halblaut murrend, daß die prächtige Versammlung gestört war. Da Genossin Zieh noch den 11. November frei hatte, wurde eine zweite Versammlung einberufen, die noch bedeutend stärker besucht war wie die erste. Mindestens 600 Männer und Frauen hatten sich einge­funden, gleichsam Protest erhebend gegen das reaktionäre anhaltische Vereinsgesetz. Die Versammlung konnte glücklich zu Ende geführt werden, in ihr wurden 67 neue Mitglieder, darunter eine ganze Anzahl Frauen, für den Verband gewonnen. Im Ganzen wurden in den Versammlungen dem Verbande 336 neue Mitglieder zugeführt. Der Agitation für die Organisirung der ungelernten Arbeiter und Arbeiterinnen gingen vier Versammlungen voraus, welche der Por­zellanarbeiterverband einberufen hatte. Genossin Ziez sprach in Rudolstadt , Kahla , Hermsdorf und Eisenberg S.-A. Diese Versammlungen waren ebenfalls sehr stark besucht, besonders auch von Frauen. Eine Anzahl Personen traten der Organisation der Porzellanarbeiter, Holzarbeiter, Metallarbeiter und Maurer bei. Im Ganzen erhielten die verschiedenen Gewerkschaften einen Zuwachs von 380 Mitgliedern.

Die Arbeiterfrau an ihren Mann.*

L. Z.

( Nach dem Englischen der Frau Leman Grimstone von Andreas Scheu.) Du nahmst mich, Colin, in dein Haus, in deines Herzens Schrein, Auf daß ich deines Schicksalswegs Gefährtin sollte sein.

Und sag' mir, hab' ich je gefehlt der Pflicht, die mich beglückt, Und hab' ich je nach Lust begehrt, wenn dich der Gram bedrückt'?

Nein, lieber theilt' ich deinen Schmerz, als eines Andern Lust ,. Denn du bist mir die ganze Welt, mein Himmel deine Brust! Du machst mein Hüttchen zum Palast, die harte Bank zum Thron, Dein Lächeln ist mir Sonnenlicht, Musik ist mir dein Ton!

Wenn du erschöpft im Schlafe liegst, betrachte ich dich gern; Dann füllen meine Augen sich, ich rufe zu dem Herrn: ,, Sieh', wie in seiner Tages Frohn die Kräfte ihm vergehn O, wende deinen Blick auf ihn, daß sie ihm neu erſtehn!"

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Senkt dann auf meine Lider sich der Schlummer, süß und lind, Wie oft wird er von dort verscheucht durch unser liebes Kind! Dann still' ich es an meiner Brust, und wiege es zur Ruh', Ich fühl', es ist ein Theil von dir, ist ruhelos wie du!

* ,, Deutsche Arbeiterdichtung", 5. Band, Verlag von Diet Nachf., Stuttgart .

Na, das ist ganz erstaunlich

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ganz und gar erstaunlich.| Ich will mir eine Notiz darüber machen. Und Sie sagen, das sei noch nicht alles gewesen?"

"

Alles? I bewahre! Da war z. B. mein Einkommen von der Buffaloer Extrapost" für vier Monate im Betrage von etwa etwana, was würden Sie zu beiläufig achttausend Dollars sagen?"

,, Sagen! Na, ich würde sagen, ich möchte mich auch mal in einem solchen Ozean von Ueberfluß wälzen. Achttausend! Das will ich mir notiren. Hm, mein Herr und bei alledem muß ich wohl annehmen, daß Sie noch weitere Einkünfte hatten?" " Hahaha! Nun, Sie befinden sich erst, wenn ich mich so ausdrücken darf, in der Vorstadt derselben. Da ist mein Buch: Die Harmlosen auf Reisen" Preis 3 Dollars 50 Cents

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bis 5 Dollars, je nach dem Einband. Und nun hören Sie. Sehen Sie mir in die Augen. Während der letzten fünftehalb Monate haben wir von diesem Buche 95 000 Eremplare verkauft - von den Verkäufen vor dieser Zeit ganz zu geschweigen! 95000! Bedenken Sie! Für jedes Eremplar durchschnittlich etwa vier Dollars. Das beträgt nahezu vierhunderttausend Dollars, mein Lieber. Und davon bekomme ich die Hälfte!"

sieben

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,, Gerechter Gott! Ich will auch das buchen. Vierzehn fünfzig acht zweihundert. Summa Summarum na, auf Ehre, die Totalsumme beträgt beiläufig zweihundert­unddreizehn bis vierzehntausend Dollars. Ist so etwas möglich?" Möglich! Ist ein Irrthum mit unterlaufen, so kann's nur in der Weise geschehen sein, daß ich meine Einnahmen zu niedrig geschätzt habe. Zweihundertvierzehntausend Dollars baar so hoch beläuft sich mein diesjähriges Einkommen, wenn ich zu rechnen verstehe."

