1899 in Kraft. Die Abänderung der Statuten betreffend, beschloß der Verbandstag, den Beitrag für männliche Mitglieder von 10 Pf. auf 15 Pf., den Beitrag für weibliche Mitglieder von 5 Pf. auf 7% Pf. pro Woche zu erhöhen. Die Genossinnen Tröger, Zieß und Kähler befürworteten diese Erhöhung, da bei niedrigen Beiträgen der Verband nichts leisten könne. Die übrigen angenommenen Aenderungen des Statuts sind unbedeutend. Einem Antrag aus Offenbach   ent­sprechend wurde beschlossen, zum Zwecke besserer Agitation die Zahl­stellen der verschiedenen Gegenden in Gaue zusammenzufassen und der Leitung von Gauvorständen zu unterstellen. Die Frage der Diäten für die agitatorischen Kräfte und für die Delegirten zum Verbandstag wird geregelt, ebenso die der Gehalte der Verbandsbeamten. Das Gehalt des Vorsitzenden wird von 1350 Mt. auf 1500 Mt., das des Kassiers von 700 Mt. auf 1200 Mt. erhöht. Der Verbandstag erklärte sich des Weiteren für die Einführung von Reisekontrollscheinen und berieth eingehend das Streikreglement. Folgende Resolution gelangte zur Annahme: Zur Durchführung der Kämpfe werden zunächst die in dem Streitfonds sich befindenden Geldmittel verwendet. Zu diesem Fonds Beiträge zu zahlen ist Pflicht eines jeden Mitglieds. Hierzu werden 5- Pfennigmarken vom Vorstand angeschafft." Der Sitz des Verbandes bleibt Hannover  , der bisherige Vorsitzende Brey ward wiedergewählt. Der nächste Verbandstag findet im Jahre 1900 in Halberstadt   statt. Nach einigen träftigen Worten des Vorsitzenden wurde der Verbandstag mit einem Hoch auf die Gewerkschaftsbewegung. W. K. geschlossen.

Weibliche Fabrikinspektoren.

Die Anstellung einer Assistentin der Fabrikinspektion in Hessen   scheint demnächst bevorzustehen. Die Regierung hatte, wie das Darmstädter Tagblatt" mittheilte, zuerst die Absicht, als Assistentin des Inspektionsbezirks Offenbach ein Fräulein Hauser zu ernennen, das Oberwärterin an der Landesirrenanstalt zu Heppen heim ist. Diese Absicht war sicher eine wundersame Blüthe deutscher  Sozialreform. Die Person und die Fähigkeiten der Dame in allen Ehren, aber womit hatte sie in ihrer bisherigen Berufsthätigkeit den Beweis erbringen können, daß sie für die so verantwortungs­reichen Aufgaben der Gewerbeaufsicht eine besondere Vorbildung und Eignung besitzt? Dem geziemenden beschränkten Unterthanenverstand lag selbstverständlich die Frage fern, ob etwa die verflucht gescheidte Absicht der hessischen Bureaukraten aus der Ansicht geboren war, daß für die Aufsicht über Jrre und für die Beurtheilung der Arbeits­bedingungen und Beschwerden der Arbeiterinnen die gleichen Gesichts­punkte wohlthätiger Strenge" maßgebend sein müssen. Noch ferner aber lag ihm die andere Frage, ob vielleicht die Väter des Planes Gelegenheit gehabt hatten, als Pfleglinge des Fräulein Hauser sich über die Qualifikation der Dame für das neue Amt eingehend zu unter­richten. Nichtsdestoweniger fanden die Offenbacher   Arbeiter und Ar­beiterinnen, daß die Absicht einen etwas irrenanstaltlichen Beige­schmack hatte. Es fehlte nicht an boshaften Gemüthern, die da meinten, die hessische Regierung solle auf dem glücklich entdeckten Wege munter fortschreiten. Eine ganze Anzahl von Staatsbeamten könne vielleicht mit Nugen aus dem Irrenhause bezogen werden, aus den Reihen der Beamten natürlich, nicht etwa der Pfleglinge. Die hessische Regie­rung ist nun angesichts der Stimmung in den betheiligten Kreisen vernünftig genug gewesen, auf ihre ursprüngliche Absicht zu ver­zichten. Wie unser Offenburger   Parteiorgan mittheilt, wird als Assistentin jedenfalls ein Fräulein Geist ernannt werden. Fräulein Geist war früher in Offenbach   Arbeiterin, dann Vorarbeiterin und ist jetzt dort als Kontoristin thätig. Es fehlt der Dame also nicht an den nöthigen praktischen Erfahrungen für die neue Amtsthätigkeit. Hessen   ist bekanntlich allen deutschen   Bundesstaaten mit dem Beschluß vorangegangen, Assistentinnen der Fabrikinspektion auf Grund eines Gesetzes anzustellen. Allem Anschein nach geht nun auch die hessische Regierung den anderen deutschen   Regierungen mit einem guten Beispiel voran betreffs der Wahl des ersten weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten.

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Die Ernennung von Schwestern vom Rothen Kreuz oder Diakonissinnen als Vertrauenspersonen der Arbeiterinnen in Meiningen  , das ist ein charakteristisches Pröbchen sozialpolitischer Weisheit unserer deutschen Reform- Aera". Pflicht des Staates ist es, weibliche Gewerbeaufsichtsbeamte anzustellen mit festen Aufgaben und bestimmten Vollmachten. Sache der Arbeiterinnen ist es, ihre Vertrauenspersonen zu wählen, welche Beschwerden der Fabrik­inspektion zu übermitteln haben. Weder die Regierung noch die Fabrikinspektion hat sich in die Wahl solcher Vertrauenspersonen zu mischen. Wann werden deutsche Regierungen aufhören, ihren Vorwitz dort zu lassen, wo ihres Amtes nicht ist, und dafür ihres Amtes zu walten, wo die Umstände Reformen heischen?

