wie nur möglich gestaltet werden. Deshalb wurde mit der Gewerbe­aufsicht eine Frau betraut, welche gewiß wissenschaftliche Kenntnisse besitzt, aber von der Niemand je gehört hat, daß sie sich um die Ver­hältnisse der Arbeiterinnen fümmerte und auf dem Gebiete des indu­striellen Lebens Bescheid weiß. Wie die Regierung sich die Thätigkeit der neuen Beamtin denkt, läßt sich noch nicht sagen. Man weiß nicht, ob sie selbständig Inspektionen vornehmen wird, oder ob sie den zuständigen Inspektor auf seinen Besuchen in den Fabriken und Werk­stätten begleiten soll. Möglich ist auch, daß man die Assistentin vor­läufig nur auf dem Bureau eines der sechs holländischen Fabrik­inspektoren arbeiten läßt, bis sie genügend über ihre Amtspflichten unterrichtet ist. Sehr gleichgiltig stehen die Arbeiter der Ernennung der ersten Assistentin gegenüber. Ihre Gleichgiltigkeit ist erklärlich, wenn man weiß, wie fümmerlich es in Holland   noch mit der Thätig­keit der Gewerbeinspektoren und mit der Durchführung der Arbeiter­schutzgesetzgebung steht. X. Y. Z. Amsterdam  .

Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

Der Verband der holländischen Näherinnen entfaltet eine sehr rührige Agitation. Von Amsterdam   aus hat er eine Reihe von Zweigvereinen im Lande gegründet, so u. A. in Rotterdam  , Arnheim  , Haarlem  , Dordrecht   und im Haag.

Die Wahl einer Arbeiterin zum Mitglied einer hollän­dischen Arbeiterkammer ist ein wichtiger Fortschritt, den die holländische Arbeiterinnenbewegung zu verzeichnen hat. Frau R. Vos, die Präsidentin des Näherinnen- Verbandes", wurde in die Arbeitskammer von Amsterdam  , Abtheilung Konfektions- und Wäschebetriebe, gewählt. Erst die Stichwahl entschied über den Ein­tritt der Frau Vos in die Arbeiterfammer. Der erste Wahlgang ergab kein endgiltiges Resultat, weil sehr viele der organisirten Näherinnen noch nicht 25 Jahre alt und in der Folge noch nicht wahlberechtigt sind. Die Wäscherinnen und Büglerinnen, welche der Arbeiterschaft der Konfektionsbetriebe zugezählt sind, besitzen zwar in der Mehrzahl das erforderliche Alter, um wählen zu können, sind aber sehr schlecht organisirt und halten sich deshalb meist den Wahlen fern. In der Folge dieser Verhältnisse hängt die Wahl der Kan­didaten zur Arbeiterkammer von den Arbeitern ab, ihre Haltung hat denn auch für die Wahl der Frau Vos den Ausschlag gegeben. Diese stand mit zehn anderen Kandidaten zur Stichwahl und siegte mit der zweithöchsten Stimmenzahl, nämlich mit 197 Stimmen; die höchste Stimmenzahl, die sich auf einen Kandidaten vereinigte, betrug 198. X. Y. Z. Amsterdam  .

Frauenstimmrecht.

Das Frauenwahlrecht zu den Gemeinderathswahlen in Niederösterreich   ist durch die neuerliche Reform der Gemeindeord: nung statt erweitert geschmälert worden. In den niederösterreichischen Gemeinden mit Ausnahme von Wien  , Wiener Neustadt   und Waid­ hofen an der Ybbs   besitzen die Frauen das Kommunalwahlrecht, das sie persönlich oder durch Bevollmächtigte ausüben können. Aller­dings steht nicht allen Frauen das Wahlrecht zu, sondern nur den ,, eigenberechtigten", steuerzahlenden( siehe Nr. 7 der Gleichheit"). Statt nun das Gemeindewahlrecht auf alle Gemeindeangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts auszudehnen, beseitigte der Entwurf das Frauenwahlrecht vollständig. Die Befürworter des Entwurfs zogen als Vorwand dafür an, daß gerade mit den Vollmachten, mittels welcher die Frauen ihr Wahlrecht durch Dritte ausüben ließen, der schwerste Mißbrauch getrieben worden sei. Des Weiteren tummelten sie den alten, abgetriebenen Klepper der Behauptung, daß auf poli: tischem Gebiete zwischen den Rechten der Geschlechter ein Unterschied bestehen müsse, weil die Frau ins Haus und nicht in das öffentliche Leben gehöre. Für das Wahlrecht traten die Abgeordneten Philip­powich, Ofner, Kronawetter und Kopp ein. Philippovich forderte das Wahlrecht für alle Personen, die seit mindestens einem Jahre eine direkte Steuer oder Gemeindeumlage zahlen. Kopp befürwortete, daß in dem vierten Wahlkörper, durch den der heuchlerische Schein eines allgemeinen Wahlrechts erweckt werden soll, das Wahlrecht nicht an die fünfjährige Entrichtung der Personaleinkommensteuer gebunden und auf das männliche Geschlecht beschränkt sein sollte. Er bezeichnete die betreffenden Bestimmungen des Entwurfs als eine Verhöhnung des allgemeinen Stimmrechts". Sein Antrag forderte im vierten Wahlkörper das Wahlrecht für jede Person, die mindestens ein Jahr in der Gemeinde wohnt. Der Ausschluß der Frauen vom Wahlrecht in dem vierten Wahlkörper, so führte er sehr treffend aus, sei am wenigsten gerechtfertigt, da bei der Arbeiterschaft Mann und Weib zumeist gleichgestellt sind und beide verdienen müssen. Krona­wetter betonte, daß die Frauen eine Petition eingereicht hätten, in