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Ich klage nicht; nur einen Wunsch, nur einen, heg' ich tief, Bevor mich eine höhre Macht von deiner Seite rief. Nicht heisch' ich süßren Liebeston, dein Wort stets lieblich tönt; Noch eine bessere Leibeskost ich bin an Brot gewöhnt;

Ich frage nicht nach Putz und Tand, so lang die schlichte Tracht, Die mir geziemt, in deinem Aug' mich schön erscheinen macht! Nein; gieb mir nur ein Theil der Zeit, die du im Klub verbringst, Ein Theil nur von der Wissenschaft, die du dir dort erringſt! Gieb mir ein Stündchen jeder Nacht, die du den Männern giebst, Und mach' mich zur Genossin in der Sache, die du liebst! Lies mir aus deinen Blättern vor, derweil ich sitz' und näh' Bei Tag dent' ich darüber nach, bis ich es ganz versteh'!

Dann schreit' ich würdig dir zur Seit' nach einem hohen Ziel, Bin unsrer Kinder Lehrerin in Schulung und im Spiel.

Und sind wir auch nicht groß und reich, so sind wir liebumkreist: Und wie mein Herz dein Herz erwärmt, dein Geist wärmt meinen Geist!

Notizentheil.

( Von Lily Braun und Klara Betkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

* Ueber die Zunahme der Frauenarbeit in den Ver­ einigten Staaten veröffentlicht der Sozialistische Almanach", eine neue, von der sozialistischen Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten herausgegebene Zeitschrift, folgende Zahlen:

Industriearbeiterinnen

Angestellte im Handel und Verkehr Häusliche Dienste und Landarbeiterinnen Höhere Berufe

1870 329313 10822 1172869 91914

1890

995 188

193238

1907279

311241

Fabrikarbeiterinnen in Hamburg . Nach dem Amtsberichte des Fabrikinspektors für 1897 waren im Hamburger Aufsichtsbezirke 7137 Arbeiterinnen beschäftigt gegen 6070 in 1896; davon waren 4735 über 21, 2235 über 16 bis 21 und 167 unter 16 Jahre alt. Die Arbeiterinnen vermehrten sich um 17 Prozent, die männlichen Ar­beiter dagegen nur um 9,9 Prozent, die Gesammtzahl der Arbeiter um 10 Prozent. Die Zahl der Arbeiterinnen stieg demnach beinahe um das

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mich das höchst unbehagliche Gefühl, daß ich meine Enhüllungen möglicherweise umsonst gemacht haben könnte, abgesehen davon, daß ich, geschmeichelt durch die erstaunten Ausrufe des Fremden, meine Einkünfte um ein Bedeutendes zu hoch angegeben hatte. Aber nein: im letzten Augenblick händigte mir der Herr ein großes Couvert ein, indem er sagte, es enthielte seine Geschäftsanzeigen; ich würde alles vorfinden; es würde ihn glücklich machen, wenn er mich zum Kunden erhielte ja in der That, er würde stolz sein, einen Mann von so ungeheurem Einkommen zum Kunden zn haben; er hätte allerdings geglaubt, es eristirten verschiedene reiche Leute in der Stadt, aber wenn sie in Geschäftsverbindung mit ihm kämen, müßte er entdecken, daß sie kaum genug zum Leben hätten, und es sei wahrhaftig eine so lange, lange Zeit her, daß er einen reichen Mann von Angesicht zu Angesicht gesehen, mit ihm gesprochen und ihn mit seinen eigenen Händen berührt habe, daß er sich kaum enthalten könne, mich zu umarmen in der That, er würde es als eine große Gunst betrachten, wenn ich ihm gestatten wollte, mich zu umarmen.

Das gefiel mir so ausnehmend, daß ich nicht den Versuch machte zu widerstehen, sondern diesem Fremdling mit dem ein­fältigen Herzen gestattete, mich in seine Arme zu schließen und ein paar beruhigende Thränen meinen Nacken hinunter zu weinen. Dann ging er seine Wege.

Sobald er fort war, entfaltete ich seine Geschäftsanzeigen. Vier Minuten lang studirte ich sie aufs Aufmerkſamſte. Dann rief ich die Köchin herein und sagte:

" Halten Sie mich, ich falle in Ohnmacht! Lassen Sie Marie die Blechkuchen umwenden."

Als ich allmählich wieder zu mir gekommen war, schickte ich nach der Rumfabrik an der Straßenecke und miethete mir einen Da stand der Herr auf, um sich zu empfehlen. Da überkam Künstler, der gegen wöchentliche Ablöhnung des Nachts aufsize