1865
1892
tödteten und verletzten Bergarbeiter rapide zu, wie die amtlichen Statistiken lehren. Die heute im Sinne der verschiedenen deutschen Berggesetze( z. B. der§§ 198 und 199 des Allgemeinen Preußischen Berggesetzes vom 24. Juni gehandhabte Beaufsichtigung der Bergwerke durch die staatlichen Kontrollbeamten hat die Zunahme der Betriebsunfälle nicht hindern tönnen. Unsere heutige Berginspektion. ist, wie die in den letzten Jahren sich häufenden Massenunglücke im deutschen Bergbau und die dabei ans Tageslicht gebrachte Unzulänglichkeit der geübten Kontrolle flar erwiesen, nicht in der Lage, den Bergmannsstand vor zunehmender Lebensgefahr zu schützen. Auch die Ergebnisse der Krankheitsstatistit( Knappschafts - und Pensionsfassenberichte) der Bergleute lassen erkennen, daß eine energische Aenderung des heute herrschenden Ausbeutungssystems in der heimischen Grubenindustrie im Interesse der Knappen dringend nöthig ist.
In Anerkennung dieser durch die öffentliche Kritik besonders im letzten Jahrfünft als unanfechtbar bewiesenen Thatsachen erklärt der Parteitag:
Eine gründliche Reform der Berggesetzgebung in Deutschland ist eine dringende Nothwendigkeit, damit Leben und Gesundheit der Bergleute nach Möglichkeit geschützt sind. Grundlinien dieser Reform sollen sein:
1. Festsetzung einer Arbeitszeit von höchstens 8 Stunden, Ginund Ausfahrt eingeschlossen. Ueberschichten, welche nicht zur Fortführung des Betriebes nöthig, sind zu verbieten. Wo die Temperatur in den Grubenräumen+ 28° Celsius übersteigt, muß die Schichtdauer auf 6 Stunden ermäßigt werden.
2. Abschaffung des Affordsystems für unterirdische Arbeiten. 3. Männlichen Arbeitern unter 18 Jahren ist die unterirdische und Frauen überhaupt jede Grubenarbeit zu verbieten.
4. Vermehrung der Grubenkontrolleure aus den Reihen der Bergarbeiter; auf höchstens tausend Mann der Belegschaft soll ein Arbeiterinspektor kommen. Diese Hilfsinspektoren sind von den Arbeitern zu wählen und vom Staate zu bezahlen.
5. Für mit Schlagwetter Gasen behaftete Grubenräume sind dafür vorgebildete Wetterbeamte anzustellen.
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Europas die Verderblichkeit der militärischen Rüstungen anerkannt wird mögen auch politische Hintergedanken gewichtigster Natur zum Ausspruch dieser Erkenntniß beigetragen haben- und daß es hiernach erst recht Aufgabe der Sozialdemokratie und speziell ihrer Vertreter in den Parlamenten sein muß, diese Ansicht durch ihre Thätigkeit in immer weitere Kreise zu verbreiten und energischen Widerstand jedem Versuch zu leisten, die militärischen Rüstungen zu verstärken.
Nach Ansicht des Parteitags wahren die Völker ihre„ heiligsten Güter" am sichersten, wenn sie den Bestrebungen der Sozialdemokratie auf Völkerfrieden, Völkerfreiheit und Völkerwohlfahrt durch kräftige Förderung des sozialen Fortschritts im Sinne der Aufhebung der Klassengegensätze und der Hebung des Wissens und der Bildung auf allen Gebieten sich anschließen, die stehenden Heere beseitigen und für Schlichtung etwaiger internationaler Streitigkeiten denselben Weg betreten, den in jedem Kulturstaat die Bürger in Streitfällen betreten müssen, den Weg gerichtlicher Entscheidung. Denn so lange noch christlich sich nennende Regierungen und herrschende Klassen nur menschenmordende Kriege mit ihrem Gefolge von Jammer, Elend und allgemeinem Verderben als Weg zur Schlichtung von internationalen Streitigkeiten betrachten, ist unsere sich christlich nennende Zivilisation der blutigste Hohn und die stärkste Blasphemie auf die religiösen Lehren, die in Schulen, Kirchen und Kasernen gepredigt werden, ein Zeichen der Tartüfferie, die eine der moralischen Grundlagen der gegenwärtigen Gesellschaft geworden ist.
7. Resolution, betreffend die reaktionäre Schreckensherrschaft in Italien und Ungarn und die Versuche einer reaktionären Ausnutzung des Meuchelmords der Kaiserin von Oesterreich. *
Die im Laufe des letzten Jahres seitens der ungarischen und der italienischen Regierung gegen die Anhänger der Sozialdemokratie und anderer oppositioneller Richtungen verübten Maßregelungen und Gewaltstreiche fordern durch ihre Grausamkeit und Gemeinheit die Entrüstung aller rechtlich Denkenden heraus.
Die sogenannten Rechtsnormen, die hierbei gegen die unglücklichen Opfer in Anwendung kamen die brutale Polizeigewalt in Ungarn , die Farce der Militärgerichte in Italien -, kennzeichnen die beiden Staaten als Halbbarbarenstaaten und ihre herrschenden
6. Errichtung zweckentsprechender Waschanstalten( Einzelbrause- Klassen, unter deren Beifallsgeheul die Gewaltatte vollzogen wurden, bäder) und Mannschaftsstuben( Kauen).
