zuwehren, welche den Profit ein Weniges schmälern, die Ausbeu­tungsfreiheit etwas zügeln.

Angesichts dieser Verhältnisse kann den deutschen   Arbeitern und Arbeiterinnen wahrlich nicht angesonnen werden, die Maifeier anders als in Kampfesstimmung zu begehen, sie trotz der fried­lichen Form anders denn als revolutionäre Kundgebung aufzufassen. Die Maifeier beweist, daß dem deutschen   Proletariat der anarchi­stische Köhlerglaube an die alleinfeligmachende revolutionäre Kraft des Elends ebenso fernliegt, wie der bürgerlich- reformlerische Köhler­glaube an die Wunder wirkende Kraft des guten Herzens und der Einsicht der Besißenden.

Durch die Maifcier erklärt die deutsche Arbeiterklasse: Her mit allen sozialen Reformen, die in der Gegenwart uns noth thun; her vor Allem mit der wichtigsten, sozialen Reform: dem Acht­stundentag! Nieder mit der Zuchthausvorlage und dem Zuchthaus­furs, mit allen Unterdrückungsmaßregeln, die meinen Kampf auf dem Boden gesetzlicher Verhältnisse hindern! Her mit allen Rechten und Freiheiten, welche meine Macht erhöhen und befestigen. Im Kampf von Klasse zu Klasse werde ich Reformen und Rechte er­ringen, und ich werde sie nußen, um mit aller Wucht für meine volle Befreiung zu streiten. Denn wenn ich Reformen in der kapitalistischen   Gesellschaft begehre, so begehre ich sie nicht nur, um die leidvolle Gegenwart zu erhellen, sondern auch und vor Allem um der siegreichen Zukunft wegen, weil ich die soziale Revolution der heutigen Ordnung will. Meine Gegenwartsforderungen stehen im Dienste meiner hohen Endziele, denen ich zustrebe, mit den Brüdern und Schwestern der Arbeit in allen Ländern geeint in einer Erkenntniß, einem Wollen, einem Ideal und einem Handeln.

Wegen Raummangels mußte ein Artikel, der sich mit Bernsteins Buch beschäftigt, zurückgestellt werden.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. In einer Reihe von Versammlungen in Mecklenburg   und Pommern   sprach Genossin Ziez- Hamburg vom 18. bis 27. Januar. Versammlungen fanden statt in Rostock  , Doberan  , Friedensburg, Altdamm  , Wolgast  , Kolberg  , Kös­ lin   und Stettin  . Sämmtliche Versammlungen waren stark, zum Theil sogar glänzend besucht. Eine ganze Anzahl Personen, darunter viele Frauen, wurden den Arbeiterorganisationen als neue Mitstreiter zugeführt.

Im Auftrag der Vertrauensmänner der beiden Anhalter Wahl­kreise unternahm Genossin Zieß- Hamburg vom 9. bis 27. Februar eine Agitationstour in Anhalt  . Versammlungen fanden statt in Bitterfeld  , Jeßniz, Raguhn  , Roßlau  , Dessau  , Jonit, Coswig  , Zerbst  , Aacken, Göthen, Görzig  , Nienburg   a. S., Neundorf, Bernburg  , Staßfurt  , Harzgerode   und Sanders­ leben  . Die Versammlungen waren ausnahmslos sehr gut besucht. Den verschiedenen Organisationen wurden einige Hundert neuer Mit­glieder zugeführt, ebenfalls eine Anzahl Volksblatt"-Abonnenten ge­

wonnen.

In Eutin  , Malente   und Preez sprach Genossin Zietz vom 1. bis 4. März über Moderne Klassentämpfe". Die Versammlungen waren glänzend besucht, und zwar wohnten ihnen auch viele Frauen bei.

Zwecks Ausbreitung des Fabrikarbeiterverbandes sprach Genossin Zietz in der Zeit vom 9. bis 18. März in einer Reihe von Orten im Königreich Sachsen. Die Versammlungen, die in Zwickau  , Markranstätt, Eilenburg  , Potschappel  , Dresden  ( in Leipzig  hatten anfangs Februar schon zwei Versammlungen zu demselben Zwecke stattgefunden), Meißen  , Cölln  , Hartha   und Wurzen  stattfanden, waren durchweg gut besucht. Es gelang, an fünf Orten neue Zahlstellen des Verbandes zu gründen und 127 neue Mitglieder zu werben. In Dresden   ward der Genossin Ziez bei ihrem Schluß­wort vom Beamten das Wort entzogen, weil sie darauf hinwies, daß in Frankfurt   a. M. die Schließung der dortigen Zahlstelle wieder rückgängig gemacht werden mußte, da die Polizei verabsäumt hatte, innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist einen Gerichtsentscheid herbeizuführen. In der Versammlung war wohl so ungefähr ein Dutzend Uniformirter anwesend, um eventuell Ruhe und Ordnung" wieder herzustellen, aber es fand sich kein Anlaß zum Einschreiten. Schon das äußere Gepräge der Versammlungen zeigte, daß Sachsen  das Land des berühmten Juwels" von Vereinsgesetz ist. In Hartha  verfiel die Versammlung der Auflösung, weil der Beamte nicht ge=

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statten wollte, daß zum Zwecke der Aufnahme neuer Mitglieder eine Pause eintrete und weil gegen dieses Verbot des Beamten ein Ver­ſammlungsbesucher proteſtirte. Ueber die öffentliche Versammlung des Vereins der Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse in Leipzig  , in der Genossin Zieh referirte, hat die Gleichheit" schon berichtet. Am 19. und 20. März sprach Genossin Zietz in glänzend be­suchten Versammlungen in Mülheim   a. Ruhr und Krefeld   über Die Bedeutung des 18. März".

