Aber die Bedeutung des Weibes als Mutter, die Urgemeinschaft zwischen Mutter und Kind liegt nicht nur der primitiven(ursprüng­lichen) Religion, sondern auch dem primitiven Recht zu Grunde. Für das natürliche, durch keinerlei Klügeleien beirrte Rechtsbewußtsein war das Kind Eigenthum der Mutter, die es unter ihrem Herzen trug, an ihrer Brust ernährte, seine ersten Schritte leitete, ihm Obdach und Nahrung gab. Es ist daher nicht zu verwundern, daß sich übereinstimmend bei zahlreichen Völkern eine Periode des geltenden Mutterrechts nachweisen läßt. Vielfach ist diese Bezeichnung so verstanden worden, als ob sie mit Weiberherrschaft identisch wäre, und es giebt sogar Vorkämpfer der Frauenbewegung, die in der Gynäkokratie(Mutterrecht) das goldene Zeitalter der Freiheit und Gleichheit des weiblichen Geschlechts preisen, das verlorene Paradies, das wieder gefunden werden muß. Wer dagegen die Forschungen Morgans, Bachofens und Anderer nüchtern prüft, vor dessen Augen erscheint die Zeit des Mutter­rechts ohne jede poetische Verklärung als ein Zustand primitivster Kultur für Mann und Weib, und er findet keinerlei Zeichen dafür, daß das Weib eineOberherrschaft" nach unseren Begriffen aus­geübt hatZ Versuchen wir es, uns ein Bild jenes Zustandes zu machen. Nach jahrtausendelanger Entwicklung hat sich der Mensch aus dem Thierreich losgelöst; er ist aus den Baumwipfeln, wo er sich zum Schutze vor den wilden und stärkeren Thieren vermuthlich auf­gehalten hat, zur Erde herabgestiegen und hat den ersten Triumph seines entwickelten Geistes gefeiert, indem er nicht nur den Stein gegen die Bedroher seines Lebens schleudern lernte, sondern ihn durch Bearbeitung zur Waffe gestaltete. Nun wird der Verfolgte zum Verfolger. Wohl kann das Weib, wie er, jagen und kämpfen, giebt es doch noch heute wilde Völkerschaften, in denen die Ge­schlechter einander an Kraft nicht nachstehend aber sobald sie Kin­der gezeugt hat, ist sie an diese gebunden. Dadurch entsteht zugleich

' Vgl. Julius Lippert , Kulturgeschichte der Menschheit. Stuttgart 1887, II. Bd., S. 23 fs. Vgl. Havelock Ellis , Mann und Weib. Leipzig 1834, S. 2 ff.

Ja: die Leute!! Sie lagen und schliefen! Anstatt auf zu sein in Glauben und Freude, anstatt der Sonne entgegenzuwachen, mit der der Frühling kommt, von dem sie doch träumen und nach dem sie sich sehnen! Es war immer Heller geworden. Wir hatten die gerade Richtung verlassen und erklommen einen Hügelzug, der ins Thal auslief und von dem sich eine freiere Aussicht bot. Der Sturm hatte sich allmälig auch gelegt, als ob er sich genug damit gelhan, die Nacht gebrochen zu haben. Die Sterne verglommen. Der Mond verschwamm in der Tiefe, wie das Weiße Segel eines am Horizont hinabtauchenden Bootes. Es war fast etwas frostig geworden. Kühle Schauer rannen durch die Luft. In den Thalbreiten zu unseren Füßen lag alles in schmutzigem Nebel, wie todt, und an den Abhängen krochen und kletterten scheue Dunstflüge herum. Vor uns.. jenseits, überm Thal, stand das Gebirge. Sein Gipfelgrat zeichnete sich in harter, scharfer Linie von dem silber­grauen, sich nach und nach mit leisem Roth überhauchenden Grund des Himmels hinter ihm ab. Da bemerkte ich auf einem der Berghäupter drüben etwas herumkrabbeln.. schwarze Gestalten, Menschen, richtige Menschen, nur infolge der Entfernung kaum viel größer als Gullivers Lili- puter, zwerghaft, wunderlich. Es sah närrisch aus. So närrisch, wie einem all dergleichen vorkommen muß, wenn man etwas nur sieht und nicht auch hört. So närrisch, wie einem Tauben viel­leicht das ganze Leben, das ganze Treiben der Welt erscheinen mag. Als ob wir in einem Marionettentheater säßen und einer niedlichen Pantomime zusähen. Der helle Himmel hinter dem Ge­birg bildete den weißen Vorhang und wie in einem Schattenspiel hoben sich die kleinen schwarzen Kerlchen, gleich zierlich putzigen Silhouetten, mit allen Bewegungen scharf gegen den lichten Hinter­grund ab. Ein richtiges Schattenspiel... der Nacht! Der kleinen Kerlchen aber wurden immer mehr, wie mir

