Polizei die Arbeiterbewegung zwar zu chikaniren. aber nicht aufzuhalten vermag, daß ihr schneidiges Schalten und Walten die Arbeiter und Arbeiterinnen nicht entmuthigt. sondern zu regerer Thätigkeit im Dienste ihrer Befreiung anspornt. �V. X. In Berlin * fand am 2. November eine öffentliche Frauenversammlung statt, in welcher die Genossinnen Mesch und Haase Bericht erstatten sollten über den Stuttgarter Parteitag. Leider war die Versammlung nur sehr schwach besucht, wohl in Folge des Um- standes. daß am gleichen Abend noch zwei große Versammlungen stattfanden: Bebel sprach über„Attentate und Sozialdemokratie" und Fischer behandelte den„Ausfall der preußischen Landtagswahlen". Genossin Mesch gab einen kurzen Ueberblick über die Verhandlungen des Parteitags. Genossin Haase hatte wegen Krankheit nicht in die Versammlung kommen können. In der Diskussion führte nach dem „Vorwärts" Genossin Rohrlack das Folgende aus: Sie hätte gewünscht, daß die aus Berlin delegirten Genossinnen zum Punkt „Presse" das Wort genommen hätten. Seit einiger Zeit seien nämlich Klagen darüber laut geworden, daß der„Vorwärts" die sozialdemokratische Frauenbewegung nicht hinreichend unterstützt. Die„Post" habe sich in einem Artikel unter Hinweis auf die Debatten unseres Parteitags über die sozialdemokratische Frauenbewegung lustig gemacht und unter Anderem bemerkt, diese Bewegung werde von den Genossen nicht ernst genommen, sondern nur als eine komische Erscheinung betrachtet. Die sozialdemokratischen Frauen würden sich zwar nicht aufregen über das. was bürgerliche Blätter vom Schlage der„Post" über die Bewegung der proletarischen Frauen sagen. Aber die bürgerliche Presse glaube wohl, sie dürfe sich in der von der„Post" beliebten Weise über die sozialdemokratische Frauenbewegung auslassen. weil der„Vorwärts" sich derselben nicht genug annehme. Genossin Gubela hätte gewünscht, daß die Berliner Genossinnen auf dem Parteitag die Angriffe gebührend zurückgewiesen, welchen die Genossinnen Luxemburg und Zetkin ausgesetzt gewesen. Der „Vorwärts" habe seine Schuldigkeit nicht gethan. er habe z. B. einen von einer Gewerkschaft eingesandten Bericht nicht aufgenommen. Solle die Frauenbewegung gedeihen, dann müßten sich die Frauen mehr als bisher den Gewerkschaften anschließen. Genossin Mesch erwiderte, man wisse, daß Genosse Auer gern Kraftausdrücke gebrauche. und ein Eingehen auf den Ton lohne deshalb nicht, den er den Frauen gegenüber auf dem Parteitage angeschlagen habe. Uebrigens hätten sich die Berliner weiblichen Delegirten zum Wort gemeldet, seien aber wegen Schlusses der Debatte nicht mehr zum Wort * Wegen Raummangels verspätet. Ein geheimnihvoller Besuch. Von Mark Twain . Die erste Notiz, welche man von mir nahm, als ich mich jüngst „zur Ruhe setzte", geschah in der Weise, daß ein Herr mich besuchte, welcher behauptete ein Abschätzer zu sein und mit der Abtheilung für innere Staatseinkünfte in Verbindung zu stehen. Ich sagte, ich hätte von seinem Geschäftszweige nie zuvor gehört, allein es freue mich nichtsdestoweniger, ihn zu sehen— ob er nicht Platz nehmen wolle. Er nahm Platz. Ich wußte nicht recht, wovon ich sprechen sollte, und doch fühlte ich, daß Leute, welche es bis zur Würde eines Hausbesitzers gebracht haben, unterhaltend, ungezwungen und gemüthlich in Gesellschaft sein müssen. Und so fragte ich ihn denn in Ermangelung von etwas Anderem, ob er in unserer Nachbarbarschaft seinen Laden eröffnen wolle. Er bejahte. Ich wollte nicht unwissend erscheinen, aber ich hatte gehofft, er werde mir mittheilen, was er zu verkaufen hätte. Ich wagte ihn zu fragen, wie es mit dem Geschäft ginge, und er sagte:„So, so". Dann sagte ich, wir würden gelegentlich mal vorsprechen, und wenn uns sein Geschäft so gut gefiele wie andere, so würden wir ihm unsere Kundschaft zuwenden. Er entgegnete, er glaubte, sein Geschäft würde uns hinreichend gefallen, um uns ganz auf dasselbe zu beschränken— noch niemals sei Jemand, der einmal in geschäftliche Berührung mit ihm gekommen, von ihm fortgegangen, um sich nach einem anderen Vertreter seines Gewerbes umzuthun. Das klang ziemlich selbstgefällig, aber abgesehen von jenem natürlichen Ausdruck der Niederträchtigkeit, der uns Allen eigen ist, sah der Mann recht ehrenwerth aus. gekommen. Genossin Rohrlack meinte, Auer gegenüber dürfe man nicht feinfühlend sein, sonst werde man für dumm