53 leicht für Jemand, der diesen Dingen fern steht, sich in den ganz absonderlichen Verhältnissen zurecht zu finden, in welchen Hunderte von technischen Lehrerinnen leben und arbeiten müssen. Nur etwa siebzig Lehrerinnen haben die Maximalstundenzahl von 24 in der Woche und damit das Maximalgehalt von 96 Mk. im Monat. Diese siebzig Auserwählten können damit ein leidlich auskömmliches Leben führen. Bei der richtigen Bewerthung der Ein­kommensverhältnisse muß beachtet werden, daß betreffs der Wohnung und Kleidung der technischen Lehrerinnen dieselben Anforderungen maßgebend sind, welche für die wissenschaftlichen Lehrerinnen gelten, deren Lage wir kürzlich in einem Artikel schilderten. Mit wenigen Ausnahmen sind die technischen Lehrerinnen auf Nebenverdienst angewiesen, der wie die Tinge nun einmal liegen kärglich genug ist. Bei der unpraktischen Eintheilung ihrer Schul­arbeitszeit bleibt für die Nebenarbeit nicht allzu viel Zeit übrig. Die Auswahl unter den Beschäftigungsarten, die den technischen Lehrerinnen nebenher»och offen stehen, ist gering. Entweder ertheilen sie Klavier-, Gesang- oder Malunterricht, oder aber sie arbeiten für die berüchtigten Berliner Hungerlöhne feine Handarbeiten für Ge­schäfte und werden so zu Schmutzkonkurrentinnen der Proletarierinnen, die auf den Verdienst aus dieser Arbeit ausschließlich angewiesen sind. Der Unterricht in Handarbeit und Turnen ist bei den oft über­füllten Klassen mit sechzig und mehr Schülerinnen so anstrengend, daß jede nicht ganz leichte Nebenthätigkeit die Gesundheit langsam, aber sicher untergräbt. Eine technische Lehrerin, die, auf ihren Ver­dienst ausschließlich angewiesen, nach nur zehnjähriger Berufsthätig- keit noch gesund aussieht, dürfte eine Rarität sein. Alle hier angeführten Thatsachen beweisen zur Genüge, wie von Grund aus reformbedürftig die Verhältnisse der technischen Lehrerinnen Berlins sind. Ihre Lebensweise unterscheidet sich thatsächlich nicht viel von der der Proletarierinnen, mit denen sie meist das bleiche, schlecht genährte, oft schwindsichtige Aeußere gemeinsam haben. So lange sie arbeitsfähig sind, ist ihr Los noch einigermaßen erträglich. Aber wenn die Kräfte im Dienste des Gemeinwohls aufgezehrt sind, dann empfinden die Aermsten die Brutalität der bürgerlichen Gesellschaft, die für ihre alten, arbeitsunfähigen Mitglieder höchstens Bettelbro­samen übrig hat. In ihren zahlreichen Petitionen an das Kultusministerium ver­langen die technischen Lehrerinnen u. A. ausreichende Beschäftigung mit 24 und mehr Stunden in der Woche, feste Anstellung. Pensions­berechtigung, ein Grundgehalt, Miethsentschädigung in der Höhe, wie sie den wissenschaftlichen Lehrerinnen gezahlt wird, und Alters­zulagen. Trotzdem man diese bescheidenen Forderungen der technischen Lehrerinnen in einer Reihe von deutschen Städten bereits erfüllt hat u. A. in dem in nächster Nähe Berlins gelegeneil Charlottenburg , konnten sich die Berliner Stadtväter imRothen Hause" bei der letzt­hin vorgenommenenReform" der Lehrerinnengehälter zu einer ener­gischen und umfassenden Aenderung der unhaltbaren Verhältnisse der technischen Unterrichtskräfte nicht entschließen. Ein paar kleinliche Verbesserungen, die nur einer geringen Zahl von technischen Lehrerinnen zu Gute kommen, sind beschlossen worden das ist Alles. Für Kulturaufgaben ist bei uns bekanntlich kein Geld zu haben, und die Volksschule hat es sich von jeher gefallen lassen müssen, als Stiefkind behandelt zu werden. N. lvt. Notizentheil. <von lily Vr»u» und Alaru Zriktn.) Soziale Gesetzgebung. Eine Beschränkung des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes unter Berufung ans einen angeblichenDruckfehler" ist eine der wunderbaren Blüthen, welche die deutsche Sozialpolitik in der Aera der Stumm-Posadowskyaden gezeitigt hat. DerReichs­anzeiger" brachte in seiner Nummer vom 10. März folgendeBe­richtigung": In dem in Nr. 18 des R e i ch s g e s e tz b l a t t e s für 1891(S. 261 ff.) abgedruckten Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbe­ordnung vom 1. Juni 1391 sind S. 233 im letzten Absatz des § 138 a in Folge eines