rungen beschlossen, Frauen zur Mitarbeit in der öffentlichen Armen­pflege der Stadt Hamburg heranzuziehen. Die neue Organisation wird bis zum 1. April 1898 in sämmtlichen Armenkreisen nach fol­genden Grundprinzipien ins Leben getreten sein: 1. Die Frauen treten erst auf Anordnung des Bezirksvorstehers in Thätigkeit, und zwar immer nur in Gemeinschaft mit dem für den Pflegefall be­stimmten Pfleger. 2. Die Mitarbeit der Frauen erstreckt sich nicht nur auf neu an die Allgemeine Armenanstalt herantretende, sondern auch auf dazu geeignete bereits anhängige Fälle. 3. Gegenstand der weiblichen Thätigkeit soll in erster Linie eine intensivere Kinder, Kranken- und Wöchnerinnenpflege sowie die Fürsorge für diejenigen Pfleglinge sein, die wegen ihres Alters oder vorliegender Gebrechlich feit der Armenpflege dauernd anheimgefallen sind. Daneben darf von dem Eingreifen der Frauen auch in solchen Fällen ein guter Erfolg erwartet werden, wo die Möglichkeit besteht, durch Verschaffung von Arbeit, durch Aufrichtung der Hauswirthschaft oder in anderer Weise die Ursachen der Hilfsbedürftigkeit zu beseitigen. 4. Die Zahl der Fälle soll in der Regel drei nicht übersteigen. 5. Die amtliche Be­richterstattung liegt dem Pfleger ob, doch bleibt es den Frauen un­benommen, auch ihrerseits Berichte in Unterstüßungsfällen dem Be­zirtsvorsteher zu erstatten. 6. Es bleibt den Bezirksvorstehern über­lassen, die Frauen in geeigneten Fällen mit berathender Stimme zur Bezirksversammlung hinzuzuziehen. 7. Die Auszahlung der Unter­stützungen hat nach wie vor durch den Armenpfleger zu erfolgen; derselbe ist jedoch befugt, sich behufs zweckmäßiger Eintheilung und Verwendung der Gelder der weiblichen Vermittlung zu bedienen." So erfreulich die Hinzuziehung von Frauen zur Armenpflege auch ist, so entschieden ist die Art ihrer Hinzuziehung von Seiten des Hamburger Armenkollegiums zu bekämpfen. Die Thätigkeit der Frauen ist eine ganz untergeordnete, eingeschränkte, und hängt zum großen Theil von dem Belieben der männlichen Pfleger ab. Es ist natürlich, daß in der Folge nur wenig Ersprießliches von ihr er­wartet werden kann.

* Als erster weiblicher Professor an einem englischen College ist Miß Geraldine Hodgson kürzlich in Wales angestellt worden. Sie wird über englische Literatur vortragen. Bisher war sie in demselben Fach externer Lehrer an der Universität Cambridge .

* Ein weiblicher Arzt, Miß Marion Hunter, ist mit zwölf männlichen Kollegen und einer größeren Zahl Krankenpflegerinnen von der indischen Regierung nach Bombay zur Pflege der Pestkranken berufen worden. Die englische Presse berichtet voller Bewunderung von dem Muth der noch jungen Aerztin, die übrigens den höchsten in England erreichbaren Universitätsgrad in Folge ihrer bedeutenden Leistungen besitzt.

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Die Hausärztin des Emirs von Afghanistan , Miß Hamilton, hat es durchgesetzt, daß in Afghanistan die Zwangsimpfung eingeführt wurde.

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Frauenbildung in Rußland . In Petersburg beſteht bekanntlich schon ein großartig eingerichtetes medizinisches Institut für Frauen. Nunmehr soll in Moskau ein solches gegründet werden und auch in Warschau wird für die Errichtung einer ähnlichen Bildungsanstalt agitirt.

* Ein fiebzehnjähriges Mädchen, Fräulein Collot de Saintes, das schon im vorigen Jahre in Paris den ersten Theil des Bacca­laureatsexamen glänzend bestand, hat jetzt bei der schriftlichen und mündlichen Prüfung in Philosophie einen ungewöhnlich großen Er­folg gehabt. Man glaubt allgemein, daß Fräulein Collot de Saintes ein philosophisches Genie ist, von dessen Entwicklung Leistungen ersten Ranges erwartet werden dürfen.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

Eine Agitation für den gesetzlichen Schutz der Frauen­und Kinderarbeit hat das Komite der sozialistischen Frauen­gruppe zu Mailand " auf Anregung unserer Genossin Dr. Anna Kulischoff und in Gemäßheit des seinerzeit mitgetheilten Beschlusses des sozialistischen Parteitags zu Bologna in die Wege geleitet. Das Komite hat sich in einem Aufruf an die Arbeiter und Arbeiterinnen" gewendet und gleichzeitig einen Programmentwurf veröffentlicht, der eine Reihe gesetzlicher Vorschriften zum Schutze der erwerbsthätigen Frauen und Kinder fordert. In dem Aufruf heißt es, daß Italien in Sachen des gesetzlichen Schutzes der Frauen- und Kinderarbeit den letzten Rang unter allen zivilisirten Ländern einnimmt. Das unzu­längliche und lächerliche Gesetz vom Jahre 1886 wird fast niemals angewendet; Gesetzentwürfe, welche sich auf die Materie beziehen, wandern von Legislaturperiode zu Legislaturperiode, gegenwärtig