Der Parteitag beauftragt die Reichstagsfraktion, den Erlaß eines deutschen Berggesetzes im Sinne dieser Forderungen zu beantragen. So lange aber eine reichsgesetzliche Regelung des Bergarbeiterschutzes nicht eingetreten ist, sollen die sozialistischen Abgeordneten der bergbautreibenden Bundesstaaten in den respektiven Landtagen eine Reform der Landesberggesetzgebung in obigem Sinne herbeizuführen suchen.
6. Resolution, die Frage der Abrüstung betreffend. Der Parteitag erklärt:
Der Parteitag begrüßt den Abrüstungsvorschlag des Kaisers von Rußland an sämmtliche Regierungen als eine Bekräftigung dafür, daß die entschiedene Opposition, die bis jetzt die Sozialdemokratie aller Länder den an Wahnsinn grenzenden militärischen Rüstungen entgegensetzt, ihre volle Berechtigung hat.
Die Sozialdemokratie ist mit dem Kaiser von Rußland darin einverstanden, daß die finanziellen Lasten, die diese unsinnigen Rüstungen den Völkern auferlegen, die Volkswohlfahrt in der Wurzel treffen und die geistigen und physischen Kräfte der Völfer in unproduktiver Weise aufzehren".
Der Parteitag fonstatirt aber ausdrücklich, daß diese völkerverderbenden Rüstungen ausschließlich das Produkt des Ehrgeizes, der Eroberungs- und Herrschsucht der leitenden Klassen sind; daß die stehenden Heere eingestandenermaßen als Werkzeuge für die Unterdrückung der Völker und zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft dienen und daß bisher es Rußland mit in erster Linie war, das auf diesem Wege voranging, wie denn auch das russische Volk noch gegenwärtig das einzige Kulturvolk Europas ist, das selbst der ersten Anfänge zur Selbstregierung entbehrt.
Der Parteitag ist deshalb der Meinung, daß, soll der Vorschlag des Kaisers von Rußland ernst genommen werden, es nothwendig ist, daß die russische Regierung im eigenen Lande mit gutem Beispiel vorangeht, weitere Rüstungen einstellt, die grausame Verfolgung politisch Andersdenkender aufhebt und dem russischen Volke diejenigen Rechte und Freiheiten gewährt, ohne die kein Volk seine Kulturmission erfüllen kann.
Im Uebrigen betrachtet der Parteitag das Vorgehen des russischen Raisers als ein Zeichen, daß selbst in den autokratischsten Kreisen
als bar jeden Menschlichkeitsgefühls. Die Schuld dieser Klassen wird schon bewiesen durch die in jeder Beziehung entsetzlichen Zustände der unteren Volksschichten in Ungarn und Italien , Zustände, die das arbeitende Volk zur Massenflucht aus einem Vaterland nöthigen, das nur Elend und Noth, grausame Unterdrückung und Ausbeutung in den scheußlichsten Formen für sie übrig hat, und halbverthierte Messerstecher und Attentäter wie Luccheni erzeugt.
Diese Zustände sind ein abschreckendes Beispiel für ein jedes Kulturland, denn sie zeigen, was eine raubgierige und unterdrückungssüchtige Aristokratie und Bourgeoisie aus einem fleißigen Volke und einem fruchtbaren Lande zu machen vermögen.
Der Parteitag lenkt die Aufmerksamkeit aller ehrlichen Leute auf diese Zustände.
Der Parteitag erklärt ferner:
Die Versuche, den Meuchelmord an der Kaiserin von Desterreich gegen die Sozialdemokratie auszunußen, um Ausnahmegesetze oder sonstige reaktionäre Maßregeln zu rechtfertigen, betrachtet der Parteitag als ein Attentat auf die kümmerlichen Rechte und Freiheiten des arbeitenden Volkes.
Keine Partei hat mehr als die Sozialdemokratie die Anschauung als falsch und verderblich bekämpft, daß der Mord, begangen an Personen in einflußreichen politischen Stellungen, irgend eine Verbesserung der bestehenden Zustände herbeiführen könne. Nicht die einzelne Person bestimmt den Gang der Dinge, sondern die herrschenden Klassen, gestützt auf ihre Machtmittel und ihren Einfluß.
Wenn trotzdem gewisse Leute versuchen, den Meuchelmord an der österreichischen Kaiserin in dem angedeuteten Sinne zu verwerthen, so nur weil sie durch Gewaltmaßregeln gegen das arbeitende Volk ihre niedrigen, selbstsüchtigen Klasseninteressen fördern und ihren brennenden Haß gegen das Streben der unterdrückten und ausgebeuteten Klassen, menschenwürdige soziale und politische Zustände herbeizuführen, befriedigen wollen.
Der Parteitag spricht den Vertretern dieser arbeiterfeindlichen Bestrebungen die ihnen gebührende Verachtung aus.
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In letzter Nummer irrthümlich in einer früheren Fassung mitgetheilt.