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Bürgerlichen Gesetzbuchs: Die Ehefrau theilt den Wohnsitz des Ehemanns." Die allenfalls hierher gehörigen Bestimmungen des japanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs lauten doch wesentlich anders: " Die Ehefrau ist verpflichtet, mit dem Ehemann zusammenzuleben. Der Ehemann muß der Ehefrau gestatten, mit ihm zusammen­zuleben."

In den vorstehenden, dem allgemeinen Theile und zwar dem Personenrecht entnommenen Bestimmungen ist der Einfluß des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs** unverkennbar, wiewohl auch hier eine ge­wisse Selbständigkeit nicht zu leugnen ist. Dagegen ist der japanische Gesetzgeber im Familienrecht und namentlich im Eherecht eigene Wege gegangen und zwar weit richtigere als der deutsche.

Interessant ist, daß nach den Bestimmungen des 2. Abschnitts des 4. Buches, Art. 732-764, über die Rechte und Pflichten des Haus­herrn und der Hausgenossen auch eine Frau die Rechte eines Hausherrn ausüben kann. In dieser Hinsicht bestimmt Art. 736: Wenn eine Hausherrin einen Mann heirathet, der gleichzeitig in ihr Haus ein­tritt, so wird der Ehemann Hausherr dieses Hauses, es sei denn, daß die Betheiligten bei der Eingehung der Ehe eine entgegengesetzte Willensbestimmung getroffen haben."

Ueber die uneheliche Vaterschaft enthält das japanische So Recht nur ganz wenige Bestimmungen. Art. 827 schreibt vor: G wohl der Vater als die Mutter können ein natürliches Kind an­erkennen", und Art. 828 enthält noch folgende Vorschrift: Auch wenn der Vater oder die Mutter geschäftsunfähig sind, bedürfen sie zur Anerkennung eines natürlichen Kindes nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters". Von besonderer Wichtigkeit ist die Bestim mung des Art. 835:" Das Kind, seine Abkömmlinge oder der gesetz­liche Vertreter dieser Personen kann von dem Vater oder der Mutter die Anerkennung verlangen." Da bei der Regelung der Unterhalts­pflicht überall von Abkömmlingen" die Rede ist und unter diesen auch die natürlichen Kinder zu verstehen sind( vergl. Art. 970, 3. 4), so genießen die unehelichen Kinder in Japan   denselben An­spruch auf standesgemäßen Unterhalt, wie die ehelichen. Es ist dies eine Bestimmung, die das geltende Recht der auf ihre Kultur stolzen Staaten Europas   barbarisch erscheinen läßt. Aller­dings im Erbrecht stehen die natürlichen Kinder hinter den ehelichen und den Shoshis( das heißt vom Ehemann anerkannten Kindern der Ehefrau) gleichen Grades zurück. Also auch das japanische Erb­recht natürlicher Kinder ist hoch erhaben über tausendjährige, unaus­rottbare römischrechtliche Barbarei. Gine exceptio plurium( Ein­rede der mehreren Beischläfer) kennt das japanische Recht nicht, wohl aber kann der Ehemann innerhalb eines Jahres nach der Ge­burt die Ehelichkeit eines in der Ehe geborenen Kindes bestreiten ( Art. 820-826).

Ueber die Eheschließung bestimmt Art. 775: Die Ehe wird rechtswirksam durch Anmeldung bei dem Standesbeamten. Die An­meldung muß durch alle Betheiligten und mindestens zwei volljährige Zeugen mündlich oder mittels eines namensunterschriftlich vollzogenen Schriftstücks bewirkt werden." Bis zum erreichten 25. Lebensjahr be­darf die Japanerin, bis zum erreichten 30. Lebensjahr der Japaner der Einwilligung seiner Eltern, beziehungsweise des Vormunds und des Familienraths, der aus drei vom Gericht bestimmten nahen Ver­wandten besteht. Wenn der Stiefvater, die Stiefmutter oder die Chakubo ( das heißt die Ehefrau als Mutter eines vom Manne anerkannten natürlichen Kindes) die Einwilligung zur Ehe nicht ertheilt, so kann das Kind nach Art. 773 die Ehe mit Einwilligung des Familienraths schließen.

Die Ehehindernisse sind im Allgemeinen dieselben wie nach deutschem Rechte. Die Bestimmungen über Nichtigkeit und Auf­hebung der Ehe interessiren hier nicht weiter. Dagegen verdienen die Bestimmungen über die Scheidung der Ehe unser Interesse.

Nach Art. 813 kann ein Ehegatte nur in folgenden Fällen Klage auf Scheidung der Ehe erheben: 1. Wenn der andere Ehegatte eine Doppelehe eingeht. 2. Wenn die Ehefrau einen Ehebruch begeht. 3. Wenn der Ehemann wegen Fleischesverbrechen verurtheilt wird. 4. Wenn der andere Theil zu Strafe verurtheilt wird wegen einer Strafthat wie: Fälschung, Bestechung, Unzuchtshandlung, Diebstahl,

* Dagegen steht nach Art. 749 die Bestimmung des Aufenthalts sämmt­licher Hausgenossen dem Hausherrn zu. Hausherr fann aber, wie wir so­fort sehen werden, in Japan   auch eine verheirathete Frau sein.

** Dr. jur. 2. Lönholm, Professor an der k. Universität zu Tokyo  , der das Bürgerliche Gesetzbuch für Japan  " und den Entwurf des japanischen Handelsgesetzbuchs", ersteres in zweiter Auflage, Tokyo und Bremen  ( Max Nößler  ) 1898 übersetzt hat, bemerkt in seinem Vorwort sehr richtig: Das Gesetzbuch gründet sich in der Hauptsache auf die deutsche Wissenschaft." Glücklicherweise trifft dies beim Ehe- und namentlich beim Ehescheidungsrecht keineswegs zu.