die erste Arbeitstheilung, die Frau baut das schützende Dach für sich und ihren hilflosen Säugling; in die Felle der Thiere, die der Mann erlegt, hüllt sie instinktiv das kleine frierende Geschöpf und gewinnt dadurch die Anregung, schließlich auch für sich ein deckendes und wärmendes Kleidungsstück zu schaffen. Sie muß, wenn die Nahrungsguelle in ihrer Brust versiegt, den Hunger ihrer Kinder auf andere Weise stillen, und so lernt sie die Mahlzeit zubereiten, indem sie nicht nur das Fleisch des Wildes, der Fische und Vögel dazu verwendet, das ihr der Mann von seinen Jagd­zügen bringt, sie benutzt auch die Knollen, Körner und Früchte, die sie selbst findet, und gewinnt schließlich die Fertigkeit, sie für den Gebrauch anzupflanzen.' Die Frau wurde immer seßhafter und der Mann, dessen Leben sich zwischen Kampf und Jagd abspielte, sah ihre Hütte bald als den Zufluchtsort an, wo er nicht nur zu flüchtiger Ruhe einkehrte und Obdach, Nahrung und Kleidung fand, sondern wo er auch seine Beute verwahren konnte. Noch anziehender wurde die Hütte für den Mann und noch wichtiger die Gebundenheit der Frau, als die Menschheit das Feuer kennen und schätzen lernte. Wahrscheinlich ist es ihr durch die Zündkraft des Blitzes bekannt geworden, und es wurde wie ein Heiligthum ein echtes Geschenk des Himmels gehütet, weil die Fertigkeit, es selbst hervorzu­rufen, erst in weit späterer Zeit erworben wurde. Die natürliche Hüterin und Bewahrerin des Feuers war die Frau." Und so war es nicht der dem Urmenschen so häufig angedichtete Familiensinn oder die Liebe zu Weib und Kind, Gefühle, die nur die Pro­dukte(Ergebnisse) einer höheren Kultur sein können, welche ihn an den häuslichen Herd immer wieder zurückzogen, sondern lediglich die rohen, physischen Bedürfnisse. Von einer Ehe in unserem Sinne war natürlich keine Rede; dem regellosen Geschlechtsverkehr folgte die sogenannte Blutgemein­schaftsfamilie, in der die einzelnen Generationen sich nicht mehr mit einander vermischten. Bei der geringen numerischen Ausdch-

' Vgl. Bücher, a. a. O., S. 14 u. 37. " Vgl. Julius Lippert , a. a. O., Bd. I S. 251 ff. u. Bd. II S. 28.

schien, und als unter einem Windstoß der Nebel etwas verzog, erkannte ich, daß es in seinem Schutze den ganzen Berg hinauf in hellen Haufen stand. Sie zappelten und fuchtelten mit den Armen in der Luft herum und liefen und rannten in seltsamer Hast und Unruhe hin und her. Dann schien plötzlich etwas los zu sein. Sie kamen mit langen Stangen und Haken, mit mächtigen Winden, Haspeln und Kettenrollen. Wieder andere schleppten sich mit Leitern, die für ihre Größe ungeheuer sein mußten, und es begann an allen Punk­ten eine fast fieberhafte Geschäftigkeit. Die Erde wurde aufge­graben, der Felsgruud gesprengt und riesige Pflöcke darin verankert. Dann schmiedeten sie lange eiserne Ketten durch die Ringe, und Drahtseile und Taue, und verklammerten mit diesen wieder die großen Leitern, die sie hinaufgeschleppt hatten. Hinter dem Gebirgsstock aber wurde es immer Heller und Heller, wie brodelnder Gischt dampfte es ab und zu empor. Doch je Heller es wurde, um so unruhiger und eiliger, um so aufge­regter wurde das Getrippel und Gearbeite der kleinen Schatten- kerlchen. Ich unterschied nun eine ganze Armee von Lanzknechten mit Piken und Hellebarden, mit Morgensternen und Donnerbüchsen. Sie hielten am Berg hinauf, in verschiedene Fähnlein getheilt. Auf einer etwas tiefer gelegenen Kulm war eine ganze Batterie von Mörsern und Kanonen aufgefahren, als gelte es... Gott weiß was für eine Völkerschlacht. Die Leitern wurden aufgestellt und ragten senkrecht in die Luft und die ganze Gratlinie stand voll von Leuten mit Stangen und Haken, so lang und schwer, daß es ihrer immer ein ganzes Häuflein zugleich bedurfte, sie zu regieren. Allmälig aber ahnte mir, was das Alles bedeuten möchte. Ich lachte. Mein, Mütterchen! Die Welt geht noch lange nicht unter! Keine Sorge! Es wird nur endlich.. Frühling!' ,Gott sei Dank!'