eine Tageszeitung von und für Frauen, La Fronde", ist soeben in Paris   gegründet worden. Sie wird ausschließlich von Frauen geschrieben, gesetzt und gedruckt werden, und dient in erster Linie der Frauenbewegung. Chefredakteur ist Frau Durand de Val­fère, die während der boulangistischen Bewegung ein Blatt mit Ge­schick leitete und fortwährend in der Presse thätig geblieben ist. Unter den künftigen Mitarbeiterinnen nennen wir, als die bekanntesten, die Damen Marya Chéliga  ; Potonié- Pierre; Paula Mint, welche über Frauenarbeit schreibt, Fräulein Klumpke, Doktor der Naturwissen­schaften; Jeanne Chauvin  , Doktor der Rechte, welche die Rechtsfragen behandeln wird, Helene Sun, welche die Parlamentsberichte über­nahm, Käthe Schirmacher  , Doktor der Philosophie, die über die Frauenfrage in Deutschland   korrespondiren soll. Jm Journal des Femmes"( Frauenzeitung) berichtet Fräulein Bonnvial, die fran­ zösische   Delegirte auf dem Züricher   Kongreß, über das neue Unter­nehmen, das in Bezug auf seine politische Stellung republikanisch­sozialistisch sein soll, denn der Feminismus ist nur ein Zweig des Sozialismus". Das interessante Unternehmen hat die größte Auf­merksamkeit erregt. Es ist auch thatsächlich eine Art Eramen auf journalistischem Gebiet, das die Französinnen ablegen. Unseres Er­achtens fällt es ganz gut aus, denn die Fronde" unterscheidet sich kaum von einer der kleineren französischen   Tageszeitungen, die aller­dings unseren deutschen Begriffen nach ziemlich unvollkommen sind, da sie über die politischen Vorgänge außerhalb Frankreichs   nur in ganz ungenügender Weise orientiren. So drückt das Lob, das wir der Fronde" zollen, zugleich auch einen Tadel aus, der in Folge einer anderen Unterlassungssünde noch verschärft wird: Die Fronde" bringt fast gar keine Nachrichten aus der internationalen Frauen­bewegung, was zu ihren wichtigsten Pflichten gehören sollte. Ein sehr oberflächlicher Artikel erschien in den Nummern vom 22., 23. und 24. Dezember über die deutsche Frauenbewegung" aus der Feder von Fräulein Dr. Räthe Schirmacher. Sie theilt die deutsche Frauenbewegung in eine konservative, eine fortschrittliche und eine sozialistische ein. Unter der konservativen Richtung versteht sie felt­samer Weise die Vaterländischen Frauenvereine, deren Wirksamkeit ausschließlich in der Ausübung der Wohlthätigkeit besteht, also mit der Frauenbewegung gar nichts zu thun hat. Fortschrittlich nennt die Verfasserin die gesammte bürgerliche Frauenbewegung, die sie am eingehendsten schildert. Die christlich- soziale Richtung erwähnt sie gar nicht, obwohl sie ihres Einflusses auf bisher unzugängliche Kreise wegen gewiß Beachtung verdient. Schließlich spricht Frl. Schirmacher auch von der sozialistischen   Frauenbewegung und entwickelt dabei einen Grad von Unkenntniß, der, im Verein mit der Sicherheit ihres Auftretens, ergößlich wirkt. So spricht sie ihr Erstaunen darüber aus, daß sie die Zahl der zur sozialistischen   Frauenbewegung gehören­den Frauen nicht habe ermitteln können. Danach scheint es ihr ganz unbekannt zu sein, daß die Polizei nicht blos unsere Vereine aufge­löst hat, sondern auch alle Komites und Kommissionen, auch wenn sie nur aus drei Mitgliedern bestanden. Aus der Haltung unserer Partei gegenüber den preußischen Landtagswahlen folgert sie, daß die proletarische Frauenbewegung sich der bürgerlichen immer mehr nähern werde. Die sozialistischen   Frauenrechtlerinnen erhalten ihre Befehle von den Führern der sozialistischen   Partei", erklärt sie, und da diese sich für die Betheiligung an den Landtagswahlen aussprechen, werden sie der proletarischen Frauenbewegung befehlen", schließlich mit den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen Arm in Arm zu gehen!- Auch über die persönlichen Verhältnisse der bekannteren Genossinnen macht die Verfasserin unrichtige Angaben macht die Verfasserin unrichtige Angaben furz, wir können der " Fronde" zu ihrer deutschen Korrespondentin gratuliren!

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* Das Recht, vor Gericht als Zeuginnen zu fungiren, das den französischen   Frauen bisher vorenthalten war, ist ihnen nun ge­gesetzlich zuerkannt worden. Das betreffende Gesetz ist am 29. November endgiltig von der Kammer in zweiter Lesung angenommen worden, nachdem es bereits die Bestätigung des Senats erhalten hat.

* Das Radfahren der Lehrerinnen hat ein Pariser   Schul­inspektor verboten, weil die Damen, der Pariser   Mode folgend, in Beinkleidern radelten, und der Herr Inspektor für die Sittsamkeit der Schülerinnen fürchtet, wenn sie von Hosen tragenden Lehrerinnen unterrichtet werden.

* Der weibliche Stadtinspektor von Chicago  , Mrs. A. E. Paul, hat einen seltsamen Verein gegründet: den Stadtreinigungs­verein, dessen Mitglieder Schulkinder sind! Es soll den Kindern die hygienische Wichtigkeit der Reinlichkeit von Straßen und Häusern ge lehrt werden; sodann sollen sie auf Grund des Gelernten über die Reinlichkeit ihres Hauses und ihrer Straße täglich in der Schule Be­richt erstatten.

* Einen weiblichen Dozenten hat die freie Universität in Brüssel   in Frau Marya Chéliga   berufen. Ihre Vorlesungen werden die Geschichte und die soziale Stellung der Frau behandeln.

Druck und Verlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart  .