vereinen aller Schattirungen, hielt seine dritte Generalversammlung ab. auf der. abgesehen von der Berathung neuer Satzungen, allerlei Fragen behandelt wurden, die auch für einen Nichtbourgeois von Interesse sind. Das proletarische Frauenelement fehlte natürlich bei diese» Berathungen gänzlich. Auch nicht eine einzige Arbeiterin befand sich in der Versammlung; sie würde auch wohl sehr schlecht zwischen die eleganten Toiletten gepaßt haben, in denen ihre Geschlechtsgenossinnen umherstolzirten. Ueberhaupt standdas Volk" der ganzen Veranstaltung gleichgiltig gegenüber, ein Beweis, daß es sein Heil von einer anderen Seite erwartet. Ebenso kümmerte sich die Hamburger Bourgeoisie den Teufel um die Tagung. Die Theil- nahme an den Verhandlungen seitens des Publikums war deshalb für eine Stadt wie Hamburg eine äußerst bescheidene, nur die Abends stattfindenden öffentlichen Versammlungen, für die eine ungeheure Reklame gemacht worden war, erfreuten sich eines gute» Besuches. Aber auch hier fehlten die Proletarierinnen gänzlich, und so konnte ein mir bekannter Rechtsanwalt nach Schluß der letzten Versammlung wehmüthig ausrufen:Wo bleibt das Volk?" Wie bekannt, hat derBund deutscher Frauenvereine " vor einigen Jahren den Anschluß resp. die Aufnahme solcher Vereine rundweg abgelehnt, die auf dem Boden der modernen Arbeiterbewe­gung stehen. Dieser Beschluß ist bezeichnend für den Geist, der in der Organisation lebt und für die Auffassung, die ihn beherrscht. Nebenbei sei bemerkt, daß dieser Beschluß durchaus überflüssig war. Keiner proletarischen Frauenorganisalion wäre es eingefallen, dein frauenrechllerischen Bunde beizutreten, der nicht einmal zielklar und energisch für die Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung ein­tritt, sondern in der Hauptsache nur das sogenanntegemeinnützige Wirken" des weiblichen Geschlechts zu fördern strebt. Der Charakter und die ungemein engen und halben Ziele des Bundes bedingen es, daß auf der Generalversammlung jeder Versuch, wirthschaftliche Fragen bewußterweise in den Vordergrund zu schieben, von der großen Majorität schnell erstickt wurde. Die Ueberschätzung der Wohlthätigkeitsbestrebungen, das häufige Hervorheben des Einflusses moralischer und geistiger Bestrebungen auf die Besserung der sozialen Verhältnisse, das behagliche Verweilen bei der Schilderung derFrauen­ideale". das scheue Zurückweichen vor den Fragen des praktischen Lebens, das pharisäische Mitleid mit dem geistigen und materiellen Elendunserer Schwestern aus dem Arbeiterstande", das selbstgefällige Pochen auf Besitz und Bildung, das sich in der bis zum Ueberdruß gebrauchten Phrase:Wir gebildeten Frauen, wir Frauen aus den besseren Ständen!" äußerte alle diese Umstände charakterisiren den Geist des Frauentages zur Genüge. Jedoch soll nicht verschwiegen werden, daß ein kleines Häuslein der Theilnehmerinnen manch kräf­tigen Anlauf nahm, um einen modernen Zug in die Verhandlungen zu bringen. Dadurch erschien aber der Standpunkt deralten Perücken" nur in viel grellerer Beleuchtung. Beiläufig bemerkt giebt es keinen tragikomischeren Anblick, als einmodernes Weib", das mit allen seinen Fasern in der bürgerlichen Weltanschauung wurzelt, das aus seinem weiblichen Instinkt heraus die alten Schranken nieder­reißen will, als Mitglied der besitzende» Klasse dagegen am