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eigenthümliche Vorzüge sind allerdings nur bei einer richtigen Schätzung der Seelenvermögen überhaupt zu erkennen, und sie würden bei einer Ignorirung des Unterschieds verloren gehen zum Echaden der Frau und der menschlichen Gesellschaft. 4. Bei dem vorhandenen 4. Bei dem vorhandenen Ueberschuß der weiblichen Bevölkerung über die männliche machen sich die Umwälzungen im wirthschaftlichen Leben ganz besonders fühlbar auf dem Arbeitsgebiet der Frau, welches eine zum Theil ganz neue Gestaltung anzunehmen genöthigt ist. Die Frauen der niederen Stände werden mit Arbeit überlastet und bedürfen des Schutzes der Gesellschaft, die Frauen der höheren Stände bedürfen der Eröffnung neuer Erwerbsgebiete. 5. Deshalb ist, neben einer Reaktion gegen das der ganzen Zeit eigene ungesunde Drängen in höhere Berufsklassen, zur Befriedigung des thatsächlichen Bedürfnisses eine Aenderung in der Mädchenbildung anzustreben: a) durch Fortbildung der Töchter der handarbeitenden Klassen zur besseren Vorbereitung auf den häuslichen Beruf; b) durch gewerbliche Mittelschulen für Töchter; c) durch Ermöglichung einer besseren Vorbildung derjenigen Mädchen, welche sich dem ärztlichen Beruf widmen wollen oder dem höheren Lehrfach.- 6) Bei allen Veränderungen ist den Anforderungen der weiblichen Natur Rechnung zu tragen im Bildungswesen vermöge einer durchgehenden Sonderung aller höheren Lehranstalten von denen für die männliche Jugend im Beruf durch möglichste Fernhaltung von dem Parteitreiben des öffentlichen Lebens.- 7. Positiv hat die deutsche christliche Frauenwelt weitgehende Vereinigungen anzustreben: a) zur Hebung der Geschlechtsgenossinnen in jedem Stande auf christlicher Grundlage; b) zum Schutze der Schutzbedürftigen, wozu auch das Eindringen der Frau in die Aemter der Armenpflege, des Fabrikinspektorats und dergleichen zu verlangen ist; c) zum Kampfe gegen alle Schädigungen des Familienlebens, auch durch Pflanzung eines einfachen und wahrhaft weiblichen Sinnes." Diese Leitsätze zeigen flärlich, daß die schwächlichen Keime des Verständnisses für die Frauenfrage im Sumpfe protestantischer Orthodoxie und philisterhafter Vorurtheile ersticken. Die Debatten hielten sich auf dem niedrigen Niveau des Referats. Dem Inhalt und der Form nach hätte man sie zum Theil für Sonntags- Nachmittags- Predigten halten fönnen, aber nicht für Erörterungen über eine Seite der sozialen Frage. So schloß z. B. Stöcker seine salbungsvollen Ausführungen mit der grotesken Mahnung:„ Gott verhüte, daß die Frauenfrage von Kräften bearbeitet und gelöst werde, die nicht glauben an Gott und unseren Heiland. Möchte diese Versammlung ein Gruß sein und ein Ruf an unsere christlichen Schwestern: erkennet die Dinge in ihrer großen Bedeutsamkeit für den Haushalt der ganzen Menschheit und setzt Eure ganze Kraft an die Lösung der wichtigen Frage." Ein Arzt, Dr. Vogel, erklärte sich gegen das medizinische Studium der Frauen. Die Freigabe des ärztlichen Berufs für das weibliche Geschlecht, so meinte er, werde eine große Noth des ärztlichen Standes, zumal in der Stadt, nach sich ziehen. Ferner seien die Folgen in Betracht zu ziehen, wenn weibliche Aerzte sittlich nicht intakt wären. Sittlich nicht intakte weibliche Aerzte seien eine größere Gefahr als sittlich nicht intakte Männer. Eine weibliche Stimme beantwortete diese ebenso dumme als unverschämte Behauptung des christlichen Doktors durch den Zuruf: Unerhört!" Die Versammlung stimmte den Thesen des Referenten zu, sowie den folgenden Zusäßen Stöckers: „ Das Wort der Schrift: die Frau schweige in der Gemeinde, versagt der Frau ausschließlich die Verkündigung des Wortes, das öffentliche Gebet und die Austheilung der Sakramente im Gottesdienst der Gemeinde. Dagegen sagt es nichts über die Grenzen aus, innerhalb deren die Frau sich am öffentlichen Leben betheiligen darf. Die von der Schrift geforderte Unterordnung des Weibes unter den Mann gilt nur von dem ehelichen Verhältniß, in welchem die von dem Manne nach dem Vorbild Christi geforderte Liebe die nothwendige Ergänzung dazu bildet. Dagegen ist durch jenes Gebot der Unterordnung der Wettbewerb des Weibes mit dem Manne im Ringen nach einem Lebensberuf nach keiner Seite hin ausgeschlossen." Die unentwegt Evangelischen, die sich um den„ neuen Luther" gruppiren, haben früher jede Frauenbewegung im Namen der„ gött lichen Ordnung" stritte abgelehnt. Daß sie in den letzten Jahren die Frauenfrage zu erörtern beginnen, ist ein deutliches Anzeichen dafür, wie unaushaltsam und schnell die wirthschaftliche Entwicklung die bürgerliche Familie umwälzt und mit den Verhältnissen die Ideen. Es ist nur natürlich, daß die Frommen und Stillen" im Lande sich zunächst auf ihre Weise mit der Frage abzufinden suchen. An Stelle der vorurtheilslosen geschichtlichen Untersuchung und Erörterung tritt überwuchernd die theologische Deklamation. Kleine Konzessionen an die Forderungen der Frauen paaren sich mit groben Vorurtheilen und mit pastoralen Beschwörungen. Trotzdem verdient es Beachtung, daß auch in den betreffenden Kreisen sich ein Umschwung in der Stellung zur Frauenfrage zu vollziehen beginnt. Und zwar nicht
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blos aus dem bereits angeführten Grunde, sondern noch in anderer Hinsicht. Je breitere Schichten bürgerlicher Frauen in Bewegung gerathen, verschiedene wirthschaftliche Interessen, verschiedene politische und religiöse Ueberzeugungen vertreten, um so rascher stirbt das alte frauenrechtlerische Märchen von der einen, ungetheilten Frauenbewegung.
