Die Gewerkschaftsorganisation der Kopenhagener Arbeiterinnen in der Herrenschneiderei zählt 1300 Mitglieder. Diesem Umstand haben es die Näherinnen vor Allem zu verdanken, daß sie fürzlich ihre wichtigsten Forderungen in einem vierzehntägigen Streif durchsetzten, in deren Verlauf auch nicht eine einzige Arbeiterin fahnenflüchtig geworden war. Die Fabrikanten mußten den früher vereinbarten Preiskourant anerkennen, der eine beträchtliche Lohnerhöhung bedeutet, und die neuen Preise sind vom 15. Februar an in Kraft getreten, nicht erst am 1. April, wie die Unternehmer ursprünglich wollten. Wo bisher höhere Preise gezahlt wurden, da bleiben sie bestehen. Der Preistourant gilt nur für Lagersachen, alle Extraarbeit wird höher entlohnt. Die errungenen Erfolge sind um so bemerkenswerther, als die Organisation noch jung ist, vor einem Jahre zählte fie faum 150 Mitglieder. Daß der Mitgliederstand in kurzer Zeit bis auf circa 1300 gestiegen ist, verdankt man der ungemein ener gischen Agitation durch Versammlungen und vor Allem auch durch Flugblätter. Gerade die letzteren spielten für das Werk der Aufklärung und Organisirung eine große Rolle, weil in der Branche sehr viele Heimarbeiterinnen thätig sind, welche sich den Versamm lungen fern halten. Eine unablässige Agitation wird seitens des Verbandes entfaltet, um die gewonnenen Mitglieder der Organisation zu erhalten.
Ein Verband der Näherinnen der Damenkonfektions-, Wäsche, Korsett- und Schirmbranche soll in Kopenhagen gegründet werden. Angeregt wurden die einleitenden Schritte zu dieser Organisation durch die Erfolge, welche die organisirten Schneiderinnen der Herrenbranche errungen haben.
Frauenbewegung.
Was die Arbeiterinnenfreundlichkeit der Frauenrechtlerinnen werth ist, kann man jetzt klar und deutlich feststellen nach den Mittheilungen aus den eigenen Reihen der Damen. Wenn Zwei sich streiten, so erfährt oft der Dritte die Wahrheit. Das gilt auch von dem Streit zwischen Frau Bieber- Böhm und Frau Cauer. Der persönliche Theil dieses Streites interessirt uns nicht, wohl aber jene Punkte, die geeignet sind zu beweisen, was von unserer Seite den Frauenrechtlerinnen gegenüber immer behauptet worden ist. In heller Beleuchtung erscheint da in erster Linie die Schöpfung der warmherzigen Frau Cauer, der Hilfsverein für weibliche Handelsangestellte". Ihm gehören bekanntlich auch Großkaufleute an, und wir haben demgegenüber stets betont, es sei eine Unmöglichkeit, daß diese Organisation ernstlich für die Interessen ihrer Mitglieder eintreten könne, solange in ihr die Herren Chefs über die Harmonie von Ausbeutern und Ausgebeuteten wachen. Am 9. Februar wurde nun in der Versammlung des Vereins Jugendschutz" das Folgende mitgetheilt. Das Bureau des„ Hilfsvereins" machte dem„ Jugendschutz" Geschäftsinhaber namhaft, die ihre weiblichen Angestellten durch unsittliche Zumuthungen belästigt hatten. Verschiedene der Herren wurden auf Wunsch des Bureaus des, Hilfsvereins" der Staatsanwaltschaft angezeigt und verfielen der verdienten Bestrafung. In einem Falle wurde die Hauptbelastungszeugin als nicht glaubwürdig und die Anzeige als ein Racheaft des Bureaus des„ Hilfsvereins" hingestellt. Es erfolgten nun Angriffe in der Presse gegen die genannte Organisation. Daraufhin erklärte der Vorstand des„ Hilfsvereins", daß er der Denunziation fernstehe und mit dem Jugendschutz" nichts zu thun habe. Frau Cauer, die von dem Vorstand des Jugendschutes" darob zur Rede gestellt wurde, soll nun nach Herrn Bieber erklärt haben, der Hilfsverein" habe auch Geschäftsinhaber zu Mitgliedern, sie habe deshalb die betreffende Erklärung mitunterschrieben, denn es sei zu befürchten ge= wesen, daß der Verein sonst die Sympathien dieser Herren verlieren könne. Der„ Hilfsverein" hat sich also aus Rücksicht auf seine Gönner" bei nöthigen Maßregeln zum Schutze seiner Mitglieder feig hinter den Jugendschutz" verkrochen, dessen Hand- und Spanndienste aber dann ebenso feig verleugnet. Des Weiteren theilte Herr Bieber mit, daß in dem vorliegenden Falle der„ Hilfsverein" dem als Nebenkläger aufgetretenen Vater des Beleidigten die ihm auferlegten Gerichtskosten zurückerstattet hat. Die reiche Organisation könne sich das ja leisten. Der Vorstand des„ Hilfsvereins" und Frau Cauer haben die im Vorwärts" veröffentlichten Mittheilungen des Herrn Bieber zu entkräften versucht. Die Möchtegern- Berichtigung berührt jedoch unseres Erachtens den Kernpunkt nicht, und Herr Bieber hat denn auch in einer Zuschrift seine Behauptungen vollinhaltlich aufrecht erhalten und durch weitere Thatsachen gestützt. So soll sich zum Beispiel Frau Cauer geweigert haben, mit der Vorsitzenden des Jugenschutz" zusammen die Versammlung zum Falle Köppen einzuberufen, und zwar mit der Be
