Diese Haftstrafe wird nach dem vom Strafgesetzbuch vorgesehenen Verhältniß bemessen, darf indessen im Ganzen nicht ein Jahr über­steigen.

14. Die Geldstrafen fallen den Kranken- und Altersversicherungs­tassen zu. II. Kinderarbeit.

1. Ausnahmsloses Verbot der Arbeit von Kindern bis zum vollendeten 15. Lebensjahre.

2. Verbot der Kinderarbeit auch in der Klein- und Hausindustrie, dem Handel, der Landwirthschaft 2c.

3. Verbot der Nachtarbeit für junge Leute unter 20 Jahren. 4. Verbot der Arbeit von jungen Leuten unter 20 Jahren in gesundheitsschädlichen und gefährlichen Industrien und Beschäftigungs­

arten.

5. Festlegung eines 6stündigen Maximalarbeitstags mit 2stündiger Ruhepause für junge Leute von 15 bis 18 Jahren.

6. Festlegung eines 8stündigen Marimalarbeitstags mit 2stündiger Ruhepause für junge Leute vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 20. Lebensjahr.

7. Kommune und Staat haben für Nahrung, Kleidung und Lehrmittel der proletarischen Schüler und Schülerinnen während der Zeit des Elementar- und des Fachunterrichts zu sorgen.

8. Ueberwachung der Durchführung des Gesetzes durch staatlich besoldete Inspektoren und Inspektorinnen, welche von den Arbeiter­fammern ernannt werden oder dort, wo Arbeiterkammern nicht exi­stiren, von den Arbeiterorganisationen.

9. Die Bestimmungen der§§ 11, 12, 13 und 14 des Gesetzes, die Frauenarbeit betreffend, gelten auch für die Kinderarbeit.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Zur Lage der Saisonarbeiterinnen. In der Zeit, vor Weih­nachten müssen sich viele junge und ältere, gesunde und kränkliche Arbeiter und Arbeiterinnen auf das Aeußerste anstrengen, um die von ihrem Herrn verlangte Arbeit so schnell als möglich zu bewältigen. Nament­lich an Frauen und Mädchen werden in dieser Zeit Anforderungen gestellt, welche das weitgehendste Maß der menschlichen Arbeits­leistung übersteigen. Da sitzen die Puhmacherinnen, Schneiderinnen, Stickerinnen, die Marzipan, Lebkuchen- und Zuckerwerfarbeiterinnen in den Arbeitsräumen eng zusammen und arbeiten ununterbrochen -nur gestärkt durch ein Paar in Eile in Kaffee gestippte Schrippen oder Semmeln- Tag für Tag bis Mitternacht und länger, nament­lich wenn sie in einer Werkstatt schaffen, die nicht den für die Fa­rifen geltenden Beschränkungen unterworfen ist. Die Mädchen müssen dann in der Nacht von ihren Eltern abgeholt werden, um nicht den Zudringlichkeiten von Nachtschwärmern oder den Mißverständnissen eines übereifrigen Sittenpolizisten ausgesetzt zu sein. Aber auch die Arbeiterinnen in Fabrikbetrieben müssen dann vielfach bis spät in die Nacht hinein schaffen. Die Arbeitgeber kommen um Bewilligung zu Ueberstundenarbeit ein mit der Begründung, daß die Aufträge sich außerordentlich gehäuft haben. Die nachgesuchte Bewilligung wird fast stets ertheilt; es gehört zu den größten Seltenheiten, daß sie einmal verweigert wird. Die Arbeiterinnen können nun bis 13 Stunden in der Fabrik sitzen und hierauf Arbeit mit nach Hause nehmen, um da ihre Beschäftigung bis nach Mitternacht fortzusetzen; ebenso heißt es auch des Sonntags für den Erwerb arbeiten. Der Lohn, den die Frauen und Mädchen für diese übermäßig lange Arbeitszeit erhalten, beträgt 60 Pf., wenn es hoch kommt, 1 Mt. pro Tag. Der Bericht der Gewerbeaufsichtsbeamten in Baden theilt z. B. mit, daß in einer Damenschneiderei 14 bis 15 Mädchen in der Saison bis Nachts zwölf Uhr und auch Sonntags arbeiten müssen für einen täglichen Lohn von 50 bis 60 Pf. Letteren Satz erreichten sie obendrein erst nach mehrjähriger Beschäftigung in dem Betriebe.

Die Direttricen und Arbeitgeber feuern fortwährend zur Eile an, damit die Aufträge bewältigt werden und das Renommée des Geschäfts nicht leidet. Ist es aber nicht der größte Widersinn, daß arme, schlecht genährte Mädchen und Frauen sich frant und elend arbeiten und mit Kaffee künstlich den Schlaf vertreiben müssen, weil ein vorgelegtes Muster den Beifall irgend einer Dame der großen Welt oder auch der Halbwelt gefunden hat und nun vielseitig von den launenhaften, mit Glücksgütern Gesegneten verlangt wird? Es fann feinem Zweifel unterliegen, daß die Ueberanstrengung der Kräfte, wie sie bei den Saisonarbeiten gefordert wird, die nachtheiligsten Wirkungen auf den jugendlichen Organismus ausüben müssen. Die für die Gesetzgebung maßgebenden Gewalten legen kein Verständniß dafür an den Tag, wie dringend nothwendig der gesetzliche Schutz der weiblichen Arbeitskräfte gegen diese Ausbeutung ist. Sollten aber die ausgebeuteten Frauen und Mädchen diese unsinnigen, ver­derblichen Verhältnisse willig und schweigend ertragen? Wir meinen

