sechs Maschinen während 5 Tagen der Woche je 2 Ueberstunden geschafft werden, beträgt die Zahl der in der Ueberzeit gemachten Stiche 108000. Damit ist einer Handmaschine für 2 Monate die Arbeit weggenommen. Die Regierung macht in ihrer Antwort auf die Eingabe der St. Galler Arbeiterorganisationen auch einige Mittheilungen über die tägliche Arbeitszeit in den 210 Geschäften der Stadt St. Gallen , welche dem Aibeiterinnenichutzgesetz unterstellt sind. Die Arbeitszeit beträgt nur in 52 Geschäften 11 Stunden, in 36 10�/-, in 54 10, in 40 9'/2, in 24 9, in 3 8�/- und in 1 8 Stunden. Die Mehrzahl der Betiiebe hat also einen kürzeren als den gesetzlich normirten llstündigen Arbeitstag. Die Negierung anerkennt, daß die Ueberzeitarbeit Mißstände zur Folge haben kann. Gegenüber der Behauptung der Arbeiter, daß durch dieselbe die Löhne herabgedrückt werden, verweist sie auf die gesetzliche Vorschrift, daß für Ueberzeitarbeit ein angemessener Lohnzuschlag zu bezahlen sei— ob dieser Lohnzuschlag aber auch bezahlt wird, ist nicht angegeben. Die Arbeiterschaft beschloß eine neuerliche Eingabe, in der sie auf der Forderung nach Einschränkung der Ueberzeitarbeit beharrt und die Anstellung einer Fabrikinspektorin verlangt, sowie die gesetzliche Feststellung eines Lohnzuschlags von 50 Prozent für Ueberzeitarbeit. Des Weiteren heischt sie die Veröffentlichung der Zeitdauer der bewilligten Ueberzeitarbeit und der Zahl der Arbeiterinnen, auf welche sie sich jeweilig erstreckt. Die eingeleitete Bewegung für strengere Durchsührung des kantonalen Arbeiterinnenschutz, s in St. Gallen wird aller Voraussicht nach nicht ganz erfolglos bleiben. Im Allgemeinen ist der Vollzug der kantonalen Arbeiterinnenschutzgesetze kein so befriedigender, wie der des eidgenössischen Fabrik- gesetzes. Angesichts der erhöhten SchutzbedüifiigUit der Arbeiterinnen ist das aufs Tiefste zu bedauern. Die organisinen Arbeiter und Arbeiterinnen müssen deshalb ihre volle Kraft dafür einsetzen, daß auch die kantonale Gcsetzgtbung immer vollkommener die ihr gefleckte Aufgabe erfüllt. Sie müssen ferner darauf hinwirken, daß der kantonale Arbeüerinnenschutz erweitert und vertieft und in immer mehr Einzelstaaten der Schweiz eingeführt wird. Im Interesse der Arbeiterinnen ist dabei nachdrücklichst die Anstellung von kantonalen Fabrikinspektorinnen zu fordern, sowie die Heranziehung von Arbeiterinnen zur amtlichen Inspektion. Was auf dem Gebiete des kantonalen Arbeiterinneuschutzes geschaffen wird, das arbeitet trefflich dem weiteren Ausbau des eidgenössischen Fabrikgesetzes vor. Winterthur._ D. Zinner. Aus der Bewegung. Von der Agitation. Genossin Baader-Berlin hielt im 10. sächsischen Wahlkreis eine Reihe von Protestversammlungen gegen die geplante Verschlechterung des sächsischen Vereins- und Versammlungsrechtes ab. In der Zeit vom 17. bis 23. Januar sprach sie in Döbeln , Roßwein , Geringswalde , Hartha , Waldheim und Marbach. Der Andrang zu den Versammlungen auch seitens der Frauen war ein so großer, daß Hunderte keinen Einlaß fanden. Erwähnt sei, daß in Marbach der Vogt eines großen Gutes den Taglöhnerinnen bei Auszahlung ihres Lohnes untersagt hatte, die Versammlung zu besuchen. Die Folge davon war, daß keine einzige der betreffenden Arbeiterinnen der Versammlung fernblieb, denn durch das Verbot waren sie erst recht aus diese und ihre Bedeutung hingewiesen worden. Ueberall zeigte sich, daß durch die reaktionären Bestrebungen regeres Leben in die Massen gekommen ist. In all den imposant verlaufenen Versammlungen gelangte einstimmig eine Resolution zur Annahme, in der die geplante Entrechtung der Frauen und Minderjährigen energisch zurückgewiesen und eine Erweiterung des sächsischen Vereins- und Versammlungsrechts gefordert wird. Das Bureau jeder Versammlung erhielt den Auftrag, diese Resolution an das Präsidium der zweiten sächsischen Kammer zu senden.(1. IZ. In Dresden fand abermals eine glänzende Protestversammlung der Frauen und Mädchen statt, die von über 2000 Personen besucht war. An Stelle der durch Krankheit verhinderten Genossin Braun-Berlin sprach der Landtagsabgeordnete Genosse Seifert unter lebhaftem Beifall. Auch diese Versammlung erhob in einer Resolution scharfen Protest gegen den Antrag der Konservativen, forderte politische Gleichberechtigung der Frauen und Minderjährigen auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechts und verpflichtete sich, unermüdlich für den Ausbau der politischen und gewerkschaftlichen Organisation thätig zu sein, um mittels ihrer Reaktion und Gewaltherrschaft zu brechen. In der Debatte betonte Genossin Schmidt, daß die Frauen ganz besonders im Interesse ihrer Kinder gegen jede Entrechtung der Volksmassen prolestiren müssen. Interessant waren die Ausführungen eines jungen bürgerlichen Mannes, der erklärte, kein Sozialdemokrat zu sein, aber wahre Aufklärung über die heutigen politischen und wirthschaftlichen Zustände nur in sozialdemokratischen Versammlungen erlangt zu haben. Die nächsten Reichstagswahlen würden die richtige Antwort auf die reaktionären Bestrebungen bringen.