Mene Tekel.

So spricht die Macht:

Thut euch zusammen zur letzten Schlacht!

Es wankt und zittert die Herrschaft der Drohnen, Es wollen die Armen nicht mehr frohnen, Wir dürfen, um uns zu retten, nicht schonen; Thut euch zusammen der Tag ist erwacht, So spricht die Macht.

So spricht die Noth:

Wir anerkennen kein Gebot!

Uns schreckt kein Kerker, uns schreckt kein Eisen, Wir haben nichts zu brocken, zu beißen, Wir können daher nur die Zähne weisen, Und fürchten weder Gott  , noch Tod, So spricht die Noth.

So spricht die Zeit:

Mein Banner weht im Winde weit!

Geschärft sind Sichel und Sense zum Schnitte,

Ich harre der Mäher cherner Tritte,

Schon bäumt sich mein Roß zum entscheidenden Ritte,

Es weht mein Banner

-

ich bin bereit!

So spricht die Zeit.

Ernst Klaar( Süddeutscher Postillon).

Notizentheil.

( Von Lily Braun   und Klara Betkin.)

Weibliche Fabrikinspektoren.

Die erste Fabrikinspektorin in den Niederlanden soll 1899 angestellt werden. Der Minister für Handel und Industrie hat in das Budget für 1899 eine Kreditforderung eingesetzt, um neben zwei neuen Assistenten der Gewerbeaufsicht auch eine Fabrikinspektorin anzustellen. Für Letztere sind die amtlichen Funktionen als Assistentin vorgesehen. Daß man die Frau für die Aufgaben der Fabrikinspektion befähigt erachtet, ist in einem Lande nur recht und billig, wo ein kaum dem Backfischalter entwachsenes Mädchen für reif" gilt, als Königin ein Bolt zu regieren.

Frauenbewegung.

Eine trene, warme Freundin der Frauensache und der Interessen des arbeitenden Volkes ist Anfang Oktober in Stutt gart verstorben: Frau Emilie Gerok. Die Verstorbene stand nicht in unserem Lager, sie gehörte der evangelisch- sozialen Richtung der bürgerlichen Frauenbewegung an, unterschied sich aber von vielen ihrer Gesinnungsgenossinnen sehr vortheilhaft durch eine wahrhaft demokratische Denfart. Unablässig ließ sie sich angelegen sein, die Thätigkeit der bürgerlichen Frauen von der einseitigen Pflege ein­seitiger Wohlthätigkeit auf das Wirkungsfeld der sozialen Reform­arbeit überzuleiten. Was sie als recht erkannte, dem lebte sie nach, unbekümmert um Anerkennung von unten und die Mißbilligung von oben nicht scheuend, eine gerade, klare Natur, in Wort und That, ,, furchtlos und treu" nach echter Schwabenart. Ihr letztes Wirken in der Deffentlichkeit hat den Interessen der Arbeiterinnen gegolten. Obgleich bereits das tückische Leiden an ihr zehrte, dem sie erlegen ist, ließ sie die Rücksicht auf Schonung, Pflege außer Acht, um sich an der von der Generalfommission veranlaßten Erhebung zu bethei­ligen, welche die Lage der Arbeiterinnen verschiedener Gewerbe klar­stellen soll. Und wie hat sie mitgearbeitet! Mit der vollen Energie einer Gesunden, mit der ganzen Pflichttreue der Ueberzeugung. Erst die äußerste Verschlimmerung ihrer Krankheit riß sie aus den Reihen der Mitarbeiterinnen, und noch auf ihrem Schmerzenslager quälte sie der Gedanke, für eine Arbeit mitverantwortlich zu sein, an deren Abschluß sie nicht mehr Theil nehmen konnte. Ehre dem Andenken der Frau, die ihrer Ueberzeugung entsprechend mit warmem Herzen und rastlosem Eifer das Ihre dazu beigetragen hat, dem weiblichen Geschlecht und der Arbeiterklasse den Aufstieg zur Freiheit und vollen Entwicklung zu erleichtern.

Die Zulassung weiblicher Aerzte zur Kassenpraxis im Prinzip und die sofortige Anstellung der Dr. med. Gräfin Geldern forderten die weiblichen kaufmännischen Angestellten in München   in einer sehr gut besuchten Versammlung, die von dem Handelsgehilfinnenverein

176

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart  .

einberufen worden war. Die Forderung ist auch von dem kauf­männischen Verein für weibliche Angestellte sympathisch begrüßt worden. Die Ortsfrankenkasse III. München ist es, die über das Gesuch zu entscheiden hat.

Eine Hochschule der Land- und Gartenkultur für Frauen will die bekannte englische   Frauenrechtlerin, Lady Warwick, errichten. Lady Warwick hat des Weiteren die Absicht, kleine Besitzungen an­zukaufen, die von Frauen bewirthschaftet werden sollen, welche auf der geplanten Hochschule ihre Ausbildung erhalten haben.