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Ueberall, wohin die stattgefundene Agitation Genossin Zietz führte, trat die wachsende politische und wirthschaftliche Erkenntniß der proletarischen Männer und Frauen in Erscheinung. Trotz aller Unterdrückungsmaßregeln steigt die Zahl derer, die gewerkschaftlich organisirt und politisch geschult für die Interessen des Proletariats in Gegenwart und Zukunft kämpfen. L. Z.

Die Berichterstattung der weiblichen Vertrauensperson der Leipziger   Genossinnen fand Ende März statt. Die Vertrauens­person, Genoſſin Jäger, berichtete, daß im letzten Jahre vier öffent­liche Frauenversammlungen stattgefunden haben. Zwei derselben er­hoben Protest gegen den beabsichtigten Ausschluß der Frauen aus politischen Versammlungen und gegen das Bürgerliche Gesetzbuch, und zwei dienten der Agitation zu den Reichstagswahlen. Auch sonst waren die Genossinnen im Wahlkampf thätig. Sie ließen sich ferner angelegen sein, für die Einbeziehung der Arbeiterinnen in die Ge­werkschaften zu wirken. Wenn die Genossinnen nicht geleistet hätten, was sie zu leisten gewünscht, so sei dies in der Hauptsache dem Um­stand geschuldet, daß die Vertrauensperson keine Geldmittel zur Ver­fügung gehabt habe, und daß ihr seitens der Genossen keine Rechte eingeräumt worden seien. Weil die Vertrauensperson nur eine ge­ringe Thätigkeit entfalten könne, hätten die Genossinnen sich zur Gründung des Bildungsvereins entschlossen, von dem man ein reges Wirken erhoffe. Die Mitglieder des Agitationskomites, Grenz und Lipinski, widersprachen den Ausführungen der Genossin Jäger, soweit diese die mangelhafte Unterstützung dieses Komites getadelt hatte. Sie machten geltend, daß die Stellung der weiblichen Vertrauens­person keine andere sei, als wie der Gothaer Parteitag sie festgelegt habe. In Anschluß an den Bericht fand die Neuwahl der Vertrauens­person der Genossinnen statt. Gewählt wurde Genossin Frenzel.

Die Frauenfrage im Alterthum.

Von Lily Braun   in Berlin  .

V.

Wollen wir nun statt der Griechin die Römerin betrachten, so tritt der Gegensatz zwischen Beiden am Klarsten hervor, wenn wir Cornelia, die Mutter der Gracchen, der Penelope  , der Mutter Telemachs, gegenüberstellen; hier würdevolle Größe, ruhige Selb­ständigkeit, dort ängstliche Schüchternheit, Bedürfniß nach Schußz und Anlehnung; hier Söhne, die der Mutter Ehrerbietung zollen, dort ein Sohn, der sie, als der Herr, zur Ruhe verweist. Schon in der Sage von der Egeria, der weisen Beratherin König Numa Pompilius  ', spricht sich die Achtung des Römers vor der Frau aus. Ihr Ursprung mag in der dünnen Bevölkerung des Landes zu suchen sein, in dem nicht genug Frauen vorhanden waren. Die Geschichte vom Raub der Sabinerinnen spricht für diese Annahme, ebenso die ursprünglich für Mann und Weib gleich strenge mono­gamische Ehe. Es gab nicht so viel Frauen, als daß der Mann ihrer mehrere hätte haben können. Er forderte von seinem Weibe unverbrüchliche Treue, aber seine Volksgenossen forderten von ihm dasselbe, denn sein Treubruch konnte zugleich den Treubruch eines ihrer Weiber bedeuten.

Die Römer waren in ihren ersten historischen Anfängen ein abgehärtetes Landvolk. Ihre Götter waren Personifikationen der Saat, des Lichtes, des Lenzes. Der Begriff der Familie umschloß Eltern, Kinder, Knechte und Mägde gleichmäßig. An einem Tische vereinigten sich alle; die Arbeit, der nichts Ehrloses anhaftete, be­schäftigte sie gemeinsam. Die römische Hausfrau, die Matrone, stand der inneren Wirthschaft und der Erziehung der Kinder vor. Ihre Stellung war von vornherein eine gefestigtere und ehrwür­digere, da sie keine Rivalin neben sich hatte und die einzige Herrin im Hause war.

Die höhere Achtung, die sie genoß, verschaffte der Römerin auch größere Freiheit. Sie empfing des Hauses Gäste mit dem Gatten, sie war nicht in das Frauenhaus eingeschlossen, sie nahm