8. Jahrgaug. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen. DieGleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post(eingetragen unter Nr. 2970) vierteljährlich ohne Bestellgeld bb Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. JahreS-Abonnement Mk. 2.60. Stuttgart  Mittwoch, den s. Februar 18S8. Zuschriften an die Redaktion derGleichheit" sind zu richten an Fr. Klara Zetkin  (Eitz n er), Stuttgart  , Rothebllhl- Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach-Straße 12. Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet. Jnhalts-Verzeichnist. Arbeiterschutz.   Aus der Bewegung.   Feuilleton: Was die Revolution fllr die Frauen that. Von E. Bellamy.(Fortsetzung.) Notizentheil von Lily Braun   und Klara Zetkin  : Soziale Gesetzgebung. Weibliche Fabrikinspektoren. Frauenarbeit auf dem Gebiete der In­dustrie, des Handels und Verkehrswesens. Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Sozialistische Frauenbewegung im Auslande. Frauenbewegung. Statistisches zur Frauenfrage. Sittlichkeitssrage. Arbeiterschutz. Als in einem Anfalle von Möchte-gern-Staatsmännerci das soziale Königthum" das Sozialistengesetz ablöste, um zu erreichen, was dieses nicht zu erzielen vermocht: die Waffenstreckung des klassenbewußten deutschen Proletariats, da war eine seiner ersten und kennzeichnendsten Thaten der Versuch, die Koalitionsfreiheit der Arbeiter zu vernichten. Der Entwurf der Regierung zur Ge­werbeordnungsnovelle enthielt neben den bekannten dürftigen Schutz­vorschriften eine Reihe von reaktionären Bestimmungen, deren bös­artigste die Verschärfung des gegen die Koalitionsfreiheit gerichteten berüchtigten 8 153 bezweckte. Blieb das, was dassoziale Königthum" an Arbeiterschutz bot, sogar hinter dem bescheidenen Entwurf des Zentrums aus dem Jahre 1889 zurück, so ging da­für das, was es behufs Knebelung der Arbeiterklasse forderte, noch über die unbescheidenen Wünsche der bürgerlichen Majorität hinaus und wurde von ihr verworfen. So gegensätzlich stand der Regierungsentwurf den äußerst mäßigen Forderungen der Arbeiter­klasse gegenüber, daß im Kampfe wider ihn das Wort vomAr­beitertrutz" geprägt wurde. Was die Regierung des damaligenneuen Kurses" als Sachwalterin der Kapitalistenklasse und im Interesse ihres Profits erstrebte, Herr v. Posadowsky   sucht es heute in der Rolle des Arbeitertrutzministers zu vollenden. Knebelung der nach besseren Arbeitsbedingungen ringenden proletarischen Männer und Frauen, Meuchelung der Gewerkschaftsbewegung, das ist das Ziel, das den beschränkten Großkapitalisten ä In Stumm lieblich verhängnißvoll aus demvertraulichen" Schriftstück entgegenwinkt, das ein volks­freundlicher Wind jüngst aus dem Ministerium des Innern der Redaktion desVorwärts" zugeweht hat. Herr v. Posadowsky  hat danach eine Erhebung angeordnet,ob ein erhöhter Schutz gegen den Mißbrauch der durch 8 152 der Gewerbeordnung ge­währleisteten Koalitionsfreiheit zu verlangen sei". Nach ihm scheint es geboten, an der Hand der bisherigen Erfahrungen diese Frage einer nochmaligen Erwägung zu unterziehen und dabei ins­besondere zu prüfen, ob sich nicht das Bedürfniß herausgestellt hat, bei Arbeitsausständen den arbeitswilligen Personen gegen Vergewaltigung und Einschüchterung seitens der Ausständigen oder anderer für diese eintretenden Personen einen kräftigeren Schutz als bisher zu leihen." Und zum besseren Schutz derArbeits­willigen" gegen denTerrorismus der Ausständigen und Agi­tatoren" stellt das Schriftstück eineReform" des 8 153 nach dem Vorbilde des Regierungsentwurfs von 1890 in Ausficht und zwar sowohleine Erweiterung der strafbaren