schreiben können und mindestens drei Jahre in einem oder mehreren Betrieben thätig waren. Ehemalige Arbeiter und Arbeiterinnen sind wählbar, wen sie mindestens fünf Jahre in einem oder mehreren Betrieben thätig waren. Die Wahl der männlichen und weiblichen Arbeiterdelegirten erfolgt für drei Jahre, eine Wiederwahl ist zu­lässig. Die Arbeiterdelegirten erhalten aus der Staatskasse einen Gehalt und die entfallende Aktivitätszulage. Behuss einheitlicher Amtsführung haben die Gewerbeinspektoren mit den Arbeiterdele: girten ihres Bezirks regelmäßige Berathungen abzuhalten und hierbei die erforderlichen Anweisungen zu ertheilen. Leider ist bei dem Stocken aller gesetzgeberischen Arbeit in Desterreich wenig Aussicht, daß der sozialdemokratische Antrag bald zur Erörterung gelangt, und bei dem Charakter des österreichischen Parlaments ist die Aussicht auf seine Annahme noch weit geringer.

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Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Die Ausbeutung der Frauenarbeit in der Lederhandschuh­industrie zu Arnstadt i. Th. , einem Zentrum der deutschen Hand­schuhfabrikation, geschieht nach allen Regeln der kapitalistischen Profit­gier. In den Fabriken sind meist junge Mädchen mit Handschuh­nähen beschäftigt. Ihr Verdienst stellt sich auf 9-10 Mt. wöchentlich. Zwar kommen ausnahmsweise Wochenlöhne von 15 Mt. vor, dieselben werden jedoch nur von sehr wenigen, besonders geübten Näherinnen er­reicht, die nach Schluß der Fabritarbeit noch zu Hause schaffen. Auf der anderen Seite müssen sich Anfängerinnen sehr oft mit 3 Mt. wöchent­lich begnügen. Die meisten jungen Arbeiterinnen wohnen bei Eltern oder Verwandten, und dieser Umstand macht es möglich, daß sie bei ihrem Hungerverdienst zu existiren vermögen. Da aber die Eltern und Verwandten in der Regel blutarm sind und ebenfalls nur färg­lich verdienen, so ist trotz des Rückhalts an der Familie die Lebens­weise der unverheiratheten Arbeiterinnen eine armselige. Wenn die Handschuhnäherinnen sich verheirathen, so gerathen sie aus dem Regen der kapitalistischen Ausbeutung in der Fabrik unter die Traufe der kapitalistischen Ausbeutung in der Heimarbeit. Der human denkende" Fabrikant, welcher der jungen Frau zu einem hübschen Verdienst". verhelfen will, ohne sie ihren häuslichen Pflichten zu entreißen, geruht in seinem Wohlwollen, der Arbeiterin eine Näh­maschine in die Wohnung zu geben und Arbeit dazu. Aber das Entgegenkommen hat einen bösen Haken. Die Frauen bekommen nämlich nicht etwa, wie in der Fabrik, die Maschine unentgeltlich zur Benütung. Es herrscht vielmehr die Gepflogenheit, daß die Maschine an die Arbeiterin abgelassen wird und zwar zum vollen Anschaffungspreis, ganz gleich ob sie schon Monate oder Jahre lang in der Fabrik benutzt worden ist. Die mit der Erleichterung" beglückte Heimarbeiterin hat für eine Handschuhnähmaschine 160 Mark in wöchentlichen Raten von 3 Mark zu zahlen. Oft werden Reparaturen nöthig, noch ehe oder kaum daß die Abzahlung der Maschine beendet ist. Sind größere Reparaturen nöthig, so werden die Maschinen nach Berlin geschickt, was durch Vermittelung des Fabrikanten ge­schieht und oft bedeutende Kosten verursacht. In einem Falle mußte die Arbeiterin bereits nach Ablauf eines Jahres 30 Mark für die Reparatur ihrer Maschine ausgeben. In Arnstadt werden gute Männerlederhandschuhe fabrizirt. Für das vollständige Zusammen­nähen, Schlitz und Ziernähte nicht inbegriffen, erhält die Arbeiterin pro Dutzend Paare 2,76 Mark. Seide, Garn und Nadeln muß sie auf eigene Rechnung aus der Fabrik entnehmen. Und zwar wird für das Dutzend Handschuhe ein Döckchen Seide à 30 Pfennig und für 8 Pfennig Garn verbraucht, zusammen etwa 14 Prozent des Arbeitslohnes! Nach der genauen Berechnung in einem mir vor­gelegten Lohnbuche hat eine sehr fleißige, tüchtige Arbeiterin in 26 Wochen nach Abzug von Seide, Nadeln, Garn und den Ver­sicherungsbeiträgen im Durchschnitt wöchentlich 9,80 Mark an Lohn erhalten. Von diesem Verdienst müssen noch die Kosten für die Nähmaschine, die wie oben gezeigt ziemlich bedeutende sind, in Abzug gebracht werden, wodurch der Lohn ganz erheblich unter seine nominelle Höhe sinkt. Da der Handschuhfabrikant nicht blos durch die ange­führten Gepflogenheiten an Betriebskosten spart, sondern auch noch die Ausgaben für Erstellung, Beleuchtung und Beheizung der Ar­beitsräume, so ist offensichtlich, wie prächtig seine Profite bei der hausindustriellen Ausbeutung der Arbeiterinnen gedeihen, und wie überzeugt er dieselbe preist, als eine Grundlage für die gesell­schaftliche Ordnung und die Heiligkeit des Familienlebens. Wie es mit der Pflege des Familienlebens der heimarbeitenden Hand­schuhnäherinnen aussieht, das frage man diese selber, oder davon überzeuge man sich durch Verkehr in ihren dürftigen vier Pfählen. Im Durchschnitt verdient der Mann der Arbeiterin nicht

