Durch sie ist noch ein anderer Gesetzentwurf vorbereitet worden, der demnächst zur Verhandlung kommen wird. Er behandelt einen wichtigen Theil des Familienrechts, indem er nicht nur zwischen Ehe­leuten völlige Gütertrennung fordert, sondern auch eine Bestimmung enthält, wonach die Hälfte des männlichen Einkommens der Ehefrau gesetzlich zum Zwecke der Führung des Haushalts zugesprochen wird und ihr das Recht zusteht, seine Einzahlung in der Bank auf ihren Namen zu beanspruchen. Ist statt des Ehegatten die Ehefrau allein im Besitz eines regelmäßigen Einkommens, so hat der Mann das­selbe Recht daran.

Frauenbewegung.

Das Wahlrecht zu den Handelsgerichten haben die fran­ zösischen   Frauen auf Grund des Gesetzes vom 23. Januar 1898 An­fang Dezember letzten Jahres zum ersten Male ausgeübt. Nach den vorliegenden Berichten war die Wahlbetheiligung der Frauen eine sehr geringe. Es war dies nach dem zu erwarten, was wir über den geringen Eifer der Pariserinnen berichteten, sich in die Wähler­liste eintragen zu lassen. In Marseille  , Rouen   und anderen Städten waren allen Handelsfrauen Bogen zugegangen, auf Grund deren Aus­füllung sie in die Wählerlisten eingetragen wurden. Nur eine sehr kleine Anzahl von Frauen hat jedoch die Bogen ausgefüllt und noch geringer war die Zahl der weiblichen Wähler in der Provinz. Was die ca. 3000 Pariserinnen anbetrifft, die ihre Einzeichnung in die Wählerliste verlangt hatten, so vertheilen sie sich sehr ungleich auf die einzelnen Stadttheile. In dem Stadtviertel, wo die Zentralmarkt­hallen gelegen sind, hatten sich die meisten Frauen einzeichnen lassen: gegen 2000. Im Stadtviertel des" Temple", einem Hauptsitz des Klein- und Trödelhandels, rund 350. Dagegen wiesen die Wähler­listen vieler anderer Stadttheile nur 9, 5 oder auch gar keinen weib­lichen Namen auf. Nach einer Notiz sollen nur 452 Pariser   Handels­frauen das Wahlrecht ausgeübt haben. Natürlich verfehlen die Gegner des Frauenstimmrechts nicht, aus der geringen Zahl der Wählerinnen den Schluß zu ziehen, daß die Frauen das Wahlrecht gar nicht wollen. Sehr mit Unrecht. Denn auch nur ein kleiner Theil der wahlberechtigten Männer ist bei den letzten Handelskammer­wahlen in Frankreich   zur Urne gegangen. So betheiligten sich z. B. in Paris   noch nicht einmal ein Viertel der wahlberechtigten Männer an den Wahlen. In Saint-   wählten von 68 eingeschrie­benen Frauen 11, von 338 männlichen Wählern 93. Die aufgeworfene Frage, ob auch Wählerinnen dem Wahlbureau angehören und präſi diren können, ist zum Theil zu Gunsten der Frauen entschieden worden. Die Verwaltung bestimmte, daß der Vorsitz des Wahlbureaus immer von dem Bürgermeister oder dessen Vertreter geführt werden soll. Die Mitglieder des Wahlbureaus werden ohne Unterschied des Ge­schlechts durch die beiden ältesten und die beiden jüngsten Wähler gestellt, die im Augenblick der Eröffnung der Wahl im Lokal an­wesend sind. In Fontainebleau   bestand das Wahlbureau aus vier Frauen.

* Kurse zur Ausbildung weiblicher Zeichner für Fabriken und Eisenbahnverwaltungen sind im vorigen November in Peters­ burg   eröffnet worden.

* Zur Frauenfrage in Italien  . Für den besten italienischen Aufsatz ist kürzlich in den Lehrerseminaren eine Konkurrenz ausge­schrieben worden, an der sich fünfzig Damen und nur fünf Herrn betheiligten. Die Frauen siegten auf der ganzen Linie über die sich so spärlich einfindenden Männer, von denen keiner prämiirt wurde. Die drei Medaillen fielen Damen zu.

* Ein Frauenklub besteht bekanntlich in Berlin   seit etwa einem Jahre. In seinen eleganten Räumen finden sich allabendlich die vornehmsten und reichsten Damen zusammen, zumeist solche, deren Ehemänner gleichfalls ihre Abende im Klub hinter den Spieltischen zuzubringen pflegen. Die Besucherinnen sind also keineswegs, eman­zipirte" Frauen. Radikale Blätter und Bücher sind aus dem Lese­zimmer streng verbannt, ebenso wie radikale Frauen, falls sie auf den thörichten Gedanken kommen sollten, Einlaß zu begehren, nicht zuge­Lassen werden. Die Unterhaltung besteht in Klatsch und amüsanter Lektüre, vor allem aber im Kartenspiel! So wird die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter dort gelöst: Wie der Mann, so läßt nun auch die Frau die Goldstücke durch die Finger rollen.

* Die erste englische   Architektin, Miß Ethel Mary Charles, ist, nachdem sie alle Prüfungen glänzend bestanden hat, zum Mitglied des Königlichen Instituts der Architekten ernannt worden.

In die Schulkommission zu Kopenhagen   ist in letztem Herbst zum ersten Male eine Frau gewählt worden. Bis jetzt war den Frauen jede direkte Antheilnahme an der Schulverwaltung verwehrt.

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart  .

