Gegner der Frauenrechte als gewichtiges Argument gegen die Forderung der sozialen Gleichberechtigung der Geschlechter ausgeschlachtet worden ist. Aber erstens ist der offizielle Charakter des Berichts noch kein Beweis für seine vollständige Objektivität. Wir erinnern daran, wie wenig der Wahrheit, den thatsächlichen Verhältnissen der Bericht entsprach, der seiner Zeit dem preußischen Handelsminister v. Berlepsch über die Leistungen der englischen Fabrikinspektorinnen erstattet worden ist. Und zweitens beweist es gar nichts gegen die Forderung der sozialen Gleichberechtigung der Geschlechter, wenn der Bericht in allen seinen Einzelheiten völlig zutreffend sein sollte. Die soziale Gleich stellung von Frau und Mann hat nicht eine sozusagen mathematische Gleichheit der Geschlechter zur Voraussetzung, sondern ihre Gleich werthigkeit, die sich je nach der individuellen Veranlagung auf den gleichen oder auf verschiedenen Gebieten gesellschaftlich nothwendiger und nüßlicher Arbeit bethätigen kann.
Weibliche Fabrikinspektoren.
Unterrichtskurse für die Heranbildung weiblicher Gewerbeaufsichtsbeamten werden in Berlin vom„ Bund deutscher. Frauenvereine" zum zweiten Male eingerichtet. Das Unterrichtsgebiet wird Arbeiterinnenschutzgesetzgebung und Gewerbehygiene umfassen. Die Vorträge beginnen am 2. Juni. Dieselben finden Abends von 8-10 Uhr statt. Nähere Auskunft ertheilt schriftlich Frau Jeanette Schwerin , Berlin C, An der Schleuse 13 I.
Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen.
Die Zulassung der Frauen zu öffentlichen Versammlungen und zu gewissen politischen Vereinen ist von der Kammer der Reichsräthe beschlossen worden. Sie nahm das Vereinsgesetz in der Fassung der Abgeordnetenkammer an und lehnte die Ausschußanträge ab, welche das Vereinsrecht der Frauen beschränken wollten. Die Reform des bayerischen Vereins- und Versammlungsrechts kann damit als gesichert gelten. Sie beseitigt nicht blos das Verbot gegen das Inverbindungtreten der Vereine, sondern mildert auch die politische Ausnahmestellung des weiblichen Geschlechts ganz wesentlich.
Also ist es nicht wahr?"
Statt aller Antwort füßte er sie von Neuem.
Und wieder saßen sie und hielten sich fest umschlungen.... Er ließ sie nicht fort, bevor sie nicht mit ihm zu Nacht gespeist. Er wollte sie am Abend selbst nach dem Bahnhof hinüberrudern. Es mochte schon zehn Uhr sein, als sie Arm in Arm zur Haltestelle hinunter gingen. Lene war wieder still geworden. Der schwere Wein, den Richard Dernburg ihr wieder und immer wieder eingeschenkt, erfüllte sie mit einer traumseligen Müdigkeit. Sie war so glücklich, so glücklich! die ganze Welt versank vor diesem Glücke.
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Sie hatten sich im Boote nebeneinander gesezt und ließen sich treiben. Die Nacht war still und schwül. Ueber den Hügeln der Stolper Heide ging der Vollmond auf und warf zitternde Lichter über den See. Im Buschwerk am Ufer glühten die Leucht käferchen. Müde streckte Lene die Hand aus:„ Ist das nicht wie im Paradiese?"
,, Und dennoch willst Du fort?"
"
" Muß ich nicht?"
Er beugte sich zu ihr:
,, Bleib hier."
" Das geht doch nicht."
" Wenn Du nur willst, bleib hier. Nur bis morgen." Sie erröthete trotz der Dunkelheit:„ Es geht doch aber wirklich nicht, denke die Leute-"
"
Er riß sie in seine Arme und erstickte sie fast mit Küssen: Was gehen uns denn die Leute an? Bin ich Dir nicht mehr als die Leute? Bleib hier bleib hier nur einen Tag." Und Lenes Blut war jung und heiß, sie liebte Richard so sehr, und sie blieb.
Nur bis morgen
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nur einen Tag.
Aber an den einen Tag reihte sich ein zweiter und an den zweiten ein dritter und Woche auf Woche verrann!-
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( Fortsetzung folgt.)
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Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.