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der sie sich beschwerten, daß ihnen Rechte genommen werden sollen, die sie bisher besaßen. Es sei auffällig, daß man in der jetzigen Zeit, durch die ein demokratischer Zug geht, erworbene Rechte streicht, Diese Gründe fanden jedoch bei der reaktionären, antisemitischen Majorität kein Gehör. Sie verbesserte nur den Entwurf ein wenig zu Gunsten der besitzenden, unverheiratheten Frauen, denen sie das Wahlrecht in den drei ersten Wahlkörpern zuerkannte. Die neue niederösterreichische Gemeindeordnung ist eine schmachvolle Un geheuerlichkeit zur Bevorrechtung der Besitzenden und zur Entrechtung der Proletarier. Betreffs der Rechte des weiblichen Geschlechts ist sie aber der Ausdruck einer skandalösen Unlogik. In den drei ersten Wahlkörpern besitzen die Frauen das Wahlrecht, wenn sie unver­heirathet sind, sind sie verheirathet, so sind sie nicht wahlberechtigt, auch wenn sie ein selbständiges Gewerbe betreiben. In dem vierten Wahlkörper besigen aber nicht einmal die unverheiratheten Frauen das Wahlrecht, weil sie Besitzlose sind. Die vollständige Rechtlosigkeit der proletarischen Frauen ist eine um so schreiendere Ungerechtigkeit, als die österreichischen Arbeiterinnen eine größere politische Reife bethätigen als die Frauen aller anderen Bevölkerungsschichten.

Frauenbewegung.

Das Elend der Bühnenkünstlerinnen. Einen bemerkens: werthen Vortrag über: Die Bühnenkünstlerin in ihrem Verhältniß zur modernen Frauenbewegung hielt in Dresden   die Hofschauspielerin Fräulein Nina Mardon. Auch im Bühnenlebenso führte sie aus werde wie gegenüber der Lohnarbeiterschaft nach dem Grund­satz verfahren, daß der weibliche Arbeiter schlechter bezahlt werden fönne als der männliche. Die Anfangsgage bei einer Schauspielerin betrage 90 bis 150 Mt. Dieser Betrag reiche bei Weitem nicht zur Beschaffung der Kostüme. Selbst die Gage bedeutender Künstlerinnen reiche im Durchschnitt nicht zur Beschaffung der Toiletten. Es müßte dafür nicht selten in einer Woche so viel ausgegeben werden, als in einem halben Jahre verdient werde.(!) Die Beseitigung des sogenannten Kostümparagraphen der Vereinsbühnen( zu denen nur bessere Theater zählen) sei dringend nothwendig. Dieser Paragraph verpflichte die weiblichen Bühnenmitglieder, die Kostüme auf eigene Kosten anzu­schaffen, während den männlichen die historischen vom Theater ge­liefert werden. Eine Schauspielerin aber, die den Toilettenluxus nicht mitmachen könne, fäme trotz ihres Könnens nie vorwärts.(!) Die Konsequenzen dieses Kostümparagraphen bedeuten eine Sanktio­nirung des Dirnenthums. Eine Schauspielerin habe auf den Hin­weis, daß ihre Gage nicht zur Beschaffung der Toiletten aus­reiche, vom Direktor die Antwort bekommen: Ja, liebes Kind, wir haben doch zwei Kavallerieregimenter in der Stadt."(!) Eben­falls verwerflich sei der sogenannte Heirathsparagraph, der ganz tlar sage, daß sobald eine Künstlerin eine ehrbare Frau geworden, sie nicht mehr für eine bessere Bühne tauge. In der sich an die interessanten Ausführungen anschließenden Diskussion forderte die be­fannte Frauenrechtlerin Frau Stritt zur Organisation der Schau spielerinnen auf. Die von Fräulein Mardon angeführten Thatsachen seien all den findlichen Gemüthern zur Beachtung empfohlen, die mit Frau Bieber- Böhm und den Befürwortern der lex Heinze glauben, durch Gesetzesparagraphen die Unsittlichkeit aus der Welt schaffen zu können. Hebung der materiellen Lage ist auch für die Bühnen­fünstlerinnen das wirksamste Mittel, das sittliche Elend zu bekämpfen.

* Zwei Frauenkongresse waren ursprünglich für die Pariser Weltausstellung 1900 in Aussicht genommen, da die gemäßigte und die radikale Richtung der französischen   Frauenbewegung sich nicht vereinigen wollten. Den offiziellen Leitern der Kongresse ist es jetzt gelungen, eine Einigung herbeizuführen. Verschiedene Arbeiterorgani­sationen, so die Vereinigten Tabakarbeiter und Arbeiterinnen, haben bereits beschlossen, Delegirte zum Frauenkongreß zu entsenden.

Eine Frau als Direktor einer großen industriellen Ge­sellschaft. In Petersburg   wurde eine Dame zum Direktor einer großen industriellen Gesellschaft ernannt. Es ist das erste Mal, daß in Rußland   eine Frau den Posten bekleidet.

Quittung.

Für den Agitationsfonds der Genossinnen gingen bei der Unter­zeichneten ein: 10 Mt. 61 Pf. von den Chemnizer Genossinnen; 31 Mt. 50 Pf. gesammelt in Stuttgart   unter den Delegirten der Offenbacher Frauen- und Mädchen- Krankenkasse durch Genoſſin Luz; 6 Mt. von Genosse Julius durch Genossin Zetkin  . Summa 48 Mt. 11 Pf. Dankend quittirt

Frau M. Wengels  Vertrauensperson.

Berlin   0, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner  ) in Stuttgart  . Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart  .