Alther- gebrachten hängt und für die Erhaltung der bestehenden Weltordnung eintritt. Der klaffende Zwiespalt zwischen dem Wille» zur Emanzi­pation und dem inneren Zwange zum Konservativismus zeigt sich nirgends deutlicher, als auf einem Kongreß bürgerlicher Frauen---- Doch wir wollen zur Erläuterung des Gesagten einzelne Episoden herausheben. Der Begrüßungsabend fand natürlich imHamburger Hof", dem feinsten Hotel Hamburgs statt. Als Vertreter der Be­hörden war eigenthümlicherweise der Chef der Hamburger Polizei, Senator Hachmann, erschienen. Er sagte den anwesenden Damen die hergebrachten Schmeicheleien, goß aber sofort etwas Wasser in den Wein der Begeisterung, indem er Zweifel äußerte, ob die Pläne der Frauenbewegung sieghafte Lebenskrast in sich trügen. Der Redner erging sich dann in den üblichen Betrachtungen über die Stellung der Frau zu dem Manne und den Aufgaben der Jetztzeit. Seine Rede machte den Eindruck, als ob er es kunstvoll vermeiden wolle, von autoritativer Stelle aus irgendwelche Hoffnungen rege zu machen; sie war ein Meisterwerk in ihrer Art, mit vielen schönen Worten wenig oder gar nichts zu sagen. Kein Wunder, denn in einer Stadt, die die weit überwiegende Mehrzahl ihrer männlichen Bewohner von der Theilnahme an der Verwaltung und Gesetzgebung hartnäckig fernhält, hat die Gleichberechtigung der Geschlechter wenig Aussicht auf Erfüllung. Es gilt in dieser Beziehung einen ernsten Kampf zu führen, Höflichkeitsphrasen haben keinen Zweck das werden die verständigen Frauen an diesem Abend wohl gefühlt habe». Die Vorsitzende der Hamburger Ortsgruppe des Deutschen Frauenvereins, Fräulein Helene Bonfort , hob in ihrer Begrüßungsrede das Wagniß hervor, einen Frauenkongreß nach Hamburg einzuladen.Man wußte in Hamburg gar nichts von der Frauenbewegung im All­gemeinen und deren prinzipiellen Sinn; man wollte hier am Orte nichts von dergleichen wissen!" Diese Worte der Rednerin mögen auf die bürgerlichen Frauen zutreffen, auf die Proletarierinnen treffen sie ganz entschieden nicht zu. Es ist ja bekannt, daß seit Jahren in Hamburg Frauenversammlungen abgehalten werden und Frauenagitation betrieben worden ist und zwar seitens der sozial­demokratischen Partei und der Gewerkschaften. Es ist in Hamburg eine proletarische Frauenbewegung vorhanden, mehrere Frauen sind in hervorragender Weise als Rednerinnen thätig, an allen Kämpfe» der Arbeiterklasse nahmen und nehmen Proletarierinnen Antheil, und die Zeitungen, auch die bürgerlichen, berichten fortlaufend dar­über. Wenn die bürgerlichen,gebildeten" Frauen nichts davon wissen, so ist das traurig genug und stellt ihrem Interesse an öffent­lichen Angelegenheiten eben kein günstiges Zeugniß aus. Uebrigens wäre der anwesende Polizeisenator Hachmann wohl in der Lage ge­wesen, über die Frauenbewegung in Hamburg Aufklärung zu geben und der Rednerin zu sagen, daß die proletarischen Frauen Hamburgs ihr Ziel weiter stecken, als für wohlthätige Zwecke den Klingelbeutel im Lande herumgehen zu lassen. Auch der Präsident der Bürgerschaft, Siegmund Hinrichsen , nahm in ein einer Rede zu der Frauenbewegung Stellung. Er sprach von derGleichberechtigung beider Geschlechter" und von derdurch­aus berechtigten Forderung der freien Bahn für alle Menschen, also auch für die Frauen"; er behauptete, daß in Hamburg in diesen Fragen