26

ist den Behörden durch die einsichtige Thätigkeit der Ar­beiterinnenvereine der Städte Zürich und Winterthur zu Theil geworden." Auf eine solche Anerkennung ihrer Thätig­feit seitens der Regierung werden die organisirten Arbeiterinnen in Deutschland wohl noch lange warten müssen.

Die höchste verhängte Buße betrug 100 Fr., die meisten anderen| schäzenswerthe Unterstüßung im Vollzuge des Gesezes Bußen halten sich in so bescheidenen Grenzen", sagt Dr. Schuler, ,, daß Uebertretungen noch rentabel bleiben." Manche Gerichts­behörden setzen der Verurtheilung von Verstößen gegen das Fabrik­gesetz förmlich einen passiven Widerstand entgegen, und es fehlt nicht an Gemeindevorständen, die Gesetzesverletzungen nicht zur Anzeige bringen oder in gesezwidriger Weise Ausnahmen von den gesetzlichen Vorschriften zulassen. So stellen die 101 Fälle nicht die Gesammtzahl der vorgekommenen Gefeßesüberti etungen dar, man hängt eben auch in der Schweiz keinen, man hätte ihn denn zuvor".

"

Bezüglich der Vorschriften zum Schuße der Arbeite rinnen bemerkt Dr. Schuler, daß speziell wegen ungefeßlicher Beschäftigung von weiblichen Personen auffallend wenige Be: strafungen vorgekommen sind. Meine Listen melden nur von vier im Kanton Zürich und einer im Kanton St. Gallen . Eine einzige erfolgte wegen Nichteinhaltung des genügenden Wöchne­rinnenausschlusses, die anderen alle wegen Beschäftigung von Frauen nach 8 Uhr Abends. Erstere Uebertretung hatte eine Strafe von 30 Fr. zur Folge, was wenigstens den guten Willen beweist, den Aus­schlußbestimmungen gehörigen Vollzug zu verschaffen." In den Berichten der Kantonsregierungen für 1895 und 1896 sagt die thurgauische Regierung: Die Starenzzeit für Wöchnerinnen ( 6 Wochen nach der Niederkunft) wurde hin und wieder nicht ein gehalten. Die Sorge um das tägliche Brot nöthigt mitunter solche Frauenspersonen, die Fabritarbeit vorzeitig wieder aufzunehmen." Die Regierung in Die Regierung in Baselstadt bestrafte die vorzeitige Wiederbeschäftigung einer Wöchnerin mit nur 5 Fr. Zur Durchführung der betreffenden nothwendigen Vorschrift gehört, wie die angeführte Aeußerung be­weist, daß die Arbeiterin einen Ersatz des entgangenen Lohnes erhält.

Wenden wir uns nun zur Durchführung der kantonalen Arbeiterinnenschußgeseze, die ausschließlich Sache der Kan­tonsbehörden ist. Fast ganz auf dem Papier soll nach Zeitungs­berichten das Arbeiterinnenschutzgesetz im Kanton Glarus stehen. In den anderen in Betracht kommenden Kantonen: in Baselstadt , St. Gallen , Zürich und Luzern werden die gefeßlichen Vorschriften besser beobachtet, jedoch flagt auch hier die Arbeiterpresse immer wieder über noch mangelhafte Durchführung. Im Kanton Zürich waren Ende 1895, also nachdem das Arbeiterinnenschutzgesetz ein Jahr in Kraft stand, in 41 von 189 Gemeinden kleinere Geschäfte dem Geseze unterstellt. Die kantonsräthliche Kommission zur Prüfung des Rechenschaftsberichts der Regierung sprach die gewiß berechtigte Bermuthung aus, daß in einer Reihe von Gemeinden zweifellos Geschäfte sind, die dem Geseze unterstellt werden sollten. Daß dies nicht geschehen ist, ist der Nachlässigkeit der betreffenden Ge­meindevorstände geschuldet. Der Rechenschaftsbericht der Regierung befaßt sich nur furz mit der Materie. Es heißt aber daselbst, daß das Gesetz sich leichter einlebt, als man anfänglich glaubte hoffen zu dürfen. Zahlreiche anfängliche Gegner des Gesetzes im Lager der zunächst betroffenen Geschäftsinhaber und Inhabe= rinnen haben sich eines Besseren besonnen. Dies schließt zwar im Einzelnen das Vorkommen zahlreicher Uebertretungen nicht aus, aber es vermindert sich deren Zahl und die Bestimmungen des Gesezes befestigen sich zusehends als allgemein anerkannte Normen. Freilich sollte das fonsumirende Publikum durch eine weisere Ver­theilung seiner Aufträge die ehrlichen Bestrebungen der meisten Geschäftsinhaber, dem Geseze gerecht zu werden, noch besser wür­bigen und unterſtüßen."

Ueberzeitbewilligungen über den Zehnstundentag hinaus wurden 1895 in 28 Fällen für 93 Arbeiterinnen und 615 Ueberstunden ertheilt, deren jede nach Vorschrift des Gesetzes mit einem Lohn zuschlag von mindestens 25 Prozent bezahlt werden muß. Wegen Uebertretung des Gesetzes wurden über 44 Geschäfte Bußen im Gesammtbetrage von 510 Fr. verhängt. Troß alledem läßt sich sagen", wird dazu im Berichte der Regierung bemerkt, daß der Behnstundentag sich in den dem Arbeiterinnenschutzgesetz unterstellten Geschäften eingebürgert hat. Das Verbot der Sonntagsarbeit, der Kinderarbeit und die Bestimmungen betreffend Lohnauszahlung und Kündigung stießen auf feine nennenswerthen Schwierigkeiten. Eine

Ende 1896 betrugen die dem Arbeiterinnenschutzgesetz im Kanton Zürich unterstellten Geschäfte mit 852 um 27 mehr als im Jahre vorher; dagegen war die Zahl der geschüßten Arbeite­rinnen mit 2149 um 15 geringer als 1895. Dieser Rückgang tommt auf die Stadt Zürich , wo die Zahl der dem Gesez unter­stellten Geschäfte von 599 auf 571 und die der Arbeiterinnen von 1653 auf 1602 sich verminderte. Diese Abnahme ist zum Theil dadurch verursacht, daß 6 Geschäfte mit 80 Arbeiterinnen nicht mehr dem Arbeiterinnenschußgesez unterstehen, sondern dem Fabrikgesez. Da lezteres den elf, ersteres aber den zehn= stündigen Normalarbeitstag vorschreibt, so streben die Unternehmer die Unterstellung unter das Fabrikgesez an. Im Jahre 1896 wurden auch die Mädchen, welche für die Buchhandlungen Bücher und Zeitungen austragen, dem Arbeiterinnenschußgefeß unterstellt. 1896 betrug die Zahl der lleberzeitbewilligungen 49 für 176 Arbeiterinnen und 1075 Arbeitsstunden, also bedeutend mehr wie 1895. Dagegen nahm die Zahl und die Gesammthöhe der ver­Für 17 Fälle von Gesezesübertretungen hängten Bußen ab. wurden 170 Fr. erhoben und zwar war es einzig das Statthalter= amt Zürich , das Strafen verhängte. Sämmtliche Bestrafungen betrafen die Uebertretung der Vorschrift, den Zehnstundentag be= treffend. Erwähnenswerth ist die Bemerkung des Winterthurer Stadtraths in seinem Geschäftsbericht für 1895, daß die Aufsicht darüber, ob die gesetzliche Arbeitszeit innegehalten werde, eine sehr schwierige ist, da es selbstverständlich der Polizei nicht ge= stattet ist, zur Nachtzeit sich in die mit den Wohnräumen in enger Verbindung stehenden Arbeitslokale zu begeben". Diese Aeußerung beweist, wie unentbehrlich die Mitwirkung von Frauen bei der Gewerbeaufsicht ist, soll die Durchführung des Gesezes in den Geschäften wirklich überwacht werden. Nach dem Winterthurer Bericht für 1896 scheint die Arbeitszeit im Allgemeinen den gefeßlichen Vorschriften angepaßt zu werden, wenn sie auch jeden­Dies bezieht sich falls oft nicht peinlich genau beobachtet wird. namentlich auf den neunstündigen Arbeitstag am Samstag, an welchem besonders die Lehrtöchter über die neunstündige Arbeits­zeit hinaus noch für Aufräumungsarbeiten in Anspruch genommen werden.... Dagegen scheint die anderthalbstündige Mittagepause eher beobachtet zu werden und sich beinahe überall eingelebt zu haben". Der Züricher fantonale Fabrifinspektor Kern erklärt in seinem Bericht an den 1897 in Brüssel abgehaltenen internatio­nalen Arbeiterschußkongreß, daß sich das kantonale Arbeiterinnen­schußges eingelebt habe. Die noch immer vorkommenden Ueber­tretungen seien zwar zahlreich, aber doch Ausnahmen, die frühere Arbeitsweise erscheine nirgends mehr als das Selbstverständliche und Normale.

Das St. Galler Arbeiterinnenschutzgesetz resp. seine Handhabung seitens der Behörden beschäftigt seit einigen Monaten aufs Lebhafteste die organisirte Arbeiterschaft. Nach ihrer Mei­nung ertheilt die Regierung zu häufig Ueberzeitbewilligungen. In einer Eingabe wurde deshalb gefordert, daß die Arbeitszeitver­längerungen nur in den seltensten Fällen gewährt werden sollten. Die ausführliche Antwort der Regierung giebt einen theilweisen Ueberblick über die Ausführung des Arbeiterinnenschutzgesetzes. Es waren demselben 1893 370 Geschäfte unterstellt gewesen, 1897 aber 532. Ueberzeitbewilligungen über den gefeßlich festgelegten Elfftundentag hinaus wurden ertheilt 1894( bei 455 Geschäften): 154; 1895: 300; 1896: 396 und 1897 bis Ende Oktober 264. Die Regierung führt die Vermehrung der Arbeitszeit­verlängerungen zurück auf die intensivere Kontrolle des Gesetzes und auf den Saisoncharakter der Stickereiindustrie, die in 3 bis 4 Monaten herstellen soll, was in 8 bis 10 Monaten fabrizirt werden könnte. Von welcher Bedeutung die vielen Ueberzeitbewilli­gungen sind, zeigen folgende Angaben. Eine Schnellläufermaschine macht in 10 Stunden 15 000 Stiche, während zweistündiger Ueberzeitarbeit also 3000 Stiche. In einer Fabrit, in der an

6