die trefflichen Berichte der bayerischen Gewerbeinspektion, mit denen sich die Berichte der preußischen Aufsichtsbeamten nicht entfernt ver­gleichen können. Die Furcht vor Ueberlastung der Fabrikinspektoren und Gefährdung ihrer Hauptaufgaben hat die preußische Regierung seiner Zeit nicht abgehalten, die Fabritinspektion mit der Kesselrevision zu verquicken und dadurch geradezu unwürdige Zustände herbeizu führen. Warum in der vorliegenden Sache das zarte Bedenken? Hier handelt es sich eben um Förderung einer kleinen Reform, dort um Verböserung einer solchen, das sagt alles. Charakteristisch ist des Weiteren die Nichtachtung, welche der Minister gegenüber der Bildungsanstalt an den Tag legt, die aus der Initiative der bürger­lichen Damen hervorgegangen ist. Eintretenden Falles wird die Re­gierung selbst einen Kursus einrichten oder aber die Bewerberinnen zu dem Kursus für männliche Aufsichtsbeamte zulassen. Das ist gewiß recht schön, bedeutet aber ein vollständiges Beiseiteschieben der von dem frauenrechtlerischen Bund" geschaffenen Einrichtung. Wenn die bürgerlichen Damen zu belehren sind, so können sie aus dieser Thatsache gar Manches lernen.

Vier Sanitätsinspektorinnen wurden in Birmingham   an­gestellt. Die Sanitätsinspektorinnen werden von den Kommunal­behörden ernannt und sind u. A. auch mit der Inspektion der Werk­stätten, Wäschereien und Läden betraut, so daß ihnen eine Reihe von Aufgaben zugewiesen sind, welche bei uns der Gewerbeaufsicht zu­fallen. Die vorzüglichen Erfahrungen, welche man in Manchester  und Kensington  , einem Londoner   Kirchspiel, bezüglich der Thätig­feit der Sanitätsinspektorinnen gemacht hat, bestimmten den Magistrat von Birmingham  , zur Sanitätsinspektion der Stadt nun ebenfalls Frauen heranzuziehen.

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenbewegung.

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Wie eine Versammlung im Hilfsverein für weibliche An­gestellte zu Berlin   aussieht. Der Vorstand der genannten Organi­sation hatte Freitag den 7. April eine Mitgliederversammlung ein­berufen, um die Wünsche und Forderungen der Gehilfinnen zu dem dem Reichstag vorgelegten Gesezentwurf betreffend den Schutz des Verkaufspersonals, einer Besprechung zu unterziehen." So wenigstens war in den Mittheilungen für weibliche Angestellte vom 1. April zu lesen. Zu der so wichtigen Besprechung hatten sich von der großen Mitgliederschaar, die über 10000 betragen soll, ganze 27, sage und schreibe siebenundzwanzig eingefunden!! Herr Dr. Silbermann sprach über Inhalt und Zweck der Novelle, ohne ein Wort der Kritik oder einen Gegenvorschlag zu äußern, was doch von Seiten des Vorstandes zu erwarten gewesen wäre. Der Referent wünschte nur zum Schluß von der Versammlung zu hören, wann die einzelnen Geschäfte ge= öffnet resp. geschlossen würden, und welches Publikum nach 8 Uhr kaufe. Von den anwesenden 27 Mitgliedern waren ca. 7 Verkäufe­rinnen. Ihre Aussagen sollten wahrscheinlich Stoff zu der beab­sichtigten Petition geben. Kollegin Haase unternahm es, dem Vor­stand des Hilfsvereins" nach längeren Debatten eine Resolution zu überreichen mit den Gegenvorschlägen, die der Zentralverband der Handlungsgehilfen und-Gehilfinnen Deutschlands  " bereits dem Reichs­ tag   und Bundesrath zugestellt hat. Die Resolution forderte dem­entsprechend: Ausdehnung des Art. 8 des Entwurfs auf Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter im Handelsgewerbe und in sonstigen offenen Verkaufsstellen", während die von der Regierung vorgeschlagene Reform nur den in Ladengeschäften Angestellten zu Gute kommen soll. Ferner folgende Fassung für§ 193 c, der auch nach der Novelle noch eine 14 stündige Arbeitszeit zuläßt und nur für die Angestellten, die nicht in Hausgemeinschaft mit dem Prinzipal leben, eine ein­stündige Mittagspause vorschreibt: Raufmännische Betriebe, gleich­viel welcher Art, sowie offene Verkaufsstellen müssen während der Zeit von 8 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein, und dürfen Handlungsgehilfen, Lehrlinge und Arbeiter innerhalb dieses Zeitraums überhaupt nicht beschäftigt werden. Handlungsgehilfen und Lehrlinge unter 18 Jahren dürfen nach 6 Uhr Abends nicht mehr beschäftigt werden. Die täg liche Beschäftigungszeit der Handlungsgehilfen und Arbeiter darf 12 Stunden, die der Handlungsgehilfen und Lehrlinge unter 18 Jahren 9 Stunden, einschließlich der Pausen( siehe Absatz 3), nicht über­schreiten. Allen Handlungsgehilfen, Lehrlingen und Arbeitern, auch den in Hausgemeinschaft mit dem Prinzipal lebenden, ist eine Mittagspause von zwei Stunden, sowie je eine Viertelstunde Früh­stücks- und Nachmittagspause zu gewähren."§ 139g, nach welchem es in dem Belieben des Bundesraths steht, Vorschriften zum Zwecke der Durchführung des§ 62 des Handelsgesetzbuchs zu erlassen, sollte nach der Resolution dahin umgestaltet werden, daß der Bundesrath verpflichtet wird, diese Vorschriften gleichzeitig mit dem Inkraft­treten dieses Gesetzes zu erlassen und sie auch auf den Abs. 2,§ 62