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Räuberei, Verschaffung von Vermögensvortheilen unter falschen Vor­spiegelungen, Veruntreuung anvertrauter Sachen oder Hehlerei, oder wegen einer der in Art. 175 und 260 des Strafgesetzbuchs bezeichneten Strafthaten, oder wenn er zu schwerem Gefängniß oder mehr ver­urtheilt wird. 5. Wenn ihm vom anderen Theile eine solche Miß­handlung oder schwere Beleidigung zugefügt wird, daß ein weiteres Zusammenleben unthunlich erscheint. 6. Wenn er vom anderen Theile böswillig verlassen wird. 7. Wenn ihm von einer Person, welche mit dem anderen Theile in aufsteigender gerader Linie verwandt ist, eine Mißhandlung oder eine schwere Beleidigung zugefügt wird. 8. Wenn einer Person, welche mit ihm in aufsteigender gerader Linie verwandt ist, vom anderen Theile eine Mißhandlung oder schwere Beleidigung zugefügt wird. 9. Wenn drei Jahre oder länger über Leben und Tod des anderen Theiles keine Gewißheit erlangt worden ist. 10. Im Falle der Annahme eines Nukoyoshi( das heißt An­nahme an Kindesstatt zugleich mit der Verheirathung an die Erb­tochter), wenn das Kindschaftsverhältniß aufgehoben ist, und im Falle der Ehe eines angenommenen Kindes mit der Haustochter, wenn das Kindschaftsverhältniß aufgelöst oder aufgehoben wird.

Ein Ehegatte, der dem anderen verziehen, oder sich dergleichen unter 4. aufgeführten Vergehen schuldig gemacht hat, kann die Ehe­scheidungsklage nicht mehr erheben. Ebenso kann sie nicht erhoben werden, wenn ein Jahr verflossen ist, seit der betreffende Ehegatte Kenntniß von dem Ehescheidungsgrund erhalten hat.

Als ein großer Mangel des japanischen Rechts ist hervor­zuheben, daß der Ehebruch des Mannes nicht Ehescheidungsgrund ist. Die Frau ist also in dieser Hinsicht ganz erheblich schlechter gestellt, als der Mann. Dagegen verdienen die unter 5.- 8. aufgeführten Ehescheidungsgründe alle Beachtung. Es ist z. B. als ein großer Vorzug gegenüber dem deutschen Rechte anzusehen, daß auch die schwere Beleidigung, nicht blos die grobe Mißhandlung, als Ehe­scheidungsgrund gilt. Daß sich dieser Ehescheidungsgrund auch auf die Verwandten aufsteigender Linie erstreckt, ist eine logische Kon­sequenz des festen japanischen Familienverhältnisses. Der Gesetzgeber hat nicht schablonenhaft fremdes Recht abgeschrieben, sondern das neue Recht den historisch gewordenen Volkssitten anzupassen versucht. Besonderen Beifall verdient es, daß das japanische Gherecht die Scheidung auf Grund Einverständnisses vorsieht. Art. 808 besagt: Die Ehegatten können im gegenseitigen Einverständniß die Ehe scheiden. Wer das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bedarf nach Art. 809 zur Scheidung im gegenseitigen Einverständniß der Einwilligung der= jenigen Personen, welche nach Art. 772 und 773 ein Einwilligungs­recht bei Eingehung der Ehe haben. Art. 810 setzt fest: Die Be­stimmungen der Art. 774 und 775 finden auf die Scheidung der Ehe im gegenseitigen Einverständniß entsprechende Anwendung." Mit anderen Worten: Wie die Ehe geschlossen wird, so kann sie auch durch mündliche oder schriftliche Anmeldung beim Standesbeamten unter Zuziehung zweier Zeugen und Zustimmung der Eltern, beziehungs­weise des Vormunds oder Familienraths geschieden werden. Nach Art. 811 darf der Standesbeamte die Anmeldung erst entgegennehmen, nachdem er sich vergewissert hat, daß die Scheidung nicht den Be­stimmungen der Art. 775, 3. 2 und 809 oder sonstigen Gesetzen oder Verordnungen widerspricht. Hat der Standesbeamte die An­meldung der vorstehenden Bestimmung zuwider entgegengenommen, so wird dadurch trotzdem die Rechtswirksamkeit der Scheidung nicht berührt.

Wenn die Ehegatten im gegenseitigen Einverständniß ihre Ehe scheiden, ohne dabei zu bestimmen, wem die Fürsorge für die Kinder zufallen soll, so gebührt sie dem Vater, so bestimmt Art. 812. Wenn der Vater in Folge der Scheidung aus dem Hause austritt, in welches er eingeheirathet hatte, so gebührt die Fürsorge für die Kinder der Mutter. Durch die vorgehenden Bestimmungen wird an den außer­halb der Grenzen der Fürsorge liegenden Rechten und Pflichten der Eltern nichts geändert. Die angeführten Bestimmungen des zuletzt erwähnten Artikels kommen nach Art. 819 auf die gerichtliche Schei­dung zur entsprechenden Anwendung; doch kann das Gericht im Interesse der Kinder die Fürsorge für dieselben in abweichender Weise ordnen.

Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß die Frau, die als Haus­herrin geheirathet hat, nach den Bestimmungen über das eheliche Güterrecht dieselben Rechte ausübt, wie der Ehemann und also gegebenen Falles das Vermögen des Ehemanns mitverwaltet. Alles in Allem bedeutet das japanische Privatrecht einen Schritt in der Richtung der rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau und be­schämt in dieser Hinsicht die Gesetzgebung manches alten Kultur­landes.