-

zwar nicht blos heimliche nach deutschem Muster sondern öffentliche. Innerhalb der von der Reaktion zerschmetterten Arbeiter­kammern, Gewerkvereine, Konsumgenossenschaften, wie in den poli­tischen Vereinen waren Lehrerinnen agitatorisch thätig. Mehrere derselben haben in der Aera des Belagerungszustandes ihr Wirken mit Abſegung, Strafversetzung und anderen Maßregelungen büßen müssen. So wurde die Genossin Emilia Marioni, städtische Lehrerin in Turin  , wegen sozialistischer Agitation auf drei Monate ihres Amtes enthoben. Und das obgleich sie nachweislich ihre Berufspflichten in vorzüglicher Weise erfüllt hat und die sozialistische Agitation nicht in der Schule trieb. Die gleiche Strafe wegen der gleichen Sünde" traf die Genossin Linda Maluati, städtische Lehrerin in Mailand  . Ihre sozialistischen Missethaten waren ursprünglich mit der Amts­entsetzung geahndet worden, doch milderte die Provinzialverwaltung die Strafe gnädig ab. Andere Lehrerinnen noch sind gemaßregelt worden. Bis jetzt hat die Reaktion durch ihr Toben die sozialistische Ueberzeugung der italienischen Lehrerinnen nicht erschüttert, sondern nur den Haß gegen ein Regime befestigt, das die Freiheit des Ge­dankens knebeln will, um die Herrschaftsstellung der Ausbeutenden zu sichern.

Frauenbewegung.

* 18 weibliche Stationsvorsteher sind von der Baltimore­Ohio- Linie angestellt worden. Ihre Stationen sollen sich durch be­sondere Reinlichkeit und Ordnung auszeichnen.

*

Kalifornische Frauen haben eine Eisenbahn- Aktiengesellschaft gegründet. Die Gründerinnen sind sämmtlich selbständige Farmer, die zum Theil Goldgruben auf ihrem Grund und Boden entdeckten. Um die Erzeugnisse ihrer Ländereien zu verwerthen, bauen sie jetzt eine sechzig Meilen lange Eisenbahn von Summerville nach Stocktown.

* Eine Ironie auf die Gleichberechtigung der Geschlechter ist der Umstand, daß im Parlament von Neuseeland  , an dessen Wahlen sich bekanntlich auch die Frauen betheiligen, weibliche Journa listen nicht zugelassen werden!

* Eine Sprechhalle für die Interessen der Arbeiterinnen hat die französische, von Frauen geleitete Zeitung La Fronde" ein­gerichtet. Beschwerden einzelner Arbeiterinnen ebenso wie solche, die von Arbeiterinnenvereinen ausgehen, Artikel über ihre wirth­schaftliche Lage, ihre Organisation u. s. w., sollen darin Aufnahme finden. Unsere Genossin Frau Aline Valette und Fräulein Marie Bonnevial leiten die neue Rubrik der Fronde". Aus den Berichten erfahren wir, daß zwei Frauengewerkschaften, die Blumenmacherinnen und die Schneiderinnen, ihre Bureaus in der Arbeiterbörse haben. Eine dritte Gewerkschaft, die der Wäscherinnen, ist im Entstehen.

Das Wahlrecht zu den Handelsgerichten werden die französischen   Frauen im Dezember dieses Jahres zum ersten Male ausüben. Fünfzehn Jahre lang ist um dieses Recht gekämpft worden, 1883 mußte die Kammer zum ersten Male Stellung zu der ein­schlägigen Forderung nehmen, welche von der bekannten energischen Frauenrechtlerin( Maria Deraismes   in einer Petition erhoben wurde. Die Forderung wurde damals natürlich abgelehnt, aber sie kehrte wieder und wieder, von immer größeren Kreisen unterstützt, bis sie schließlich die Zustimmung der Kammer und des Senats fand. Am 28. Januar 1898 wurde das Gesetz erlassen, Kraft dessen die Frauen, welche als selbständig Handelstreibende Gewerbesteuer zahlen, unter den gleichen Bedingungen wie die Männer die Handelsrichter wählen. Man sollte meinen, daß die Französinnen das endlich zuerkannte Recht mit größtem Eifer ausüben würden. Den Anzeichen nach scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein. Von den 50280 Personen, welche sich bis Mitte November in Paris   in die ausgelegten Wähler listen eingezeichnet hatten, waren nur rund 3000 Frauen. Diese 3000 sind ein geringer Bruchtheil der sehr zahlreichen Frauen, welche in Paris   selbständig einem Handelsgeschäfte vorstehen. Der Klein­handel vieler Branchen ruht fast ausschließlich in den Händen der Frauen; die Gattinnen sehr vieler Klein- und Mittelbeamten führen selbständig ein Geschäft, um eine standesgemäße Existenz der Familie zu ermöglichen. Die weiblichen Handelstreibenden stehen also dem Wahlrecht zu den Handelsgerichten noch sehr verständnißlos und lau gegenüber. In der Presse wird deshalb vielfach daran ge­zweifelt, daß das Wahlrecht auch nur von all den 3000 Frauen aus­geübt werden wird, die sich in die Wählerlisten eintragen ließen. Das materielle Interesse aller Handelstreibenden an der Zusammen­setzung der Handelsgerichte wird auch den Frauen nach und nach die Erkenntniß von der Bedeutung des verliehenen Wahlrechts bringen.