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des Handelsgesetzbuchs auszudehnen." Wie stellte sich nun der Vor­stand des Hilfsvereins" zu dieser Resolution, die doch sicherlich ebenso gerechtfertigte als bescheidene Forderungen aufstellt? Herr Dr. Silbermann meinte: Der Vorstand des Hilfsvereins" bedürfe überhaupt keiner Vorschläge. Er habe stets die Interessen der Mit­glieder vertreten, und nur seiner eifrigen Agitation sei es zu ver­danken, daß ein Gesetz wie die gegenwärtige Novelle überhaupt das Licht der Welt erblickt habe. Außerdem sei es ja ganz unmöglich, diese Resolution anzunehmen, weil sie schon von einem anderen Ver­ein angenommen worden sei. Wenn der Vorstand die Resolution an­nähme, so würde man ihm dann wieder in öffentlichen Versammlungen Vorwürfe machen, daß er anderen Vereinen nachgeahmt habe. Kollegin Haase belehrte Herrn Rechtsanwalt Dr. Silbermann darüber, daß nicht der Hilfsverein", sondern vor Allem die Erhebungen der Kommission für Arbeiterstatistik" die Mißstände im Handelsgewerbe aufgedeckt haben. Sie erklärte ferner, der Vorstand des Hilfsvereins" würde sich den Dank aller deutschen Gehilfen und Gehilfinnen er­werben, wenn er den Muth besäße, auch einmal Forderungen zum Schutze der Ausgebeuteten zu stellen. Vorwürfe in öffentlichen Ver­sammlungen habe der Vorstand nie zu befürchten, wenn er dem Guten zustimme, das von anderen Vereinen angestrebt wird! Herr Julius Meyer versicherte, daß der Vorstand gewillt sei, die gemachten Vorschläge in ähnlicher Form aufzugreifen. Da seiner Ansicht nach jedoch schon genug darüber gesprochen worden war, so bean­trage er Schluß der Diskussion. Die Auseinandersetzungen hatten 1/4 Stunde gedauert, und die Herren vom Vorstand waren sehr in die Enge getrieben, so daß sie sicherlich genug" von der Diskussion hatten. Die Abstimmung ergab 8 Stimmen für die Resolution Haase, d. h. fast ein Drittel der Versammelten stimmten ihr zu. Es bleibt nun abzuwarten, zu welchen Forderungen" der in Bittgängen er fahrene Hilfsverein" sich aufschwingt. Nach der Haltung des Vor­standes in der betreffenden Versammlung dürfen die Erwartungen nicht allzu hochgespannte sein. Eine Leitung, die vor Allem bemüht ist, in der Organisation die Harmonie zwischen den Herren Chefs" und den Angestellten zu fördern, kann sich sicherlich nicht dazu ent­schließen, kraftvoll für umfassenden und wirksamen Schutz der Aus­gebeuteten im Handelsgewerbe einzutreten. Das Aufgreifen der Vor­schläge des Zentralverbandes" in ähnlicher Form" wird sich wahr­scheinlich seitens des Hilfsvereins" darauf beschränken, für Maß­regeln zu petitioniren, welche der kapitalistischen   Ausbeutung der Handelsangestellten den Pelz waschen, ohne ihn naß zu machen.

