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den Proletarierinnen fräftiger betreiben zu können. Die Referentin bedauerte, daß die Leipziger Parteigenossen dem neuen Verein nicht dieselbe Sympathie entgegenbringen, wie der aufgelösten Organi­sation, der das Recht eingeräumt wurde, zu den stattfindenden Partei­tagen eine Delegirte aus der Reihe ihrer Mitglieder vorzuschlagen, welche in der Parteiversammlung gewählt ward. Der jetzt bestehende Verein wollte von demselben Rechte Gebrauch machen und stellte in der Parteiversammlung, in welcher die Wahl der Delegirten zum Parteitag erfolgte, den Antrag, nach Hannover eine Delegirte für beide Wahlkreise zu entsenden. Obgleich ein großer Theil der Ge­nossen dieser Forderung beipflichtete, wurde der Antrag unter Lachen niedergestimmt. Die Leipziger Frauen erheben nun ent­schieden Protest gegen eine solche Haltung der Parteigenossen; sie fordern energisch ihre Gleichberechtigung, da die Genossen der Frauen als Bundesgenossinnen in den schweren wirthschaftlichen und politi­schen Kämpfen bedürfen. Diese Ausführungen der Referentin fanden allgemeine Zustimmung. Der Antrag, eine Delegirte aus der Mitte der Versammlung zu wählen, wurde als in der gegenwärtigen Situa tion nicht durchführbar, abgelehnt. Daß aber die Genossinnen ihre Rechte fünftighin energisch wahren werden, beweist das rege Interesse, mit welchem diese Frage behandelt wurde. In der fol­genden Diskussion ermahnte der Stadtverordnete Genosse Frenzel, die Schuld an den unerquicklichen Beziehungen zu den Genossen nicht einzelnen Personen beizumessen, sondern die Stärke des durch Jahr­hunderte eingewurzelten Vorurtheils zu bedenken, das nur allmälig weiche. Genossin Schönlant entschuldigte das Lachen der Partei­genossen, sie meinte, daß diese Narren sein müßten, wenn sie über die Forderung der Frauen lachten, und zu Narren wollten wir unsere Parteigenossen doch nicht stempeln. Genosse Welzel und Genosse Träger tadelten aufs Schärffte die Haltung der Partei­versammlung den Genossinnen gegenüber. Es wurde noch gerügt, daß sich die Frauen und Mädchen der Arbeiterinstitute so wenig an den Versammlungen betheiligen. Folgende Resolution gelangte ein­stimmig zur Annahme:" In Anbetracht der durch die wirthschaftlichen sowie familiären Verhältnisse bedingten Schwierigkeiten, mit welchen die proletarische Frauenbewegung zu kämpfen hat, erachten es die Genossinnen für Recht und Pflicht, daß die Genossen des 12. und 13. Wahlkreises sich mehr ihrer politischen Pflichten den Frauen gegenüber bewußt sein möchten und die Gleichberechtigung der Frauen als einen Punkt des sozialdemokratischen Programms nicht nur theo­retisch, sondern auch praktisch anerkennen." L. W.

Notizentheil.

( Don Tily Braun und Klara Betkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

Arbeiterinnen in Oesterreich . In den 11057 Betrieben, welche von den österreichischen Gewerbeinspektoren 1898 revidirt worden sind, waren auf eine Gesammtzahl von 561 941 Arbeits­fräften 156459 Arbeiterinnen beschäftigt. 137 davon waren Mädchen im Alter unter 12 Jahren, von denen 121 in der Puzindustrie be­schäftigt wurden. 218 der Arbeiterinnen standen im Alter von 12 bis 14 Jahren; Arbeiterinnen im Alter von 14 bis 16 Jahren wurden 12039 gezählt, insgesammt also 12394 findliche bezw. jugendliche Arbeitskräfte weiblichen Geschlechts. Die Zahl der Arbeiterinnen über 16 Jahre betrug 144 065. In allen inspizirten Betrieben war die Zahl der verwendeten Arbeiter größer als die der beschäftigten Arbeiterinnen, nur in den Betrieben der Textil und Bekleidungs­industrie fand das umgekehrte Verhältniß statt. Im Allgemeinen famen auf 72,2 Prozent männliche 27,8 Prozent weibliche Arbeiter; in der Textilindustrie kamen auf 54,2 Prozent Arbeiterinnen 45,8 Prozent Arbeiter; in der Bekleidungsindustrie standen 62 Prozent weibliche 38 Prozent männlichen Arbeitskräften gegenüber. Die große Zahl der kindlichen und jugendlichen Arbeiterinnen im Alter von 12 bis 16 Jahren legt die Annahme nahe, daß sich unter den über 16 Jahre alten Arbeiterinnen noch viele Tausende befinden, welche thatsächlich ebenfalls jugendliche sind, und die mit Rücksicht auf ihre noch nicht abgeschlossene körperliche Entwicklung eines besonderen Schutzes be­dürften. Ein Blick auf das große Heer kindlicher und jugendlicher Arbeiterinnen drängt den Ausruf auf die Lippen: Welch schwaches, sieches Geschlecht muß nicht von den unglückseligen Müttern ab­stammen, die noch vor dem zwölften Jahre, die in der Zeit, wo der Organismus des jungen Mädchens der Schonung und Rücksichtnahme dringend bedurfte, unter der Fuchtel der kapitalistischen Ausbeutung standen und mit dem Kinderspiel und der Jugendlust der Gesundheit

und Lebenskraft beraubt wurden! Göttliche Weltordnung nennen das die Nutznießer und Lobredner des Kapitalismus . Wir nennen es ein Verbrechen.

