tariats Blatt an Blatt, bedeckt mit den blutigen und gewaltthätigenZeichen des Klassenhasses und der Klassenrache der Besitzenden. InNeapel, Turin, in Mailand und anderwärts begannen die Kriegsgerichte zu funktioniren, und mit ihren Verurtheilungen zu langenJahren Gefängniß und Kerker— Kerker und Gefängniß in Italien!d. h. unter wahrhaft mörderischen Bedingungen— überlieferten sieDutzende und Aberdutzende von Leben dem Tode durch die trockeneGuillotine. Noch heute dauert ihr unheilvolles Werk weiter. Dieder Arm der schäbigsten und brutalsten Klassenjustiz traf und trifft,es sind nicht blos arme Teufel, Verzweifelte und Hungernde, welchedas grausigste Elend revoltirend in die Straße trieb, zum Sturmgegen kommunale Steuergebäude und Häuser berüchtigter Wuchererund Aussauger anpeitschte, zu Stock und Stein greifen ließ widerdie mit den modernsten Mordgewehren bewaffnete Soldateska. Essind vielmehr auch Republikaner, die sich nach zwanzigjährigemSchlafe daran erinnerten, daß das von revolutionären Strömungenemporgetragene savoyische Herrschergeschlecht das geeinte Italiennicht der Freiheit und der höheren Kultur entgegengeführt hat, daßes sich dagegen als Träger der schlimmsten Reaktion erwies; alsHort der widerlichsten Korruption auf allen Gebieten des öffentlichenLebens; als Förderer einer wahnwitzigen, Volksgut und Volksblutvergeudenden Großstaatspolitik. Es sind Anhänger der klerikalenPartei, welche von der Wiederherstellung der weltlichen Macht desPapstes träumt. Es sind vor allem bekannte Sozialistenführer,Agitatoren mit Wort und Schrift, Organisatoren, welche in selbstloser Hingebung für die Aufklärung und den Zusammenschluß desarbeitenden Volkes in Stadt und Land, in Fabriken und Werkstätten,in Gruben und auf dem Felde wirkten. Im schärfsten Gegensatz zuder Theorie und den Aposteln einer Politik der Revolten und Attentate hatten sie die Ausgebeuteten und Leidenden für ihre Besserstellungin der Gegenwart und für ihre Befreiung in der Zukunft auf den planmäßigen Klassenkampf mittels der Gewerkschaftsorganisation und desStimmzettels verwiesen. Wo immer die Noth und der Zorn desVolkes in elementaren Ausbrüchen emporgeloht waren, da hatten sie,den Kampf auf dem Boden der gesetzlichen Verhältnisse predigend,zur Ruhe gemahnt. Trotzdem sind es gerade die Sozialisten und inerster Linie die Sozialisten, die als Anstifter und Rädelsführer derHungerrevolten der letzten Monate verhaftet, angeklagt und verurtheiltwurden und werden. Gleichzeitig wurden nicht nur alle sozialistischen oder revolutionären Gruppen aufgelöst und verboten undFrauenleben im Transvaal.Scharf ist der Gegensatz zwischen dem Leben der Boeren-frauen und jenem der Angelsächsinnen in Südafrika. Welten trennendie Anschauungen der beiden weiblichen Gruppen, die seit der Entdeckung des Goldes im Freistaate Transvaal, im Jahre 1886, nebeneinander wirken, ohne sich zu verstehen und einander zu schätzen.Beider Lebensanschauungen und Lebensverhältnisse sind das Er-gebniß verschiedener Vorbedingungen, deren Einwirkung noch fortdauert, obwohl die ursprünglichen Zustände eine gänzliche Umgestaltung erfuhren.Der Boer ist der Nachkomme der ursprünglichen niederländischen Ansiedler am Kap der guten Hoffnung, welche dieniederländische Regierung nach ihrer Niederlassung sich selbst überließ, und die zur Führung einer recht wilden Lebenshaltung ge-nöthigt waren. Ihren Lebensunterhalt mußten die Einwandererdurch Jagd sich anfänglich erbeuten, und so kam es, daß die Jagdlust und die Kampfeslust gegen die eingeborenen Stämme, denenman den Bodensitz mit Gewalt entriß, sich unter den Männernvon Generation zu Generation forterbten und stets tiefere Wurzelnim Volke schlugen. Die unterjochten Stämme der Hottentotten undKaffern wurden als Leibeigene zur Hut der Herden und zurBestellung der Getreideäcker und Obst-, sowie Gemüsegärten verwendet; die Boeren selbst beschränkten ihre Thätigkeit auf Ueber-wachung der Arbeit, auf Herbeischaffung von Wildpret für dieKüche und Vertheidigung des eigenen Herdes gegen feindliche Angriffe. Den Frauen der ersten Ansiedler, sowie der später dasBoerenelement verstärkenden Schweizer und Waldenser, lagen dieHaushaltungspflichten ob, sie kochten die Nahrung, halfen denLeibeigenen in den Gärten, bereiteten Butter und Käse und verfertigten die Kleidung für die gesammte Familie aus der Wolle derSchafe. Sehr sanft war und ist noch heute die Behandlung desEhegatten der Frau gegenüber nicht; derselbe schreckt vor körperlicher Züchtigung nicht zurück und ist zu Mißhandlungen vor Allemihre thätigsten Mitglieder verhaftet und vor die Gerichte geschleppt.Alle Organisationen des werkthätigen Volkes überhaupt— Gewerkschaften, Arbeiterkammern, Konsumvereine zc.