J. B.

Der allgemeine Arbeiter- und Arbeiterinnenverein Berlins  und Umgegend hatte 1898 eine Gesammteinnahme von 60,80 Mt., eine Ausgabe von 8 Mt. Es fanden 11 Mitgliederversammlungen und 20 Vorstandssitzungen statt. Der Verein hat eine eigene Biblio­thek und eine Rechtsschutzkommission. Die Organisation wird geleitet von den Genossen Weiße, Haupt und der Genossin Frau Keller.

Der Verein der Arbeiter und Arbeiterinnen der Wäsche­und Kravattenbrauche in Berlin   unterließ in seinem Jahresbericht leider ebenfalls die Angabe der Mitgliederzahl. Die Jahreseinnahme für 1898 betrug 1706,93 Mt., die Ausgaben stellten sich auf 1146,45 Mt. Der Verein wies am Jahresschluß einen Kassenbestand von 1067,23 Mt. auf( inklusive Vermögen). Die Organisation hat eine eigene Bibliothek und einen Arbeitsnachweis, der sich Landwehrstraße 1, Ecke der Gollnowstraße, befindet. Vorsitzende des Vereins sind Genosse Trinks und Genossin Frl. Langerbach.

Die Zahl der organisirten Textilarbeiterinnen der Pro­ vinz Brandenburg   betrug am Schlusse des letzten Jahres 278, wie auf der Konferenz der einschlägigen Arbeiter berichtet wurde, die zu Ostern in Berlin   tagte. Nach der Erhebung der Agitations­kommission wurden 1898 in der Provinz in 1526 Hausbetrieben und 809 Großbetrieben 12858 Arbeiterinnen beschäftigt, von denen mithin nur rund 2,16 Prozent der Gewerkschaft angehörten. Die Zahl der erwachsenen Arbeiter der nämlichen Betriebe betrug 18291, von denen 2794 organisirt waren, also rund 15,16 Prozent. Diese Zahlen zeigen eindringlich die geradezu erschreckende Rückständigkeit, welche die Textilarbeiterinnen der Provinz Brandenburg   der Gewerkschafts­bewegung gegenüber bethätigen. Was Wunders da, daß die Arbei­terinnen sich mit wahren Hungerlöhnen begnügen müssen.

Die Zahl der organisirten Arbeiterinnen in Buchbinde­reien und verwandten Geschäftszweigen betrug im Winterhalbjahr 1897/98 nach einer vom Vorstand des Verbandes aufgenommenen Statistik 1452. Laut der Berufs- und Gewerbezählung von 1895 waren in Buchbindereien und verwandten Erwerbszweigen 14763 Ar­beiterinnen beschäftigt. Aus den vorliegenden Zahlen ergiebt sich, daß 9,8 Prozent der weiblichen Arbeiter im Buchbindergewerbe 2c. 1898 organisirt waren. In Wirklichkeit ist jedoch der Antheil ein