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scheint sich das Parlament nicht einmal um die Frage zu kümmern.... Und doch handelt es sich um nöthige Reformen, welche nicht blos die Arbeiterklasse angehen, sondern von denen die Gesundheit und Kraft, die körperliche und geistig- sittliche Entwicklung der Mensch­heit abhängen. Die Kapitalisten in erster Linie müßten sich den Schutz der Frauen und Kinder angelegen sein lassen, wenn sie nicht die Henne schlachten wollen, die ihnen goldene Eier legt, wenn sie nicht die Kraft und Leistungsfähigkeit des Proletariats be­drohen wollen, das ihnen jenen Profit erschanzt, der die Grundlage ihrer Klassenherrschaft ist. Die Thatsachen beweisen jedoch, daß in Italien die herrschenden Klassen absolut nicht das Interesse der An­gemeinheit an dem gesetzlichen Schutze der Frauen und Kinder be­greifen. Sie handeln dem Wilden gleich, der einen Baum fällt, um schneller in den Besitz von dessen Früchten zu gelangen. Nur ein zielbewußtes, einsichtsvolles Streben, eine fräftige, geschlossene und anhaltende Aktion der organisirten Arbeiterklasse ist im Stande, der Regierung der Kapitalisten gesetzliche Maßregeln zum Schutze der Mütter und Kinder und gegen die Unternehmerraffgier zu entreißen. Es ist hohe Zeit, daß die Arbeiter und Arbeiterinnen die Initiative zu einer solchen Aktion ergreifen. Der Aufruf weist darauf hin, daß diese Aktion ebenso im Interesse der Arbeiter wie der Arbeiterinnen liegt. Indem sie Letzteren günstigere Arbeitsbedingungen sichert, wirft sie der Schmutzkonkurrenz seitens der weiblichen Arbeitskräfte ent­gegen, die der kapitalistischen Ausbeutung gegenüber widerstands­unfähiger sind als die Männer. Das Komite fordert alle Arbeiter und Arbeiterinnen auf, in ihren Organisationen den nachstehenden Programmentwurf zur Erörterung zu stellen und ihn eventuell zu verbessern und zu vervollständigen. Mit der Zustimmung aller Ar­beiterkammern, Gewerkschaften, Arbeitervereine 2c. versehen, soll er dann den sozialistischen Abgeordneten zugestellt werden und als Grund­lage dienen für einen Antrag zu einem Schutzgesetz, die Frauen- und Kinderarbeit betreffend. Eine energische und planmäßige Agitation für die aufgestellten Forderungen soll der parlamentarischen Aktion der Parteivertreter den nöthigen Nachdruck verleihen. In Folgendem der vom Komite ausgearbeitete Programmentwurf:

I. Frauenarbeit.

1. Festsetzung der Arbeitsdauer auf 48 Stunden wöchentlich im Maximum. Freigabe des Sonnabend Nachmittag, damit jeder Ar­beiterin eine 42stündige ununterbrochene Ruhepause zu Theil wird.

2. Die Zahl der gesetzlich zulässigen Ueberstunden darf nicht mehr als 50 im Jahre betragen, die so zu vertheilen sind, daß der gesetzliche Arbeitstag um nicht mehr als 2 Stunden und zwar nur an 3 Tagen einer Woche verlängert werden darf.

3. Verbot der Frauenarbeit in ungesunden und gefährlichen Be­schäftigungszweigen.

4. Verbot der Nachtarbeit.

5. Verbot der Arbeit im letzten Monat der Schwangerschaft und einen Monat nach der Entbindung.

6. Für den Unterhalt der Frauen in den beiden Monaten vor und nach der Entbindung hat die obligatorische Krankenversicherung im Verhältniß von mindestens 75 Prozent des bezogenen Tagelohns aufzukommen.

7. Die gesetzlichen Vorschriften zum Schutze der Frauen gelten für alle Kategorien der Groß-, Klein- und Hausindustrie, für die Arbeit in den Reisfeldern und, soweit es möglich ist, für alle anderen landwirthschaftlichen Arbeiten.

8. Der Gesetzestert muß in Fabriken, Werkstätten, Laboratorien, Betrieben und überall, wo Frauen als Lohnarbeiterinnen beschäftigt sind, so ausgehängt werden, daß ihn die Interessenten leicht lesen tönnen.

9. Aufstellung der Arbeitsordnungen auf Grund einer Ver­ständigung zwischen den Unternehmern und den Beauftragten der Arbeiterinnen. Entscheidung durch das Gewerbegericht im Falle einer Nichtverständigung.

10. Ueberwachung der Durchführung der gesetzlichen Vorschriften durch Inspektorinnen, welche von den Arbeiterinnen zu wählen und vom Staate zu besolden sind.

11. Regelmäßige Kontrolle der Werkstätten, Fabriken, Labo­ratorien 2c. mit Rücksicht auf ihre hygienische Beschaffenheit und die vorhandenen Sicherheitsmaßregeln durch technisch geschulte Inspektoren. 12. Erlaß eines besonderen Gesezes, das die hygienischen und Sicherheitsbedingungen der Arbeit regelt.

13. Für die Durchführung der gesetzlichen Vorschriften haften solidarisch die Betriebsdirektoren, Unternehmer und Eigenthümer. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafen von 50 bis 200 Lire für jeden einzelnen Fall und jede beschäftigte Person geahndet. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit aller Haftpflichtigen tritt an Stelle der Geld­strafe eine Gefängnißstrafe für die unmittelbar verantwortliche Person.