Versehens die Worte:Ziffer 2 und 3" an Stelle der WorteZiffer 3 und 4" gesetzt worden. Der letzte Absatz des Z 133 a hat richtig wie folgt zu lauten: Die unlere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre, welche kein Hauswesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei dem im 8 105o, Absatz 1 unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen Nachmittags nach 5'/, Uhr, jedoch nicht über 8'/, Uhr Abends hinaus gestalten. Die Erlaubniß ist schriftlich zu ertheilen und vom Arbeitgeber zu verwahren." Was denn legt die bisherige Fassung der Gewerbeordnung fest, die imReichsgesetzblatt " und imReichsanzeiger" veröffent­licht worden und damit allein rechtsgiltig ist? Daß über 16 Jahre alte Arbeiterinnen, die kein Hauswesen zu besorgen haben und keine Fortbildungsschule besuchen, laut Ziffer 2 des H 10Se zur Durch­führung der gesetzlich vorgeschriebenen Inventur, sowie zu den unter Ziffer 3 genannten Zwecken(Bewachung von Betriebsanlagen, Reini­gung und Instandhaltung von Betrieben w.) an den Vorabenden von Es war nicht da. Das war zu ärgerlich es mußte im Wagen liegen. Gerade als sie dem Weibe ihr Unglück klagen und ihr ver­sprechen wollte, das Geld später zu schicken, wurde die Thüre geöffnet und herein trat ein elegant gekleideter Herr. Sein Gesicht war sehr voll und von einer eigenthümlichen trockenen Blässe, als äße er viel Mehl. Frau Warden, wie ich vermuthe" sagte der fremde Herr; ich traf Ihren Wagen oben in der Gasse; und hier bringe ich Ihnen vermuthlich Ihr Portemonnaie?" Die Dame sah es an, ja allerdings, es gehörte ihr; auf der glatten Elfenbeinfläche war ein schwarzes E. W. eingravirt. Als ich um die Ecke bog, sah ich es zufällig in den Hän­den einer Dirne einer der schlimmsten im ganzen Viertel", er­klärte der Fremde,ich bin nämlich Armenvorsteher im Distrikt", fügte er hinzu. Frau Warden dankte, obgleich der Mann ihr keineswegs sympathisch war. Als sie sich aber wieder dem Zimmer zuwandte, war sie heftig erschrocken über die Veränderung, welche plötzlich mit dessen Insassen vor sich gegangen war. Der Mann hatte sich im Bette aufgerichtet und stierte den dicken Herrn an; das Weib trug ein häßliches, gemeines Lächeln zur Schau und der arme kleine Lahme hatte sich bis an die Thüre gewälzt und, auf seine mageren Arme gestützt, stierte er empor wie ein kleines Thier. Und in all diesen Augen lag derselbe Haß, derselbe kampf­bereite Trotz und jetzt war es Frau Warden, wie wenn sich ein ungeheurer Abstand zwischen sie und das arme Weib lege, mit dem sie soeben noch so offen und vertraulich gesprochen hatte. Wie Du heute wieder aussiehst Maritn!" sagte der Herr mit einer ganz anderen Stimme,ich habe mir wohl gedacht, daß Du heute Nacht dabei gewesen bist. Ja, ja! heute Nach­mittag werden sie Dich abholen. Du kommst auf zwei Monate ins Gefängniß." Plötzlich brach es los wie ein Wasserfall. Mann und Frau schrieen durcheinander, das Mädchen kam hinter dem Ofen hervor und stimmte ein, der Lahme schrie und wälzte sich die Worte waren nicht zu unterscheiden, aber die Laute, die Augen, die Hände es war, als müsse der kleine dumpfe Raum durch all die Leidenschaft, die hier explodirte, auseinander gesprengt werden. Frau Warden erbleichte und erhob sich. Der Herr öffnete die Thüre und Beide eilten hinaus. Im Korridor hörte sie das fürchterliche Lachen eines Weibes hinter sich her ertönen. Das mußte die Frau sein, dieselbe Frau, die so milde und traurig von den armen Kindern gesprochen. Fast unwillig folgte sie dem Manne, der diese erschütternde Veränderung hervorgerufen hatte, und als sie nun miteinander über die Gasse gingen, hörte sie ihm mit stolzer, vornehmer, kalter Haltung zu. Aber nach und nach veränderte sie die Miene. Es lag doch so viel Wahrheit in Allem, was er sagte. Der Armenvorsteher sprach davon, wie wohl es ihm thuc zu sehen, daß eine Dame wie Frau Warden so viel Herz für die beklagenswerthen Armen habe. Wenn es auch zu beklagen, daß selbst die wohlgemeinteste Hilfe so oft in die unrechten Hände komme, so bliebe es doch immer etwas Schönes und Erhebendes, daß eine Dame wie Frau Warden