Nr. 12.

Die Gleichheit.

9. Jahrgang.

Zeitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 3033) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart  

Mittwoch, den 7. Juni 1899.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Inhalts- Verzeichniß.

Die Entwicklung der österreichischen Arbeiterinnenorganisation seit der Frauen­konferenz. Von Adelheid Popp  - Wien  . Zur Frage der Frauen­Zur Frage der Frauen­arbeit im Gartenbau. Von Hermann. Resolutionen des dritten Gewerkschaftskongresses. Feuilleton: Die Frauenfrage im Alterthum. Von Lily Braun  - Berlin  . VI.

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Notizentheil von Lily Braun   und Klara Zetkin  : Weibliche Fabrikinspek­toren. Sozialistische Frauenbewegung im Auslande. Frauen­stimmrecht. Frauenbewegung.

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Die Entwicklung

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Buschriften an die Redaktion der Gleichheit" find zu richten an Fr. Klara Zetkin  ( Eißner  ), Stuttgart  , Rothebühl­Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach- Straße 12.

hauptstadt Wien  , als auch in den Provinzstädten, konnten sich die Arbeiterinnenvereine nicht behaupten. Sie vegetirten langsam da­hin, ohne Leben und Kraft. Nichtsdestoweniger weckte die Frauen­konferenz in den Genossinnen wieder den Wunsch nach eigenen Bildungsvereinen. Das Komite widersetzte sich den Versuchen zur Gründung solcher Organisationen. Eine rege Korrespondenz mit den Genossinnen wurde unterhalten, um sie von ihrem Vorsatz ab= zubringen. Auch an die männlichen Vertrauenspersonen und Leiter der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen wandte sich das Komite, um durch sie auf die Genofsinnen einzuwirken. Es zeigte sich aber, daß auch viele Genossen unter Arbeiterinnenorganisationen immer noch nur selbständige Arbeiterinnenvereine verstanden und

der österreichischen Arbeiterinnenorganisation felbst für Gründung solcher eintraten. So wurde auf einer Kreis­

seit der Frauenkonferenz.

Die Frauenkonferenz, welche zu Ostern 1898 stattgefunden hat, beschloß ein Reichskomite einzuseßen, welches in allen die Ar­beiterinnenbewegung betreffenden Fragen die Initiative ergreifen soll. Die Mitglieder dieses Komites wurden zur Hälfte von der Konferenz, zur Hälfte von den Wiener   Gewerkschaften gewählt. Den Gewerk schaften war deshalb die Wahl von sechs Genossinnen überwiesen worden, weil man annahm, daß dadurch das Komite mehr Rück­halt an den Organisationen haben werde. Die Konferenz hatte sich auf einen Organisationsentwurf geeinigt, der bedingt, daß in erster Linie die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen an­gestrebt werden soll. In einzelnen Organisationen war schon früher der Versuch gemacht worden, aus den weiblichen Mitgliedern eine eigene Sektion mit einer Vorsitzenden und einer Schriftführerin zu bilden. Man hatte nämlich die Erfahrung gemacht, daß auf diese Weise den Arbeiterinnen das Festhalten an der Organisation erleichtert würde. Die Frauenfektionen halten ihre Zusammenkünfte getrennt von denen der Männer ab und schließen sie meist früh genug, um den Mitgliedern zu ermöglichen, rechtzeitig nach Hause zu kommen. Auch die Fragen, welche zur Diskussion gestellt werden, werden mit Rücksicht auf die Frauen ausgewählt. Einige männ­liche Mitglieder der Vereinsleitung wohnen stets diesen Zusammen­fünften bei, sehr oft sind sie auch die Leiter der Diskussionen. Die Frauenſektion der Gewerkschaftsorganisation hat ihre Vertretung im Ausschuß und es steht ihr auch das Recht zu, eigene Ver­sammlungen für die Arbeiterinnen abzuhalten. Dieses System der Arbeiterinnenorganisation überall zur Durchführung zu bringen, fällt in das Programm des Frauenfomites.