keineGeheimrathsmeinung" herrsche, sondern einfrischer Seewind" wehe. Er gab seiner Ueberzeugung Ausdruck,daß die Frau, die aus der Vereinigung von Anmuth und Schönheit hervor­gegangen sei, durchaus diese Eigenschaften resp. ihre edle Weiblich­keit nicht einzubüßen brauche, wenn sie in den Kampf des Lebens hinaustreten müsse." Zum Beweise hierfür wies er auf die ver­sammelten Damen hin. Ob der Redner wohl denKampf des Lebens" kennt, in den die Frau des arbeitenden Volkes hinaus muß, ob er je in den Arbeitervierteln»achAnmuth, Schönheit und edler Weib­lichkeit" gesucht hat? Statt Kritik an den schönrednerischen Floskeln zu üben, sprach die Vorsitzende des Bundes, Fräulein Auguste Schmidt aus Leipzig , den konventionelle» Dank für die verschiedenen Begrüßungen aus. Die Rednerin hob hervor, daß die deutsche Frauenbewegung nicht die Absicht habe, dem weiblichen Geschlecht Gebiete zu erschließe», die man ihm mit Recht vorenthalte, sondern daß sie es als ihre Hauptausgabe betrachte, für das Allgemeinwohl zu arbeiten; der ur­eigenste Beruf der Frau sei, zu erziehen.Wir wollen uns diesen Beruf nicht nehmen lassen, sondern Volkserzieherinnen werden, ein Beruf, den man uns vorenthalten möchte. Wir wollen vor Allem neben der weiblichen Jugend auch unsere männliche Jugend erziehen, weit über das Alter hinaus, in dem man sie als bereits reif zu be­zeichnen pflegt.(Lebhafter Beifall.) Den Weg dazu hat man uns zu zeigen; wir haben ihn nicht zu suchen. Erzieherinnen wollen wir sein und deshalb die Hand ausstrecken nach Allem, was die Frauen edel, einsichtig, weitsehend und gut macht, daß sie nicht mehr ihr eigenes Interesse, sondern das Allgemeinwohl voransetzen. Da sei Gott vor, daß wir nehmen wollen, was uns nicht zusteht. Unser Glück beruht in der Arbeit für das allgemeine Wohl, für das Ideale, für die deutsche Frau." Diese Ausführungen zeichnen gewiß ein schönes Ideal, aber sie sormuliren keineswegs die Ziele einer Frauenbewegung, die ernst genommen sein will. Etwas anders klang am Montag Morgen die Rede, womit die Vorsitzende den Frauentag eröffnete. Sie wies auf die Nothwendig- keit eines festere» Zusammenschlusses hin und auf die Aufgabe des diesmaligen Kongresses, durch die Berathung und Annahme von bindende» Statuten alle Mißverständnisse und Unklarheiten zu be­seitige». Sie sagte:Bei einem Bunde, der aus so wesentlich ver­schiedenartigen Elementen zusammengesetzt ist, muß um so fester das alle» zu dem Bunde gehörigen Vereine Gemeinsame hervorgehoben werden: Dieses Gemeinsame richtet sich auf die immer größere Ausbreitung der Erwerbsthätigkeit des weib­lichen Geschlechts und gründliche Vorbildung zu der­selben, auch die Entfaltung der Frau zur freien Persön­lichkeit und ihre Mitwirkung im sozialen Lebe». An welcher dieser Aufgaben sich die einzelnen Frauenvereine auch betheiligen, sie wirken mit für die großen Ziele, für welche der Bund deutscher Frauenvereine gearbeitet. Und hier weise ich auf die Schrift von Anna Simson : ,Was der Bund will und was er nicht will' hin. Rednerin charakterisirte hierauf die Aufgabe des.Bundes' und die der Einzelvereine. Die Vereinsgruppen beruhen auf vollständiger Gleichheit der Bestrebungen mit meist lokaler Färbung, während die Bundesvereine nicht durch solche Gemeinsamkeit verbunden werden und daher sich bisweilen schroff von den erstgenannten Gruppen