— Im Arbeiterinnenbildungsverein Dresden referirle kürzlich Frau Marie Stritt über„Die Stellung der Frau im neuen Bürgerlichen Gesetzbuch ". An den Vortrag schloß sich eine lebhaste Debatte zwischen Genossinnen und Frauenrechtlerinnen, welche auf die Zagheit und Zerfahrenheit der deutschen Frauen- rechtelei scharfe Streiflichter warf. Genossin Bengsch wendete sich energisch gegen die schwächliche und uneinige Haltung der Frauenrechtlerinnen gerade im Betreff der für das weibliche Geschlecht wichtigsten Forderung: des aktiven und passiven Wahlrechts. Wie wenig auf dem von ihnen beliebten Petitionswege erreicht werde, dafür lägen Beweise über Beweise vor. Frau Stritt berief sich dieser Kritik gegenüber darauf, daß ja ein Theil der Frauenrechtlerinnen die Forderung des aktiven und passiven Wahlrechts in das Programm aufnehmen wolle, daß nur die gemäßigte Richtung sich gegen diesen Schritt sträube. Auch ohne das Wahlrecht habe man manches erreicht, so meinte sie. Es sei zwar wenig, aber dem Charakter der deutschen Frau entsprechend, gebe man sich mit dem Wenigen zufrieden. Frl. Dose erklärte gar, daß die deutschen Frauenrechtlerinnen noch gar kein festes Ziel hätten. Nach Schluß der Debatte nahm die Versammlung Stellung zu den Vorschlägen der Berliner Genossinnen und erklärte ihre Zustimmung zu denselben. Die diesbezügliche Resolution sorinulirt folgende Anregungen: „1. Bei Titel 7 des§ S der Gewerbeordnung, welcher lautet: Gewerbliche Arbeiter(Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter) sind die Worte hinzuzufügen: Beiderlei Geschlechts. 2. Abschnitt 3 des ß 120 der Gewerbeordnung ist so zu for- muliren: In allen Gemeinden sind Fortbildungsschulen obligatorisch einzuführen. Arbeiter beiderlei Geschlechts unter 18 Jahren sind zum Besuche derselben verpflichtet. 3. Angesichts der Ergebnisse der Berufsstatistik, sowie der Erhebungen der deutschen Lehreroereine, läßt es sich nicht länger umgehen, die Erwerbsarbeit der Schulkinder gesetzlich zu verbieten. Zur Durchführung eines solchen Gesetzes ist die Ausdehnung der Gewerbeaufsicht auf die Hausindustrie, die Vermehrung der Gewerbeaufsichtsbeamten und vor Allein die Anstellung weiblicher Gewerbeinspektoren unerläßlich. Allerdings kann die Gewerbeaufsicht ihrer Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn die Aufsichtsbeamten aus den Kreise» der betheiligten Arbeiterschaft auf Grund eines allgemeinen gleichen direkten und geheimen Wahlrechts hervorgehen. Die Versammlung beaustragt die sozialdemokratische Reichstags- fraklion, bei geeigneter Gelegenheit im Sinne dieser Forderungen zu wirken und beauftragt das Bureau, derselben zu diesem Zwecke diese Resolution zu übermitteln." In Leipzig erstattete in öffentlicher Parteiversammlung Genossin Jäger Bericht über ihre Thätigkeit als Vertrauensperson. In den elf Monaten ihres Wirkens wurden fünf Frauenversammlungen abgehalten, die theils politische, theils gewerkschaftliche Fragen behandelten. Die Genossinnen vertheilten zur Förderung der Agitation unter den Frauen achttausend Flugblätter. Die betriebene Agitation führte den politischen Organisationen eine Anzahl weiblicher Mitglieder zu und gewann für den Textilarbeiterverband gegen hundert Arbeiterinnen. Mehrere Genossen und Genossinnen forderten die Versammlung zu reger und kräftiger Unterstützung der Frauenbewegung auf. Als Vertrauensperson wurde Genosstn�Jäger einstimmig wieder gewählt. Auch die Genossen haben sich davon überzeugt, wie nothwendig und förderlich es ist, daß dem Beschluß �des Gothaer Parteitags entsprechend eine weibliche Vertrauensperson mit der Leitung der Agitation unter den Frauen zu beauftragen. In der gleichen Versammlung wurde Genossin Jäger als Delegirte zu der Landeskonferenz der sächsischen Sozialdemokraten gewählt, die am 23. und 24. Januar in Leipzig stattfand. Bei den Verhandlungen zum Punkt„Agitation" wies die Delegirte darauf hin, wie wichtig gegenwärtig die Protestbewegung der Frauen gegen die beantragte Verschlechterung des Vereins- und Versammlungsrechts sei. Die Protestversammlungen tragen Leben und Aufklärung unter bisher noch indifferente Frauen. Die Genossen müßten deshalb für guten Besuch dieser Versammlungen wirken, nnd das Zentratkomite
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8 (16.2.1898) 4
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