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nein. Sie müssen dem Beispiel der Arbeiterinnen einiger Betriebe in Potsdam und Nowawes folgen. Diese Arbeiterinnen weigerten sich, ihren Arbeitgebern Ueberstundenarbeit zu leisten, obwohl dieselbe von der Verwaltungsbehörde bereitwillig genehmigt worden war. Sie sahen ein, daß wenn sie zweieinhalb Stunden täglich länger schafften, ihr Lohn bald so weit sinken würde, daß sie trotz der aus­gedehnteren Arbeitszeit keinen höheren Verdienst als früher erreichen könnten. Sie hielten deshalb einig zusammen und vermochten so die härtere Ausbeutung zurückzuweisen. Oder möchten die Arbeiterinnen für die Ueberstunden das Dreifache des gewöhnlichen Lohnfahes ver­langen, wie es 21 Arbeiterinnen in einer Nürnberger Spielwaaren­fabrik mit Erfolg thaten. Die Arbeitgeber werden dann bald ein Haar in der Ueberstundenarbeit finden und trotz der Ueberhäufung mit Aufträgen dieselbe zu vermeiden wissen. Freilich einig müssen die Arbeiterinnen sein, wollen sie Erfolge erringen. Indeß wir meinen, daß was in Nowawes und Nürnberg möglich war, auch anderwärts möglich ist. Bei den vor Ostern und Pfingsten wieder zu erwartenden Ueberhäufungen mit Saisonarbeiten sollten die Arbeiterinnen dies bedenken und zwar in ihrem eigenen Interesse, wie in dem ihrer Kinder. Symmachos.

* Die ortsüblichen Tagelöhne gewöhnlicher Tagearbeiter sind vom kaiserlichen Statistischen Amte nach dem Stande vom 10. Dezember 1897 veröffentlicht worden. Einem Berichte über diese Statistit entnehmen wir, daß im Regierungsbezirk Königsberg in Ostpreußen an männliche Arbeiter vielfach 40 Pfennig und an weib liche 30 Pfennig Lohn pro Tag gezahlt wird. Und dann wundern sich die Herren vom Bunde der Landwirthe, daß die Arbeiter aus dem ländlichen Eldorado" in die Städte flüchten!

* Ueber die landwirthschaftlichen Arbeitslöhne in Ungarn hat das Ackerbauministerium eine interessante Publikation veröffent­licht. Danach schwankt der Tagelohn der Frauen( ohne Beköstigung) zwischen 28 und 70 Kreuzern( circa 50 Pf. bis 1,20 Mt.). Bis zu der Tiefe des Verdienstes ostpreußischer Tagelöhnerinnen sinkt er also nicht.

* Die ungleiche Entlohnung von Frauen- und Männer­arbeit bei gleicher Leistung wird durch den nachstehenden Vorgang in helles Licht gerückt. In einem englischen Armenhause sollte Jemand mit der Oberaufsicht in der mit Maschinenbetrieb ausgestatteten Wäscherei betraut werden. In einer Vorstandsversammlung kam man dahin überein, die Stelle für eine Aufseherin gegen ein Gehalt von 12 Schilling die Woche bei freier Station auszuschreiben. Bei der nächsten Versammlung regte ein Mitglied an, ob es nicht in An­betracht des Maschinenbetriebs besser sei, einen Aufseher anzustellen. In Folge dessen wurden die weiblichen Reflektanten abgewiesen und die Stelle ein zweites Mal ausgeschrieben. Aber diesmal wurde ein Aufseher gegen einen wöchentlichen Entgelt von 24 Schilling bei freier Station gesucht. Ein Mitglied stellte die Frage: Warum die Lohnverdoppelung, da doch der Mann für die gleiche Arbeit gesucht werde, die der Frau zugedacht war?"" Weil man einem Manne nicht 12 Schilling wöchentlich anbieten kann", lautete die lakonische Ant­wort. h. s.

Geschichtliches zur Frauenfrage.

* Große Königinnen in Aegypten . Ein berühmter Aegypto­loge, Professor Flinders Patrin in London , hat in Folge seiner langen Studien der alten Monumente Aegyptens merkwürdige Ent­deckungen aus der ältesten Geschichte des Landes gemacht. So fand er, daß während der glänzendsten Periode des Landes, ungefähr zwischen 1600 und 1050 vor Christi Geburt, Frauen Aegypten be­herrschten. Eine von ihnen war eine dunkelfarbige Nubierin, Nefer­ tari , der man noch Jahrhunderte nach ihrem Tode göttliche Ehren erwies. Eine Andere, Aahhotep, wurde wegen ihrer Schönheit, Klugheit und Tapferkeit gleichmäßig besungen. Auch wird ihr nach­gerühmt, daß zu ihrer Zeit den Kindern die Weisheit aller Zeiten gelehrt wurde.

Quittung.

Zu Agitationszwecken gingen bei der Unterzeichneten ein: von den Genossinnen in Berlin 85 Mt. als erste Rate vom Ueberschuß einer Uraniavorstellung und 12,17 Mt. Ueberschuß von den Sammel­listen zur Deckung der Delegationskosten zum Hamburger Parteitag; von den Genossinnen in Köln 10 Mt.; von den Genossinnen in Rostock 10 Mt.; von den Genossinnen in Königsberg 10 Mt.; Summa 127,17 Mt. Dankend quittirt Berlin , Februar 1898.

Frau M. Wengels, Vertrauensperson. Berlin O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Eißner ) in Stuttgart . Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .