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freien Bauern trat der Großgrundbesizer, an Stelle des fleinen Handwerkers und der freien Industrie der Großkaufmann mit seinen Sklaven. Massen von Sklaven arbeiteten in den Palästen für ihre Gebieter und ein solches Gemeinwesen aus Millionären und Bettlern mußte die äußerste sittliche Zerrüttung zur Folge haben.2
Ihr erstes Zeichen war, wie in Griechenland , die Entehrung der Arbeit. Nur der reiche Mann, der durch die Thätigkeit des Sklaven lebte, galt für anständig; jede Arbeit, die körperliche Anstrengung erforderte, war ehrlos, und der Arme, der sich durch seiner Hände Arbeit sein Brot verdiente, wurde verächtlich als ein gemeiner Mann behandelt. Verderblicher noch als für die männliche Bevölkerung war diese moralische Dekadenz für die weibliche. Der römische Bürger konnte, auch wenn die manuelle Arbeit eine für ihn unwürdige war, seine geistigen und physischen Kräfte als Politiker, als Philosoph, als Künstler, Dichter und Krieger be
Theil an öffentlichen Festen und besuchte Theater und Zirkus. Rechtlich stand sie jedoch wie die Orientalin und die Griechin unter dauernder Vormundschaft. Niemals verfügte sie frei über ihr Eigenthum; thatsächlich war es sogar das Eigenthum, durch das sie unmündig wurde. So konnte nach altrömischem Rechte das unter väterlicher Gewalt lebende Mädchen, das also selbst kein Vermögen besaß, über seine Person frei verfügen; die unter Vormundschaft stehende Waise dagegen, die im Besitz des väterlichen Erbes war, blieb in allen ihren Handlungen unfrei. Daraus ergiebt sich, daß nicht die Frau an sich, sondern die Frau als Eigenthümerin eines Vermögens unter gesetzlichem Schuße stand.¹ Sie durfte weder ein Testament, noch Geschenke, noch Schulden machen; die römischen Rechtslehrer selbst erkennen an, daß die Vormundschaft über die Frau eine Institution sei, die weniger in ihrem Interesse als in dem des Vormunds lag. Nur in einem Punkte genoß sie während der Blüthezeit der Republik dieselben Rechte, wie der Mann: Sie hatte Zutritt zum Forum und konnte sowohlthätigen. in eigener wie in fremder Sache als Zeuge oder als Vertheidiger auftreten. So wird von Amesia Sentia erzählt, daß sie sich unter ungeheurem Zulauf des Volkes mit Klugheit und Energie zu vertheidigen verstand, worauf fast einstimmig ihre Freisprechung erfolgte, und von Hortensia, der Tochter des Redners Hortensius, die es durch ihre glühende Beredtsamkeit durchsetzte, daß die Frauen der Bezahlung einer ihnen auferlegten Steuer wieder ent< bunden wurden.
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Allzu schnell wurden die Römer aus einem schlichten ackerbautreibenden Volke die stolzen Beherrscher der Welt, und früh schon trug ihre Eristenz den Todeskeim in sich. Die siegreichen Feldzüge, die Unterdrückung ganzer Nationen waren von bösen Folgen begleitet, denn nicht nur, daß auf ihre rohe Kultur griechische Ueberfeinerung, orientalische Perversität und Genußsucht gepfropft wurde, ein Umstand, der auf alle Naturvölfer verderblich wirkt, auch das Grundübel der Staatenbildung im Alterthum, das Sklavensystem, fand in Rom raschen Eingang und entwickelte sich hier zur höchsten Blüthe. Ungeheure Reichthümer strömten aus allen Theilen der Welt in Rom zusammen; sie ver= einigten sich in den Händen Weniger. An Stelle der kleinen,
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Vgl. Gide, a. a. D., S. 114 ff.
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Vgl. Valerius Maximus , Sammlung merkwürdiger Reden und Thaten, übersetzt von Dr. F. Hoffmann. Stuttgart 1829, Buch 8, Kap. III, S. 494.
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Vgl. Valerius Maximus , a. a. D., S. 495.
5 Vgl. Th. Mommsen , Römische Geschichte. 8. Aufl. Berlin 1889, Bd. III, S. 510 ff.
Maienmärchen.
Von Gertrud Stein , Frankfurt a. M.
Und der Winter hatte geschworen, daß er diesmal dem Frühling nicht weichen wolle. Er setzte sich fester auf seinen eisigen Thron, den Schneemantel schlug er um die Schultern, daß es nur so stäubte; funkelnde Krystallblize schossen aus seinen Augen über das erstarrte Land, in blinkenden Zapfen hing sein langer Bart hernieder. So saß er und wartete trogiglich, obwohl er gut wußte, daß seine Zeit um war, und daß der Frühling nun fommen und die Herrschaft antreten sollte.
Der Frühling fam. Er sah klein aus und unansehnlich, kaum ein Gewandfeßchen trug er auf dem mageren Leibe; seine Augen blickten blöde, wie wenn sie noch nicht recht wüßten, warum man sie aus ihrem tiefen Schlafe aufgeweckt.
Mit zagen Schritten ging er dahin, wo der Winter in eisiger Ruhe auf seinem Throne saß, rüttelte mit schwacher Kinderhand und sprach:" Mach' dich auf, alter Winter, deine Zeit ist um!" Der aber that, als ob er nicht höre. Da rüttelte der Frühling wieder und wieder und riß an dem Schneemantel, daß die Fezen flogen. Hui, fuhr da der Winter empor! Start fiel seine Hand auf den Frühling, und mit zorndonnernder Stimme herrschte er ihn an:" Was wagst du, unreifer Knabe? Wer sandte dich, daß du dich solchen Frevels unterfängst?" Da aber reckte sich der Frühling, daß er in Sekunden um manche Haupteslänge gewachsen
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Er konnte dadurch dem entsittlichenden Einfluß des Reichthums Schranken sezen. Seine Gattin dagegen, der die Führung des Hauswesens, ja sogar die Wartung und Erziehung der Kinder von Sklaven abgenommen wurde, war ihm schrankenlos preisgegeben. Sie hatte dem Staate gegenüber weder Nechte noch Pflichten und daher kein Verständniß für öffentliche Fragen; ihre Erziehung wurde in jeder Weise vernachlässigt, daher hatte sie nur ein ganz oberflächliches Interesse an Kunst und Wissenschaft. Reichthum und Langeweile trieb die römische Bürgerin der Genußsucht und Sittenlosigkeit in die Arme, während die Sklavin, um dem Elend ihres jammervollen Daseins zu entrinnen, die Reihen der Prostituirten Jahr um Jahr in wachsender Zahl vermehrte. Der aus Griechenland und dem Orient eingeführte Dienst der Liebesgöttinnen tam dabei den Neigungen und Wünschen der Frauen entgegen, die die wüstesten Orgien aus ihm machten.4
Um der Verschwendungssucht der Frauen zu steuern, entstand schon während der Punischen Kriege das Oppische Gesez, wonach ihr Besitz an Gold und Kleidern beschränkt und ihnen verboten wurde, in einem Wagen zu fahren. Bald jedoch empörten sich die Frauen gegen diese Beeinträchtigung und zwei Bürgertribunen beantragten die Abschaffung des Gesetzes. Da trat zum ersten Mal der strenge Sittenprediger und Vertreter altrömischer Einfachheit, Marcus Portius Cato, gegen die Frauen auf. Unter großem Zus sammenlauf der Römerinnen erflärte er, daß jede Menschenart
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Vgl. Cicero, Pflichtenlehre, übersetzt von Friedr. Richter. Leipzig , I, 41. 4 Vgl. Sueton , Biographien, übersetzt von Sarrazin. Stuttgart 1883,
schien. Die eben noch schläfrigen Augen blizten, mit starker Hand faßte er in den Bart des eisgrauen Alten.„ Wer mich sandte, fragst du, und wer mich gebar? Ich bin der Nothwendigkeit Sohn, mein Vater ist der Sonnengott, der mit allgewalt'ger Kraft mir helfen wird im Kampfe gegen dich, den Hüter des Gestorbenen, den Feind des Werdenden! Und gesandt hat mich die Zeit, die Alles beherrschende, Alles besiegende, ewige Zeit! Ich komme, ein Bote des Werdenden, das da das Alte umstürzt und zerbröckelt." Indem er das sagte, brauste es einher in den Lüften. Des Frühlings Helfer waren es, die mächtigen Stürme.
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Da schüttelte sich der Winter, daß Eis und Schnee umherstob, seine Diener rief er, den eisigen Tod und die finstere Nacht: Knebelt mir das Bürschlein, das fecke, laute, welches das Bestehende mißachtet und den Umsturz über die Erde bringen will. Er nennt sich den Sohn der Nothwendigkeit! Ha, ha! Wer iſt sie, diese Nothwendigkeit? Bedürfen wir ihrer? Tragen nicht die hochragenden Tannen ein immergrünes Gewand? Hüllt nicht die weiße Schneebecke die Welt in ein behagliches Schlummertuch? Unsere Felsen und Berge, bedürfen sie der Sonne, anerkennen sie die Nothwendigkeit? Warte, Bursche, ich will dich umstürzen!" Seine rauhe Hand zauste mächtig den Frühling. Der aber freute sich des Kampfes. Er befreite die wallenden Locken aus der Faust des Feindes und mit jauchzendem Ruf stürzte er sich auf den Alten. Wacker bliesen die Stürme, aus zerrissenen Wolkenschleiern grüßte ermunternd und verheißungsvoll das Auge des Vaters. Mächtig