gehalten. Die Frauen haben nicht nöthig. die Ungezogenheiten einzelner Männer über sich ergehen zu lassen. Auer habe die Frauenbewegung bis jetzt gar mcht unterstützt. Die Frauen müßten durch ihre Haltung beweisen. daß ihre Bewegung nicht auf dem letzten Loche pfeift, wie die gegnerische Presse behauptet. Wegen des schwachen Versamm- sammlungsbesuches wurde der Bericht und die Neuwahl der Vertrauensperson vertagt. In Friedrichsberg bei Berlin wurde in Anschluß an einen Vortrag der Genossin Mesch ein Bildungsverein für Frauen und Mädchen gegründet, dem sofort siebzehn Mitglieder beitraten. Der Vorstand besteht aus den Genossinnen Krapkat. Kreil und Rodanz. Die Mitgliederversammlungen finden jeden Dienstag nach dem ersten eines Monats statt. Eine bis auf den letzten Platz gefüllte öffentliche Frauenversammlung fand in Schöneberg bei Berlin statt. Genossin Ihrer referirte unter lebhaftem Beifall über:„Die künstliche Fleischver- theuerung und die Ernährung der Arbeiterklasse." Einstimmig wurde die in vorletzter Nummer mitgetheilte Berliner Resolution angenommen. Die bisherige Vertrauensperson der Schöneberger Genossinnen. Genossin Hübner, erstattete darauf Bericht über ihre Thätigkeit. Da sie eine Wiederwahl ablehnte, so wurde an ihre Stelle Genossin Seile als Vertrauensperson gewählt. Zum Zwecke der Ausbreitung des Fabrikarbeiterverbandes sprach Genossin Zietz-Hamburg in der Zeit vom 31. Oktober bis 13. November in folgenden Orlen: Weißenfels , Dessau . Zerbst , Roßlau , Bernburg , Atzendorf , M agdeburg. Alte Neustadt . Neue Neustadt und Sudenburg . Olvenstedt , Gr.-Ottersleben, Egeln . Wernigerode , Osterwieck und Halberstadt . Die Versammlungen waren mit wenigen Ausnahmen gut, zum Theil sogar glänzend besucht. In Dessau verfiel die Versammlung der polizeilichen Auflösung, weil Genossin Zieh angeblich das politische Gebiet betreten hatte, was in Anhalt bekanntlich den„Weibern" verboten ist. Im ersten Augenblick, nachdem der Beamte die Auflösung ausgesprochen. war alles verdutzt. Man hielt die Auflösung für unmöglich, da die Genossin Zietz zugeschriebene Versündigung gegen das Gesetz für Augen ohne Amtsbrille nicht erkennbar war. Allein die Auflösung war bitlerer Ernst. Wie auf Kommando erschienen ein Dutzend Schutzleute, die Schuppenkette herunter gelassen, die Hosen in den Stiefeln, als ginge es zum Kampfe, um„nöthigen Falles den Saal zu säubern". Jedoch der„Liebe Müh" war vergebens. Die Versammlungsbesucher entfernten sich ruhig, höchstens Ich weiß nicht, wie es eigentlich kam, aber nach und nach schienen wir niederzuschmelzen und zusammenzulaufen— in Bezug auf die Unterhaltung nämlich— und dann ging alles so bequem wie ein Uhrwerk. Wir plauderten und plauderten und plauderten— wenigstens that ich das. Und wir lachten und lachten und lachten— wenigstens that er das. Aber während der ganzen Zeit bewahrte ich meine Geistesgegenwart— ich hatte die mir angeborene Verschlagenheit„mit vollem Kopfe", wie die Ingenieure sagen, auf ihn gerichtet. Ich war entschlossen, trotz seiner dunkeln Antworten alles in Bezug auf sein Geschäft herauszubringen— und ich war entschlossen, es aus ihm herauszubringen, ohne daß er vermuthe, was ich vorhabe. Ich gedachte ihn in einer tief, sehr tief angelegten Falle zu fangen. Ich wollte ihm alles in Bezug aus mein eigenes Geschäft erzählen und er würde während dieses verführerischen Ausbruches von Vertrauen natürlich so warm gegen mich werden, daß er sich vergessen und mir alles hinsichtlich seiner Geschäftsanqelegenheiten erzählen würde, bevor er ahne, was ich vorhatte. Mein Lieber, dachte ich, wie wenig weißt du, mit welchem alten Fuchse du es zu thun hast! Ich sagte: „Ich wette, Sie würden nie errathen, was ich in diesem Winter und im letzten Frühjahr mit meinen Vorlesungen verdient habe?" „Nein— glaube nicht, daß ich's könnte, selbst wenn's sich um mein Leben handelte. Warten Sie mal— warten Sie mal. Vielleicht so ungefähr zweitausend Dollars? Aber nein— nein, mein Herr, ich weiß, daß Sie so viel nicht verdient haben können. Sagen wir mal so etwa siebzehnhundert?" „Haha! Ich wußte, daß Sie's nicht errathen können. Meine Einnahmen aus meinen Vorlesungen betrugen im letzten Frühjahr und in diesem Winter vierzehntausendsiebenhundertfünfzig Dollars — was halten Sie davon?"
Ausgabe
8 (7.12.1898) 25
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