"
40
"
gründung, daß dann der„ Hilfsverein" sich nicht an der Versammlung betheiligen könne. In der Mitgliederversammlung des Vereins " Frauenwohl", dem Frau Cauer vorsteht, wurde gegenüber den Angriffen der ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder erklärt, daß die„ ernste Auffassung", die der Vorstand von seinen Aufgaben im Dienste der deutschen Frauenbewegung habe, verbietet, Zeit und Kraft auf die Erwiderung solcher Polemik zu verwenden". Uns scheint, daß die angerufene ernste Auffassung" nicht verhindern dürfte, sachliche Punkte klarzustellen, welche von größter Bedeutung zur richtigen Beurtheilung des Charakters frauenrechtlerischer Schöpfungen und frauenrechtlerischer Thaten sind. Die Mittheilungen des Herrn Rechtsanwalts Bieber werfen doch ein eigenartiges Licht auf die Art des „ Schutzes", welchen der Hilfsverein" seinen Mitgliedern zu Theil werden läßt. Uebrigens wurde in der betreffenden Versammlung des Jugendschutz" noch ein anderer Punkt richtiggestellt. Frau Bieber- Böhm hat sich stets energisch dagegen verwahrt, daß ihre Bestrebungen zur Hebung der Sittlichkeit irgendwie mit denen der Missionsgesellschaften in Zusammenhang gebracht werden. In der betreffenden Versammlung theilte sie selbst mit, daß sie mit allen Rettungshäusern und Missionsgesellschaften Berlins in engster und regster Verbindung steht. Die frauenrechtlerische Reformarbeit, ob sie konservativ oder freisinnig angehaucht ist, läuft immer auf das Gleiche hinaus: auf Halbheit, auf stümperhaftes Flickwerk. E. J.
Einen Kampf gegen den Zunftzopf der Aerzte führen die Doktoren Zadek und Freudenberger in Berlin . Eine in Berlin praktizirende Aerztin hatte sich in der medizinischen Gesellschaft zur Aufnahme gemeldet. Die Aufnahmekommission lehnte das Gesuch ab, da ihrer Ansicht nach nur Männer aufgenommen werden dürften. Die beiden genannten Aerzte beantragten nun, die Aufnahmebestimmungen der Gesellschaft so zu fassen, daß weiblichen Aerzten der Beitritt gesichert sei. Die Antragsteller erhielten keine Antwort, ersahen aber aus einem Fachblatt, daß der Vorstand anrathen wollte, die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung zur Berathung des gestellten Antrags abzulehnen. Ob es den Doktoren Zadek und Freudenberger gelingen wird, ihre Kollegenschaft soweit aufzurütteln, daß der Zunftzopf abgeschnitten wird, ist sehr zweifelhaft. Die Konkurrenzfurcht spielt eine zu hervorragende Rolle in dem Widerstand der Herren Mediziner gegen die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts.
Eine internationale Demonstration der Frauen zu Gunsten der vom Zaren angeregten Friedenskonferenz ist von der Frauenrechtlerin Frau Selenka in München angeregt worden. Die Demonstration soll kurz vor dem Zusammentritt der Konferenz stattfinden, in einigen Ländern sind bereits die ersten Schritte zur Verwirklichung der Absicht gethan. Die deutschen Proletarierinnen stehen der geplanten Demonstration fern, weil sie eine grundsätzlich andere Bewerthung des zaristischen Friedensmanifestes haben, als die bürgerlichen Friedensfreunde. Ihre Stellungnahme ist durch die betreffende Resolution des Stuttgarter Parteitags festgelegt.
Eine Petition die Fleischnoth betreffend ist seitens mehrerer bürgerlicher Frauenvereine Berlins dem Reichskanzler zugegangen. Es heißt darin u. A.:„ Die Mitglieder der unterzeichneten Frauenvereine haben in ihren eigenen Hausständen die Erfahrung machen müssen, wie schwer es bei den auf eine bisher unbekannte Höhe gestiegenen Fleischpreisen selbst Familien in sonst geordneten Verhältnissen wird, eine angemessene Lebenshaltung zu ermöglichen. Andererseits haben sie in ihrer über ganz Berlin ausgedehnten Fürsorge für Kranke und Arme vielfach Gelegenheit zu beobachten, welch ein schwerer Schaden allen Volksfreisen durch diese Theuerung an der Gesundheit erwächst."
Die Zulassung der Frauen zum philosophischen und juridischen Studium an der Universität Gießen beschloß der Senat mit großer Mehrheit. Es soll den Frauen gestattet sein, einzelne Vorlesungen zu hören, wie auch sich immatrikuliren zu lassen. Vorbedingung der Immatrikulation ist die bestandene Reifeprüfung an einem Gymnasium oder einer Realschule erster Ordnung.
Quittung.
Für den Agitationsfonds gingen bei der Unterzeichneten ein: 16 Mt. von den Genossinnen in Chemniz; 20 Mt. von den Genossinnen in Köln ; 100 Mt. durch Genossin Ihrer. Summa 136 Mt. Dankend quittirt
-
Februar 1899.
Frau M. Wengels Vertrauensperson.