Die Zulassung der Frauen zu den Approbationsprüfungen als Aerztinnen fordert der neue Volksschullehrerinnenverein Berlin  " in einer Petition an den Kultusminister. Die Organisation glaubt auf das Entgegenkommen des Ministers rechnen zu dürfen, da dieser in der Sigung des Abgeordnetenhauses vom 30. April des Jahres das Vorhandensein tüchtiger weiblicher Aerzte als wünschens­werth" anerkannt hat.

Eine wissenschaftliche Expedition zur Erforschung der Neuen Hebriden und der Freundschaftsinseln, zwei Inselgruppen der Südsee, will eine Schottin, Miß Hastle, unternehmen. Der Schwerpunkt der Expedition soll auf wissenschaftliche Sammlungen und meteorologische Beobachtungen gelegt werden. Fünfzehn Frauen haben sich bereits zur Betheiligung an der Forschungsreise gemeldet.

Frauenärzte im Alterthum. Der weibliche Arzt ist nicht ein Geschöpf der Neuzeit; das ergiebt sich aus einer Notiz, welche die ,, Münchn. Mediz. Wochenschrift." dem New- Yorker Mediz. Journ." entnimmt: Etwa 300 v. Chr. besuchte eine junge Athenerin Namens Agnodice als Mann verkleidet die medizinische Schule ihrer Vater­stadt gegen das schon damals bestehende Verbot des Frauenstudiums und erfreute sich in der Folge eines bedeutenden Zulaufs. Als ihr Geheimniß bekannt und sie wegen Gesetzesüberschreitung gerichtlich belangt wurde, gelang es der stürmischen Agitation ihrer Mitbürge­rinnen, die Verurtheilung zu hintertreiben und eine Aufhebung des Gesetzes durchzusetzen. Im Mittelalter erwarb eine Anzahl von Frauen den Doktorgrad, hauptsächlich an den maurischen Univer­sitäten Spaniens  . Trotula von Rugiero, welche im 11. Jahrhundert in Salerno   prattizirte, erfreute sich eines europäischen   Ruses. Im 14. Jahrhundert besaß Dorothea Locchi nicht nur den Doktortitel, sondern wirkte auch als Professor der Medizin an der Universität Bologna  . Seitdem haben noch zwei weitere Professoren der medizi­nischen Fakultät zu Bologna   dozirt: Anna Mongolini als Anatom und Maria delle Donna als Geburtshelferin( 1799). Nach Edikten von 1311 und 1352 zu urtheilen, scheinen auch in Frankreich   weibliche Chirurgen nicht selten gewesen zu sein.

Ueber den Einfluß der höheren Entwicklung und der gleichberechtigten sozialen Stellung der Frau auf die Ver­besserung der Rasse hat sich kürzlich wieder der berühmte englische  Gelehrte Alfred Russel Wallace   mit aller Bestimmtheit ausgesprochen. Seiner Ansicht nach wird die wirthschaftliche und unabhängige Stel­lung des weiblichen Geschlechts die körperliche und geistige Verbesserung der Rasse ganz wesentlich fördern, weil sie es der Frau ermöglicht, ihren Gatten frei zu wählen. Wenn die Frau nicht mehr aus Rück­sicht auf ihre wirthschaftliche Versorgung eine Ehe zu schließen braucht, so können körperlich oder geistig krüppelhafte Männer sich nicht länger Frauen kaufen und ihre Gebrechen auf ihre Nachkommen übertragen. Dank der Emanzipation der Frau wird sich also eine Art Auslese vollziehen, welche zur Fortpflanzung nur der körperlich und geistig­sittlich Gesunden führt. Russell Wallace hat mit seiner Auffassung sicherlich recht, aber nicht die bürgerliche Frauenbewegung, sondern nur der Befreiungskampf des Proletariats vermag die Vorbedingungen dafür zu schaffen, daß allen Frauen eine wirthschaftlich unabhängige Stellung und eine allseitige Entwicklung der Persönlichkeit gesichert ist.

-

* Einen weiblichen Laternenanzünder hat ein schottisches Städtchen ernannt und damit einen neuen Beruf den Frauen eröffnet, der zur Erleuchtung" gewiß viel beitragen wird.

Quittung.

Für den Agitationsfonds gingen bei der Unterzeichneten ein: 10 Mt. 5 Pf. von den Memeler Genossinnen; 38 Mt. 80 Pf. von den Berliner   Genossinnen als Ueberschuß einer Uraniavorstellung, Summa: 48 Mt. 85 Pf. Dankend quittirt

Frau M. Wengels Vertrauensperson.

Berlin   0, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b.H.) in Stuttgart  .