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Frauenstimmrecht.

* Frauenstimmrecht in Viktoria. Nachdem in den englischen Kolonien Australiens  , Südaustralien   und Neuseeland  , die poli­tische Gleichberechtigung der Frauen gesetzlich anerkannt worden ist, scheint nunmehr auch die Kolonie Vittoria diesem Beispiel folgen zu wollen. Der Gouverneur kündigte an, daß die Regierung in der nächsten Session einen Gesetzentwurf zu Gunsten des Frauenstimm­rechts dem Parlament vorlegen werde.

* Für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts trat Abraham Lincoln  , der berühmte Präsident der amerikanischen   Nordstaaten, der unerschrockene Sklavenbefreier, bereits mit fünfundzwanzig Jahren rückhaltslos ein. Als Kandidat für das Parlament von Illinois   wurde er im Jahre 1834 nach seinen grund­legenden politischen Ueberzeugungen gefragt. Seine Antwort lautete: Wer die Bürden des Staates mit zu tragen hat, muß auch seine Rechte genießen. Darum trete ich dafür ein, daß Jedermann, ohne Unterschied des Geschlechts, das Wahlrecht besitzen soll."

* Der Kongres christlicher Kirchen in Washington   er­klärte sich für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts. Der Kongreß, der im Juni tagte, nahm u. A. folgende Resolution an: Wir erklären, mit allen Kräften die politische Gleich­berechtigung der Frauen fördern zu wollen, da sie für den Staat einen sittlichen Fortschritt bedeuten würde."

Das Referendum( Volksabstimmung) mit Frauenstimm­recht in Kommunalangelegenheiten besteht fakultativ in Frankreich  . Die Gemeinderäthe der einzelnen französischen   Kommunen können wichtige und strittige Fragen des Gemeindelebens eventuell durch ein Referendum entscheiden lassen, an dem auch die Frauen theilnehmen. Zahlreiche Beispiele beweisen, daß die Frauen dieses Recht vorkommenden Falles ausgeübt und in großer Zahl abgestimmt haben. Der Abgeordnete Herr Argeliès hat nun in der französischen   Kammer einen Antrag eingebracht, der bezweckt, das Gewohnheitsrecht des kommunalen Referendums gesetzlich für bestimmte Fälle und unter bestimmten Bedingungen festzulegen. Aber diese fortschrittliche Tendenz des An­trags ist mit einer rückschrittlichen Bestimmung verquickt: die Frauen sollen das Stimmrecht verlieren. Der Antrag sieht nämlich die Aus­übung des Referendums nur für alle Kommunalwähler vor. Da die Frauen in Frankreich   das Gemeindewahlrecht nicht besitzen, so würden sie mithin als Nichtwähler durch das beantragte Gesetz von der Stimmabgabe bei einem Referendum von Gesetzeswegen ausge­schlossen. Die Gemeindebehörden stehen dem Antrag des Herrn Argeliès sehr sympathisch gegenüber. Im Allgemeinen würden sie es mit Freuden begrüßen, wenn das kommunale Referendum aus einem Gewohnheitsrecht, das die Staatsgewalten dulden, in ein gesetzlich festgelegtes Recht verwandelt würde, das respektirt werden muß. Was das Frauenstimmrecht zu dem Referendum an­belangt, so sind die Meinungen getheilt. Ein Theil der Gemeinde­räthe will dem Antrag Argeliès entsprechend nur den Kommunal­wählern das Stimmrecht einräumen. Ein anderer Theil ist für das Frauenstimmrecht; ganz entschiedene Befürworter desselben sind die zahlreichen sozialistischen   Gemeinderäthe. Sehr viele Munizipalitäten stehen der Frage indifferent gegenüber. Nicht wenige bürgerliche Blätter darunter solche, die im Allgemeinen nichts von der poli­tischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts wissen wollen haben sich zu Gunsten des kommunalen Referendums mit dem Frauen­stimmrecht erklärt. Sie gehen von der Auffassung aus, daß die fommunalen Angelegenheiten die Lebensinteressen aller Gemeinde­angehörigen ohne Unterschied des Geschlechts berühren. So erklärte 3. B. seinerzeit der Temps", daß es nur logisch sei, den Frauen das Stimmrecht zu dem Referendum zuzuerkennen, weil Jeder das Recht haben muß, über seine eigenen Angelegenheiten zu entscheiden". Das stimmt, gilt aber auch für die politischen Angelegenheiten, welche ebenso wie die kommunalen eigene Ange­legenheiten" der Frauen sind. Auch unter den Abgeordneten der Kammer besitzt das Frauenstimmrecht zu dem kommunalen Refe­rendum zahlreiche Anhänger. Der Standpunkt des Sozialisten Millerand  , daß die ganze Bevölkerung einer Gemeinde an einem Referendum theilnehmen müsse", wird von vielen Deputirten getheilt, welche starre Gegner des Frauenstimmrechts zu den Legislativwahlen sind. Von den Befürwortern der Forderung, den Frauen das Stimm­recht zu dem kommunalen Referendum gesetzlich zuzuerkennen, wird u. A. auch darauf verwiesen, daß die Frauen ebenso gut wie die Männer als Zeugen bei Erhebungen in der Gemeinde vernommen werden, welche die Vortheile oder Nachtheile von Zuständen und Maß­regeln klar stellen sollen. Das Referendum tritt vielfach an Stelle solcher Erhebungen oder vervollständigt dieselben; es muß deshalb das Recht der Frauen bleiben, ihrer Meinung über bestimmte fom­munale Angelegenheiten Ausdruck geben zu können. Die französischen  

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