200

belgischer Genosse Vandervelde   in einem Gesezantrag in der Kammer gefordert. Diesem Antrage zufolge sollen für den Ertrag der Arbeit und die persönlichen Ersparnisse der verheiratheten Frau die Be­ſtimmungen des Zivilrechts( Artikel 1536 bis 39) über die Güter­trennung Anwendung finden, welches Güterrecht auch immer für die Ehe gilt. Als Ertrag der persönlichen Arbeit und als persönliche Ersparnisse der Frau sollen alle Summen und Werthpapiere gelten, welche von der Frau in einer Sparkasse oder einem ähnlichen Institut eingezahlt worden sind. Der Antrag setzt fest, daß die verheirathete Frau durch alle Rechtsmittel, sogar durch die Berufung auf die all­gemeine Meinung, den Nachweis dafür erbringen kann, daß be stimmte Summen oder Werthpapiere von dem Ertrag ihrer Arbeit herkommen oder ihre persönlichen Ersparnisse sind. Der Belgische Verein für die Verbesserung des Looses der Frau" unterstützt den Antrag durch eine Petition, welche der Kammer zugehen soll, sowie durch eine lebhafte Agitation in den frauenrechtlerischen Organi­fationen und der frauenrechtlerischen Presse. Seit Februar 1891 haben der belgischen Kammer Anträge vorgelegen, welche im Wesent­lichen mehr oder weniger vollständig die gleichen Forderungen for­mulirten, die Genosse Vandervelde   im Interesse der verheiratheten Frauen erhoben hat. Der sozialistische Antrag wurde bereits im April 1896 eingebracht, gelangte aber noch nicht zur Verhandlung und wird erst in letzter Zeit durch eine kräftigere Agitation unter­stützt. Die Befürworter der Reform verweisen zur Begründung ihrer Forderung besonders auf die veränderten wirthschaftlichen Verhältnisse, welche auch die verheirathete Frau zur Erwerbsarbeit zwingen, ferner auf die Nothwendigkeit, im Interesse der Kinder, der Familie den Ertrag der Arbeit und die Ersparnisse der verheiratheten Frau gegen die Vergeudung durch einen trunksüchtigen, liederlichen Mann sicher zu stellen. In der Alles in Allem ganz verdienstlichen frauenrechtlerischen Agitation für die Forderung laufen leider gar manche Uebertreibungen und falsche Auffassungen unter. So erblickt z. B. die eine frauen­rechtlerische Organisation die Ursache der modernen Erwerbsarbeit der Frau lediglich in der Trunksucht der Männer 2c. Hoffentlich haben die Bemühungen zur Durchsetzung der geforderten Reform Erfolg.

Der Frauen- Leseklub zu Kopenhagen   feierte dieses Jahr sein 25jähriges Jubiläum. Seine Entwickelung und sein Wirken zeigt, was Energie und Ausdauer zu leisten vermögen. Die könig­liche Bibliothek wie die Unversitätsbibliothek zu Kopenhagen   waren den Frauen nur schwer zugänglich, in den Leseklub des Athenäum" werden Frauen nicht aufgenommen. In der Folge beschloß eine energische Dame, Kristine Petersen, einen Frauen- Leseklub zu gründen. Die Organisation tam 1873 zu Stande, sie zählte etwa 70 Mitglieder und die eröffnete Bibliothek umfaßte 1000 Bücher. Dem Klub ge­hören jetzt mehr als 1100 Mitglieder an, seine Bibliothek enthält 16000 Bände. 1896 gab der Klub 49750 Bände aus, während die tönigliche Bibliothek nur 12000 und die Universitätsbibliothef 22000 Bände auslieh. Der Klub verfügt über einen Vortragssaal, an die hier gehaltenen Referate schließt sich freie Diskussion. Auch die Er­richtung des Vortragssaales ist der Anregung von Kristine Petersen zu danken.

Eine Stenographin und Maschinenschreiberin ist dem Oberbürgermeister von Cannstatt   beigegeben worden. Die Dame ist damit als städtische Beamtin angestellt.

* 195 weibliche Studenten absolviren dieses Jahr ihre Studien an der medizinischen Hochschule für Frauen in London  . Unter ihnen befindet sich eine Indierin, Fräulein Sorabji, deren Schwester in Amerika Jura studirte.

Die Erhöhung des Schuhalters der Mädchen gegen Verführung auf 18 Jahre ist im Staate Kolumbia   durch Gesetz beschlossen worden. Die Entschuldigung des Verführers, er habe das Alter der Verführten nicht gekannt, hat fünftig nach dem Gesetze feine Geltung mehr. Die amerikanischen   Frauenrechtlerinnen be= trachten die Annahme des Gesetzes als einen großen Erfolg ihrer Agitation.

Quittung.

Für den Agitationsfonds gingen bei der Unterzeichneten ein: 50 Mt. durch Genossin Ihrer; 5 Mt. von den Genossinen in Gera­3wößen. Summa 55 Mt. Dankend quittirt

November 1898.

Frau M. Wengels Vertrauensperson.

Berlin   O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Das Verfügungsrecht der verheiratheten Frau über den Ertrag ihrer Arbeit und ihre Ersparnisse hat unser Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Eißner) in Stuttgart  . Drud und Berlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart  .

-