— traf vielmehr dasgleiche Schicksal. Die sozialistische und Arbeiterpresse wurde zum Theilverboten, zum Theil durch Prozesse, Konfiskationen in unerhörter Weisegemaßregelt. Mittels des„weißen Schreckens" wollten die herrschendenGewalten der hungernden Masse den Mund stopfen, gleichzeitig aberund vor Allem die erstarkende organisirte und zielklare sozialistischeArbeiterbewegung zerschmettern. Die größte Wuth der Reaktion kehrtesich deshalb auch gegen das Mailänder Proletariat, seine Organisationund seine Führer. Gegen das Mailänder Proletariat, das als festgefügte, wohlgeschulte Kerntruppe den Mittelpunkt der modernensozialistischen Bewegung in Italien bildet, wie Mailand selbst derMittelpunkt der modernen Großindustrie des Landes ist.Von den zahlreichen Opfern der Kriegsgerichte hat wohl kaumeines die Sympathie so weiter Kreise erregt, wie unsere GenossinFrau vr. Anna Kulischoff, die wegen vorgeblicher Aufreizung zugewaltthätigem Aufstande zu zwei Jahren Gefängniß verurtheiltwurde. Die Klassenjustiz hat in ihr eine selten hochsinnige und bedeutende Frau getroffen, gleich hervorragend an Gemüth, Geist,Wissen, Willen und Idealismus.Anna Kulischoff gehört zu jener geistig-sittlichen Elite vonRussinnen, welche in den siebziger Jahren— sehr unähnlich den westeuropäischen Frauenrechtlerinnen und ihnen an Kenntnissen, geschichtlicher Einsicht und vor Allem an opferbereitem Idealismus bei Weitemüberlegen— den Kampf für die Befreiung des weiblichen Geschlechtsund die Befreiung des arbeitenden Volkes mit ebenso großer Energiewie Hingabe führten. Anna Kulischoff mußte Ueberzeugung und Thunbüßen. Sie war vor etwa zwanzig Jahren als blutjunges Dinggezwungen, sich den Verfolgungen der zaristischen Schergen durch dieFlucht ins Ausland zu entziehen. Sie ging nach Italien, wo siezuerst ihre Ausbildung als Ingenieur vollenden wollte, sich aberspäterhin dem Studium der Medizin zuwendete.Mit leidenschaftlichem Eifer studirte Anna neben ihren Berufsfächern noch Sprachen, Geschichte, Nationalökonomie; mit den wichtigsten Erzeugnissen der internationalen sozialistischen Literatur machtesie sich vertraut. Gleichzeitig nahm sie lebhaften Antheil an derjungen sozialrevolutionären Bewegung in Italien, die damals einenmehr anarchistischen Charakter trug. Der Bourgeois, der die Sozialisten ob ihres Internationalismus„vaterlandslose Gesellen" schilt,geneigt, wenn er dem ihm so theuren Wachholderbranntwein stärkerals gewöhnlich zugesprochen hat. Als sehr strenge Kalvinistin,die an dem Worte:„Du bist des Mannes Magd!" glaubenstreufesthält, erträgt die Boerenfrau alles Ungemach ohne Murren alsetwas Selbstverständliches und wird in dieser Anschauung auch nichtirre durch die Vorhaltungen ihrer angelsächsischen Nachbarinnen.Sie hat sich allmälig in das Gefühl der Unterwürfigkeit hineingelebt und spricht von ihrem Manne Dritten gegenüber blos als„Mynheer". Hundertmal habe ich bei den Ackerbau treibendenBoeren der nördlichen Bezirke gespeist, wo der Mann das gesammte Mobiliar aus dem einheimischen Gelbholz eigenhändig rohzusammengezimmert hatte, und häufig wiederum bei hohen Staatsbeamten zu Pretoria: überall fand ich die Sitte, daß nicht Dienerschaft, sondern die Frau und Töchter des Hauses bei Tisch aufwarteten und sich selbst erst zur Mahlzeit hinsetzten und die Gerichte kalt verzehrten, nachdem die„Herren der Schöpfung" sichgesättigt erhoben hatten, um zur Tasse Kaffee und zur FlascheDrakensteiner Wein zu greifen.Die Tagesarbeit verläuft für die Boerenfrauen des Landesetwa folgendermaßen: Morgens bei Dämmerung erheben siesich vom Lager, kochen Kaffee und bereiten das Frühstück: eigen-gebackenes Schwarzbrot, kaltes Wildpret oder sonstiges Fleisch, �frische Butter, Eier, Honig oder Obstkonserven. Dann wecktman die Männer, die nach dem Frühstück das Fortführen derHerden durch die Farbigen überwachen, die Feldarbeit bestimmenund dann, die Pfeife ohne Unterlaß im Munde, den zottigen Gaulbesteigen und die Büchse über die Kruppe, auf der Hochebene biszur Mittagszeit umherreiten. Die Frauen haben dann ihre Hausarbeit schon beendet und sitzen bis zur einbrechenden Nacht amWebstuhle, einen alten, vorsintfluthlichen Zangelstuhl. Nach demwarmen und substantiellen Mittagessen und einem stärkenden Schlafesind die Boeren gegen Abend heimgekehrt und strecken sich nachdem Abendbrote zur Ruhe.Die harte Arbeit, welche schon Generationen von Boeren-