* Was die englische Heilsarmee auf dem Gebiete der Hilfs­thätigkeit für Frauen im letzten Jahre geleistet, berichtete Mrs. Booth kürzlich in London  . Das Thätigkeitsfeld der Heilsarmee   mußte im letzten Berichtsjahre beträchtlich erweitert werden. Die Organi­sation unterhält jetzt in London   17 Rettungshäuser für Frauen und Mädchen, ein Asyl für dem Trunk ergebener Frauen; ein Wöchne­rinnenheim; ein Asyl für entlassene weibliche Strafgefangene; neun Arbeiterinnenheime; drei Herbergen für Obdachlose und drei Nacht­asyle. Im Berichtsjahre traten in diese Rettungshäuser 1518 Frauen und Mädchen neu ein und 452 kehrten in sie zurück. Jm Ganzen unterhält die Heilsarmee   68 Rettungshäuser, welche pro Jahr durch­schnittlich 4000 Frauen Zuflucht gewähren. Bis jetzt haben hier 18000 Frauen Aufnahme gefunden und zwar Frauen aus allen Klassen der Gesellschaft, wie Mrs. Booth betonte. Die Heilsarmee verausgabte zu Zwecken der Hilfsthätigkeit für Frauen 19508 Pfund, das ist 390160 Mt. 7483 Pfund( 149 660 Mt.) wurden durch Bei­träge beigesteuert; 12 024 Pfund( 240 480 Mt.) dagegen wurden durch den Ertrag der Arbeit der unterstützten Frauen aufgebracht.

Als Dozentin der Mathematik an der Universität Cincin­ nati   wurde Miß Florence Lawles angestellt. Sie ist die erste Frau, welche an der Universität Mathematik   lehrt und hat kürzlich an der nämlichen Hochschule ein glänzendes Examen bestanden.

6 Studentinnen der Medizin meist in diesem Semester die Universität Halle auf, welche die Frauen zu den anatomischen Kursen zuläßt. In Berlin   dagegen wurde es 5 Studentinnen der Medizin nicht gestattet, an einem anatomischen Präparirkursus theilzunehmen. In Halle studiren außer den 5 Medizinerinnen noch 5 Damen, welche sich der Philosophie widmen. 6 der Hallenser   Studentinnen sind Deutsche  , 3 Amerikanerinnen, England und Dänemark   sind durch je eine studirende Dame vertreten.

10 Aerztinnen und 30 Aerzte sendete die russische   Regierung zur Verhütung der Pesteinschleppung in das Samarkandgebiet.

Zur Reifeprüfung als Pharmazeutinnen und zur Er­werbung des Doktortitels läßt die Universität Montpellier die Frauen neuerlich zu. Damit erhalten die Frauen in Frankreich   das Recht, den Beruf als Apothekerinnen unbeschränkt auszuüben.

* Ein Frauengewerbeverein wurde kürzlich in Wien   ge­gründet. Er soll alle selbständig gewerbetreibenden Frauen umfassen, deren es gegenwärtig 17504 giebt. Das Programm des Vereins ist praktisch und verhältnißmäßig radikal, sodaß seine Nachahmung in Berlin   einen großen Fortschritt der Frauenbewegung bedeuten würde. Das Programm enthält u. A. die nachstehenden Punkte: Erlangung des Wahlrechts in den Gemeinderath und Bezirksausschuß, in die Handels- und Gewerbekammer und des passiven Wahlrechts für die Erwerbs- und Personaleinkommensteuer- Kommissionen; Einflußnahme auf die Errichtung und Förderung gewerblicher Vorbereitungs- und Fachschulen für Mädchen; Erschließung des höheren gewerblichen Unterrichts durch Errichtung von Parallelkursen für Mädchen an den bestehenden Anstalten, insbesondere der Handelsakademie, der f. t.   Lehranstalt für Textilindustrie und der k. t. Lehr- und Versuchs­ anstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren  . Die Ver­einigung soll sich überall einsetzen, wo praktische Fraueninteressen, wie zum Beispiel in der Approvisionirungsfrage, in Betracht kommen.

* Als erste Doktorin an der Berliner   Universität hat am 15. Dezember Fräulein Elsa Neumann   ihr Examen bestanden. Sie hat vor ihren Universitätsstudien weder ein Gymnasium besucht, noch ihr Abiturienteneɣamen gemacht, auf Grund ihrer guten Zeugnisse wurde sie trotzdem zur Doktorprüfung zugelassen und daher den starren reaktionären Geist der Berliner   Universität glücklich besiegt. Ihr Hauptfach ist Physik, daneben studirte sie Chemie und Mathematit. Im Januar wird ihre Promotion stattfinden.

* Das Doktoregamen hat Fräulein Paula Röpcke, eine Han­noveranerin, mit höchster Auszeichnung in Bern   bestanden. Sie widmete sich hauptsächlich naturwissenschaftlichen Studien.

* Ueber die Frauenfrage hat sich der Budapester Aerzteverein ausgesprochen. Ein Mitglied hatte einen weiblichen Arzt, Gräfin Vilma Hugonay, zur Aufnahme als Mitglied vorgeschlagen. Darüber kam es zu einer lebhaften Debatte, die, trotz der energischen Haltung der Gegner, schließlich damit endete, daß die Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Aufnahme der Kollegin mit 91 gegen 44 Stimmen anerkannt wurde.

* Ein Studentinnenverein hat sich nach dem Vorbild des Berliner   Vereins unter Leitung von Fräulein Dr. von Possaner in Wien   gebildet. Zur Zeit studiren 75 Frauen an der dortigen Universität.

Druck und Verlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b.H.) in Stuttgart  .