Handlungsgehilfinnen und Gewerbeinspektion. Die Lage der weiblichen Angestellten im Handelsgewerbe wird von Tag zu Tag schlechter, so daß immer weitere Kreise derselben ihre Aufmerksamkeit zuwenden und auf Einführung von Schußgefeßen dringen. So hat sich auch im vorigen Jahre der badische Fabrikinspektor mit den Verhältnissen im Handelsgewerbe beschäftigt; sein Bericht enthält folgende Auslassungen:„ Von mehreren Seiten wird auch auf die Ueberanstrengung in Bazaren und Ladengeschäften und auf die aus dieser Ursache auftretenden Gesundheitsschädigungen hingewiesen. Obgleich diese Verhältnisse aus den Untersuchungen der Kommission für Arbeiterstatistik über die Arbeitszeiten in den offenen Ladengeschäften hinreichend bekannt geworden sind, so sollen doch an dieser Stelle die uns zugegangenen Aeußerungen theilweise wiedergegeben werden, da die Berichterstatter einen gewissen Nachdruck auf sie legten. In manchen Geschäften würden die Mädchen zeitweise bis 11 und 12 Uhr Nachts zurückgehalten, um den Laden wieder in Ordnung zu bringen. Die ohnehin in diesem Alter zu Bleichsucht neigenden Mädchen erkrankten dann um so leichter an diesem Uebel. Sie hätten auch öfter wegen des Stehens während des ganzen Tages geschwollene, schmerzhafte Füße. Eine Ortskrankenkasse theilt mit, daß in den in dieser Beziehung hinlänglich bekannten Kurzwaarengeschäften und in Damenkleidergeschäften die Mädchen Abends nach Schluß des Ladens noch bis 10, 11 Uhr und theils noch bis über Mitternacht zum Arbeiten angehalten würden. Dagegen seien die jungen Mädchen so gering bezahlt, daß sie ihr Leben absolut nicht zu fristen vermöchten. Die Zahl der an Anämie und Chlorose leidenden Mädchen sei eine ungewöhnlich hohe. Die Kasse habe z. B. im Monat Juni des Jahres 1897 für 18 bei einer einzelnen Firma beschäftigte Personen aus nur einer Apotheke( in den anderen wurde es noch nicht festgestellt) 44 Rezepte, darunter 19 Flaschen Eisenwein, gegen Blutarmuth und Bleichsucht angerechnet erhalten. Auch einige Bezirksärzte weisen auf diese Ueberanstrengungen hin, ohne indessen Gesundheitsschädigungen ausdrücklich zu konstatiren." Deutlicher kann doch der Beweis für die Nothwendigkeit von Schutzgesetzen und Aufſichtsbeamten im Handelsgewerbe wahrlich nicht erbracht werden. W. S.
Die Lage der Handlungsgehilfinnen wird durch die folgende Mittheilung der Ortskrankenkasse III in München für das faufmännische Personal recht hell beleuchtet und in ihrer Reformbedürftigkeit gezeigt. Sie lautet:„ Das auffallend häufige, fast typische Krankheitsbild unserer weiblichen Versicherten: Bleichsucht, Blutarmuth, nervöse Erschöpfung und in der weiteren Entwicklung Tuberkulose u. s. w. ist zum größten Theil auf Schädlichkeiten des Berufs zurückzuführen. Eine Umfrage bei unseren Kassenärzten, zu denen die namhaftesten Münchener Mediziner gehören, hat Folgendes ergeben:
Ohne Zweifel ist die jetzige Arbeitszeit in sämmtlichen kaufmännischen Geschäften eine zu lange; sie erstreckt sich für die halbwüchsigen, schwächlichen Mädchen nicht selten auf 12 Stunden und ist unterbrochen nur durch eine einstündige Mittagspause. Diese furze Pauſe reicht oft nur knapp hin, den weiten Weg nach Hause und zurück in der äußeren Stadt zu machen und dazwischen ein heißes den Mädchen das Mittagessen im Geschäft selbst zu verab= Essen rasch zu schlingen. Nicht minder verwerflich ist die Uebung, reichen, es entbehren die Betreffenden hierbei für den ganzen Tag der frischen Luft und Bewegung und die Mittagspause wird thatsächlich illusorisch.
Geradezu grausam ist das in mehreren Geschäften bestehende Verbot, im Laufe des Vormittags oder Nachmittags einen kleinen Imbiß einzunehmen, wie eine Tasse Milch, ein belegtes Brot u. s. m. Sehr häufig erlischt das Hungergefühl, wenn es nicht zur rechten Zeit befriedigt wird; dazu ist die Möglichkeit der Nahrungsaufnahme bei dem Abends übermüdet nach Hause Kommenden eine sehr geringe, es fehlt überhaupt die Lust zu essen.
Es ist daher zu wünschen, daß die Arbeitszeit auf 10 oder 9 Stunden mit Mittagspause von 12 bis 2 Uhr beschränkt, daß allwöchentlich ein freier Nachmittag gewährt, bezw. der Sonntag freigegeben werde.
Die Sitzgelegenheit, welche trotz der energischen Agitation noch verhältnißmäßig wenig gewährt ist, sollte möglichst verallgemeinert
werden.
Außerordentlich schädlich ist der Aufenthalt in staubigen, schlechtventilirten Räumen. Wir wissen wohl, daß der Geschäftsherr selbst den Aufenthalt mit den Angestellten zu theilen hat, daß mit der Waare und dem Verkehr des Publikums Staubentwicklung verbunden ist, aber man darf wohl verlangen, daß zum Wenigsten der Fußboden etwa in der Mittagspause feucht gewischt wird.