Thatbestände, als auch eine Verschärfung des zur Anwendung gelangenden Straf­maßes." Herr v. Posadowsky   erklärt, die Anregung zu seinem Vor­haben durchdie lebhafte Erörterung der Frage in der Tagespresse und Fachliteratur wie auch in Vereinsoersammlungen" erhalten zu haben. Diese Erklärung zeigt mit herzerquickender Deutlichkeit den Staatssekretär als aufmerksamen und dienstbeflissenen Geschäfts­führer des Großkapitals. Ausschließlich und einseitig aus Tages­blättern, Fachschriften und Versammlungen des Unternehmerthums hat er offensichtlich Anregung und Information gewonnen. Aus­schließlich und einseitig den Wünschen des Unternehmerthums ent­sprechend sind die ins Auge gefaßten Abänderungen des 8 153 zu­geschnitten. Auch einem ostelbischen Junker sollte aber unserer Meinung nach für seine Amtshandlungen als Staatssekretär des Deutschen Reichs wenigstens die Anstandsrücksicht auf das alte deutsche Sprichwort verbindlich sein:Eines Mannes Rede ist keine Rede, man muß sie hören alle Beede." Die Preßorgane und Versammlungen der Arbeiterklasse zeichnen von der Verbesse­rungsbedürftigkeit des 8 153 ein wesentlich anderes Bild, als es dasvertrauliche Schriftstück" in den Umrissen erkennen läßt. Auch hier wird seit langen Jahren die Verbesserungsbedürftigkeit, ja Verbesserungsnothwendigkeit des 8 153 erörtert, und nicht blos erörtert, vielmehr ohne vorausgegangene offizielle Erhebung durch erdrückendes Thatsachenmaterial erwiesen. Aber die in Arbeiter­kreisen als dringend nöthig erachteten Reformen liegen genau'in entgegengesetzter Richtung von den Bahnen, in welche Herr v. Posadowsky   die Reichsgesetzgebung lenken möchte. Was der Masse des frohndenden Volkes noththut, ist volle, gesetzlich ge­sicherte Koalitionsfreiheit an Stelle der hunderterlei beschränkenden und vernichtenden Rücken und Tücken, die 8 153 gegen 8 152 losläßt. Allein in den Augen des Kapitalistenstaats und seiner Vertreter umfaßt der Begriff des zu berücksichtigenden Volkes offen­bar nur die kleine, aber desto heiligere Gemeinschaft einflußreicher Fabrikanten, hervorragender Handelsherren, weltbekannter Rheder und gefinnungStllchtiger Agrarier. Der Zusammenhang steht denn auch fest zwischen dem Vorgehen des Herrn v. Posadowsky   und den Hetzereien des Zentralverbands der Großindustriellen und der Baugewerksinnung. Im Gegensatze zu der Meinung eines hochmögenden, be­schränkten llnternehmerthums gelangen dagegen unparteiische Beo­bachter unseres sozialen Lebens zu dem Schlüsse, daß die geltenden Bestimmungen über die Koalitionsfreiheit Licht und Schatten un­gleich zwischen Proletariat und Kapitalistenklasse vertheilen, daß insbesondere ihre Handhabung vielfach zum Schaden des wirth- schaftlich Schwachen Recht in Unrecht verkehrt. Herr v. Berlepsch, preußischer Handelsminister a. D., hat das erst kürzlich in einer längeren Abhandlung in derSozialen Praxis" anerkannt. Aller­dings hat er während seiner Ministerschaft keinen Finger gerührt, um die als äußerst reformbedürftig erkannten Verhältnisse zu bessern. Aber vielleicht muß man aus seiner Erklärung im Gegen­satz zu der Haltung des Herrn v. Posadowsky   schließen, daß Gott Dem mehr Verstand giebt, dem er ein Amt nimmt, als Dem, dem er ein Amt zu verwalten giebt. Man erinnere sich nur aus den letzten Jahren der gegen koalirte, streikende oder ausgesperrte Arbeiter und Arbeiterinnen in Kraft getretenen Polizeiverfügungen und Gerichtserkenntnisse? Verfügungen und Erkenntnisse, deren Zweck und Sinn als Mittel zur Unterwerfung aufsässiger Lohnsklaven zwar auch dem naivsten Gemüthe offensichtlich ist, deren Berechtigung aber nur dem mit