Das Komite hat seine Thätigkeit Ende Mai 1898 begonnen. Zur Korrespondentin und Kassirerin wurde Genossin Anna Boschek  gewählt, welche gleichzeitig Angestellte der Gewerkschaftskommission ist. Der im Juni 1898 in Linz   stattgefundene Parteitag wurde vom Reichskomite durch eine Delegirte beschickt. Ihrem Antrag entsprechend anerkannte der Parteitag die Beschlüsse der Frauen­konferenz, des Weiteren nahmen die Delegirten den Antrag an, in ihren Organisationskreisen für die Aufstellung von Frauen­agitationskomites zu wirken. Troßdem war die erste Arbeit des Romites durchaus nicht leicht.

Die Konferenz hatte sich auf den Standpunkt gestellt, besondere Arbeiterinnenvereine nur dort gut zu heißen, wo eine andere Form der Organisation vorläufig undurchführbar ist. Die Erfahrungen, welche man in Desterreich mit besonderen Arbeiterinnenvereinen gemacht hat, sind entschieden keine guten. Sowohl in der Reichs­

fonferenz in Böhmen   der Beschluß gefaßt, die Genossinnen bei der Gründung von Frauenvereinen zu unterstützen. Thatsächlich wurde in Böhmen   im Ascher Kreise ein Arbeiterinnenverein gegründet, der bereits in mehreren Orten Zweigvereine errichtet hat. Unter der sehr umsichtigen Leitung der rührigen Genossin Jobst macht der Verein ganz gute Fortschritte. Das Komite fonnte natürlich nicht mehr thun, als von der Gründung abrathen. Meine per­sönliche Meinung ist, daß, so bittere Erfahrungen mit den be­sonderen Frauenorganisationen auch schon gemacht worden sind, man es unter ganz bestimmten Verhältnissen es doch nicht tadeln und hindern kann, wenn solche Vereine ins Leben gerufen werden. Solche Verhältnisse bestehen nun thatsächlich in Asch. Die Mit­glieder des Ascher Arbeiterinnenvereins zahlen sechs Kreuzer Monats­beitrag, wie könnte man mit solchen Beiträgen eine gewerkschaftliche Organisation erhalten? Für die Aufrüttelung der Arbeiterinnen, für das Wecken ihres Klassenbewußtseins kann aber trotz der ge= ringen Beiträge ganz gut gearbeitet werden. Auf diesem Gebiet leistet nun der Ascher Arbeiterinnenverein ganz Ersprießliches. Asch ist der Sit einer sehr ausgebreiteten Textilindustrie, welche die denkbar schlechtesten Löhne zahlt und die brutalsten Fabrikanten aufweist. Die gewerkschaftliche Organisation wird von den Unter­nehmern durch Maßregelungen verhindert, den Arbeiterinnenverein dagegen, welcher unabhängige Personen an der Spize hat, kann man nicht so leicht zu Grunde richten.

Auch die Brünner Genossinnen, welche schon einmal einen Arbeiterinnenverein wegen gänzlicher Lebensunfähigkeit auflösen mußten, wollten wieder eine besondere Frauenorganisation gründen. Hier konnte das Reichskomite erfolgreich interveniren. Es sandte ferner mehrmals Referentinnen nach Graz, welche mit den dortigen Genossinnen Rücksprache nahmen und jetzt sind diese der Gruppe der Bekleidungsindustrie als Sektion beigetreten. Diese Sektion umfaßt Angehörige aller möglichen Berufe: Schneiderinnen, Modiftinnen, Heimarbeiterinnen 2c. Für die Textilarbeiterinnen besteht eine eigene Fachorganisation, doch gehören ihr leider nur sehr wenige Arbeite rinnen an.

Solche gewerkschaftliche Frauenfektionen sind seit der Kon­ferenz vierzehn gegründet worden, davon zwölf in der Provinz, zwei in Wien  . Eine sehr erfreuliche Entwicklung nimmt die Frauen­sektion in Steinschönau  . Dort dominirt ausschließlich die Glas­industrie, und bisher wurde der Organisirung der Frauen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Hochsommer vorigen Jahres hat Genossin Schlesinger dort in einigen Versammlungen gesprochen und die Beschlüsse der Frauenkonferenz erörtert. Es zeigte sich, welch guter Boden unter dieser intelligenten Arbeiterschaft auch für