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Die Entwicklung der gewerkschaftlichen Arbeiterinnen­Organisation in Deutschland wird durch die folgende Tabelle veranschaulicht, welche die Zahl der weiblichen Mitglieder in Zentral­verbänden angiebt:

Verband

1. Buchbinder

Jahr

Bunahme+ ober Abnahme­seit 1892 bezw. seit Aufnahme

weiblicher

1898 Mitglieder.

1892 1893 1894 1895 1896

1897

210

213

522 1465

1444 1328

2. Bürstenmacher

591

3. Buchdruckereihilfsarbeiter

4. Bureauangestellte

5. Drechsler

6. Fabrikarbeiter

8. Glasarbeiter

----------- 88

-

-

-

583

2

+1188

-

583

2

3071+1622

64

34+ 16

12

1449 2044

7. Gold- und Silberarbeiter

83

53 227

250

210

232

147

50

28

18

1

8

4

80

141 386

581

856

399

363

332

128

85

792

222

155

149

17

9. Holzhilfsarbeiter

10. Holzarbeiter( Verband) 11. Hutmacher .

12. Handschuhmacher 13. Hafenarbeiter

14. Handlungsgehilfen 15. Konditoren 16. Korbmacher 17. Kürschner 18. Lithographen

19. Lagerhalter

20. Metallarbeiter

24. Seiler

10

-

-

-

31

45

12

14

213

52

101

364 2034

1

III

58

152 169 278 703 1582 1280 1271

605

1+ 1+++|+|||+||||++||+|++++

24

258

278

43

17

14

6

3

3

+1119

21. Blätterinnen

100

100

22. Porzellanarbeiter

23. Sattler

1

1

2

302 2

365 3

415

10

9

30

306

131

353 458

150

109 230

498 3601 94 700

788 438

307

1218 1083

933

2560 3636 2831 2831

3000

3000

30007+

440

620 510 546 666

1429

3314

1328

708

16

40

15

23

25

13

16 unveränd.

30

50

62

+

32

2008

25. Schneider 26. Schuhmacher 27. Tabatarbeiter

28. Textilarbeiter 29. Vergolder

30. Bigarrenfortirer.

31. Zentralverein für Frauen und Mädchen

Summa

49

I

-

-

4355 5384 5311 6697 15265 14644 13481

-

Anmerkungen: 1 und 2 Die Bürstenmacher und Drechsler schlossen sich 1893 mit den Tischlern zu den Verband der Holzarbeiter zusammen.- 3 Die Korbmacher schlossen sich 1896 dem Holzarbeiterverband an. 4 Die Litho graphen beschlossen eine Statutenveränderung, der zu Folge ihrem Verband weibliche Mitglieder nicht mehr angehören können.( Siehe Leitartikel in Nr. 18 der Gleichheit".) 5 Die Plätterinnen verzichteten wegen des geringen Umfangs der Zentralisation seit 1894 auf eine Angabe der Mitgliedschaft. Für 1895 konnte die Generalkommission" die Mitgliederzahl feststellen. 6 Die Seiler haben sich 1896 dem Verband der Tegtilarbeiter angeschlossen. 7 Die angegebene Zahl der organisirten Tabak­arbeiterinnen beruht auf Schäßung.. 8 Der Zentralverein für Frauen und Mädchen wurde in der Statistik ber Generaltommiffion" nicht weiter geführt, da er nur Bildungszwecke verfolgte. Mehrere der Zahlstellen der Organisation wurden wegen vor geblicher Beschäftigung mit politischen" Angelegenheiten behördlich aufgelöst, die übrigen find eingegangen. Der Verband der Kürschner figurirt seit 1894 nicht mehr in der Statistik der Generalkommission".

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Dienstbotenfrage.

Dienstbotenbewegung und Berliner Hausfrauen. Der ,, Unterstützungsverein der Dienerschaft Deutschlands " hatte für den 12. September eine Dienstbotenversammlung einberufen, welche den ,,, Gnädigen" die Harmlosigkeit der harmonieduseligen Organi­sation zu Gemüthe führen sollte, aber durch ihren Verlauf den Dienen­den recht augenscheinlich zeigte, daß zwischen ihnen und den Herr­schaften ein schneidender Interessengegensatz besteht. Die Berliner Hausfrauen und vor Allem die Mitglieder des Hausfrauenvereins der betriebsamen und wohlmeinenden" Frau Lina Morgenstern waren zu dieser Versammlung persönlich eingeladen worden. Damit feine wüste Agitation" den Charakter der Versammlung entweihen sollte, wurde nur den Inhabern von Einlaßkarten der Zutritt ge­stattet. Die Versammlung bestand etwa zu zwei Dritteln aus Dienstmädchen und ein Drittel aus Hausfrauen. Die Referenten des Abends Herr Schröder, Fräulein Schlesinger und zwei Dienstmädchen flöteten die mildesten Töne. Herr Schröder servirte die alte Behauptung, daß der Verein nicht sozialdemokratisch sei, in der alten geschmacklosen Sauce, daß die Sozialdemokratie nichts für die Dienstboten gethan habe. Trotzdem erschien er den guten Hausfrauen" als ein+++ Umstürzler, weil er sich um die Erwähnung des Hängebodens nicht herumdrücken konnte und von der geringen

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