Die Zulassung der Frauen zur Advokatur in Italien be= fürwortete kürzlich in der Kammer der Abgeordnete Socci. Vor etlichen Jahren forderte Frau Poet, welche die Rechtswissenschaften studirt und ihre Examina bestanden hatte, von dem Appellationsgericht zu Turin das Recht, zur Advokatur zugelassen zu werden. Der Gerichtshof wies ihre Forderung ab, und seine Entscheidung war in späteren Fällen maßgebend, sie hat fast Gesetzeskraft erlangt. Der Abgeordnete Socci forderte deshalb die Regierung auf, durch ein Gesetz den Frauen das Recht auf Ausübung der Advokatur zuzuerkennen. Der Minister erklärte, sich nicht darüber äußern zu können, ob es angebracht sei, die Frauen zur Advokatur zuzulassen. Er persönlich zieht vor, daß die Frau zu Hause bleibe, den Mann durch ihre Reize erfreue und tröste und die Kinder erziehe!" Mit dieser Aeußerung flacher Spießbürgerei war die so wichtige Frage für die italienischen Gesetzgeber erledigt.
Die Gehaltsverhältnisse der Postbeamtinnen in Schweden will ein Gesetzentwurf verschlechtern, der dem Storthing vorliegt. Die Vorlage ist eine um so schreiendere Ungerechtigkeit, als die weiblichen Postbeamten sich durchaus bewährt haben.
400 finnische Frauen haben sich an der Sammlung von Unterschriften für die große Petition betheiligt, welche das finnische Volk gegen die Russifizirung des Landes an den Zaren gerichtet hat.
Der Zentralausschuß für Frauenarbeit in England ( Womens Industrial Council), über dessen Gründung und Thätigkeit wir wiederholt ausführlich berichteten, steht nach seinem letzten Vierteljahrsbericht finanziell sehr ungünstig. Die Mitglieder des Ausschusses haben es in keiner Beziehung an Eifer, Arbeit und Opferfreudigkeit fehlen lassen. Der Grund davon, daß die unter großen Hoffnungen gegründete Organisation bis jetzt feine fräftige Entwicklung nehmen konnte, liegt in den Umständen, welche in der„ Gleichheit" verschiedene Male erörtert worden sind. Die vorliegende Erfahrung beweist, wie recht die deutschen Genossinnen hatten, daß sie seinerzeit die Gründung einer ähnlichen Organisation ablehnten.
* Eine österreichische Mathematikerin, Fräulein Cäcilie Wendt, ordentliche Hörerin der Wiener Universität , hat kürzlich in einem Fachblatt eine Studie veröffentlicht, die von Kennern sehr anerkannt wird und wieder einmal die Begabung der Frau für abstrakte Wissenschaften beweist.
Daß Frauen als Mitglieder dem Senat der Universität Melbourne ( Australien ) angehören können, hat die genannte Körperschaft beim Parlament beantragt. Das neue Recht soll Frauen, die akademische Würden erlangt haben, durch ein Gesetz zuerkannt werden.
Z. Weibliche Aerzte. Die medizinische Fakultät der Züricher Universität hat dem Fräulein Klinkomstein von Lonza ( RussischPelen) auf Grund ihrer eingereichten Dissertation und abgelegter Prüfungen den Titel eines Doktors der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe verliehen.
Weibliche Aerzte im Alterthum und Mittelalter. Daß der ,, weibliche Arzt" nicht eine Erscheinung unserer modernen Zeit ist, beweist folgende dem„ New- York med. Journal" entnommene Notiz: Etwa 300 v. Chr. besuchte eine junge Athenerin Namens Agnodice als Mann verkleidet die medizinischen Schulen ihrer Vaterstadt entgegen dem damals bestehenden Verbot des Frauenstudiums und erfreute sich in der Folge eines bedeutenden Zulaufs. Als ihr Geheimniß bekannt und sie in Folge dessen wegen Gesetzesübertretung gerichtlich belangt wurde, gelang es der stürmischen Agitation ihrer Mitbürgerinnen, die Verurtheilung zu hintertreiben und eine Aufhebung des betreffenden Gesetzes durchzusetzen. Im Mittelalter erwarben eine Anzahl Frauen den Doktorgrad, hauptsächlich an den maurischen Universitäten Spaniens . Trotula von Rugiero, welche im elften Jahrhundert in Salerno praktizirte, erfreute sich eines euro päischen Ruses. Jm vierzehnten Jahrhundert besaß Dorothea Bocchi nicht nur den Doktortitel, sondern wirkte auch als Professor an der Universität Bologna . Seitdem hatten noch zwei weitere Frauen als Professoren der medizinischen Fakultät an derselben Hochschule ge= wirkt: Anna Mangolini als Anatom und Maria delle Donne als Geburtshelferin( 1799). Ediften aus den Jahren 1311 und 1352 nach zu urtheilen, scheinen auch in Frankreich weibliche Chirurgen nicht selten gewesen zu sein.
Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b..) in Stuttgart .