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mehr als 12 Mark wöchentlich, und im kinderreichen Thüringen müssen fast in jeder Familie viel hungrige Mägen gesättigt werden. Da spornt denn der niedrige Lohn, mit dem die Handschuhnäherin abgespeist wird, diese an, jede Minute Zeit dem Erwerb zu widmen. In fieberhafter Haft schuftet sie darauf los, der Wunsch, die Haus­geschäfte zu besorgen, die Kinder zu pflegen, muß in den Hintergrund treten vor dem Gebot der Noth, etliche Pfennige mehr zu verdienen. Nicht das Walten der Gattin und Mutter drückt dem Heim das Gepräge auf, vielmehr die Thätigkeit der ausgebeuteten Lohnsklavin. Ausdehnung des gesetzlichen Schutzes auf die Hausindustrie, Aus­dehnung des gesetzlichen Schutzes zu Gunsten der Arbeiterinnen und gewerkschaftliche Organisation derselben, das sind die Forderungen, welche die Arbeitsbedingungen der Arnstadter Handschuhnäherinnen recht eindringlich predigen. Es gilt für ihre Verwirklichung mit aller Kraft zu arbeiten, damit in der Gegenwart der Ordnung der kapitalistischen Ausbeutung Erfolge abgerungen werden, welche die arbeitenden Massen stärken und sie befähigen, in der Zukunft ihre volle Befreiung durch den Sturz dieser Ordnung zu gewinnen. 0. B.

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Ein Kongreß aller in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen findet in Anschluß an die General­versammlung des Verbands der Textilarbeiter am 16. und 17. April in Gößnitz S. A. statt. Bis jetzt steht auf der Tages­ordnung nur der Zehnstundentag. Bei der Rolle, welche in der Textilindustrie die Frauenarbeit spielt, sind die Verhandlungen und Beschlüsse des Kongresses zu der hochwichtigen Frage einer Arbeits­zeitverkürzung besonders bedeutsam.

Eine Konferenz der organisirten Glasarbeiterinnen des Bezirks Haida- Steinschönau( Böhmen ) sand Anfang Januar in Arnsdorf statt. Die Konferenz war aus 6 Orten mit 21 weiblichen Delegirten beschickt, es wohnte ihr außerdem der Obmann( Vorsitzende) des Verbands der Glasarbeiter bei. Wie die Konferenz von Frauen vorbereitet worden war, so leiteten auch Frauen die Verhandlungen. Nach dem erstatteten Bericht umschlossen die Frauenſektionen des Glasarbeiterverbands im Bezirk Haida- Steinschönau im Herbst des vergangenen Jahres 419 Mitglieder, gegenwärtig zählen sie deren 460. Von zwei Sektionen wurde berichtet, daß die Versammlungen regel­mäßig alle 14 Tage stattfinden und gut besucht werden. Seitens der übrigen Sektionen wurde jedoch über mangelhaften Versammlungs­besuch geklagt, so daß die Versammlungen nicht in regelmäßigen Zwischenräumen stattfinden können. Als Grund der Erscheinung nannten die Delegirten die lange Arbeitszeit der Arbeiterinnen, die durch weite Wege zur und von der Fabrik ausgedehnt wird; dazu kommen dann noch all die nöthigen häuslichen Beschäfti­gungen. In mehreren Orten wurden die Frauenfektionen des Glas­arbeiterverbands von den männlichen Gewerkschaftern und Genossen mit Rath und That unterstützt, in anderen lassen es leider sogar die Fachorganisationen der Männer an der Förderung der Bestre­bungen zur Organisirung der Arbeiterinnen fehlen. Fast allgemein war die Klage, daß es noch an Rednerinnen fehle, um eine regere Agitation betreiben zu können. Wie mannigfaltig die Aufgaben sind, welche die Organisation leisten muß, erhellt aus dem folgenden Um­stand. Der Glasarbeiterverband hat im Bezirk eine größere Zahl Ruhebänke errichten lassen, damit sich die Glasarbeiterfrauen ab und zu eine Rast gönnen fönnen, wenn sie oft mit zentnerschweren Lasten auf dem Rücken über das bergige Terrain zum Verleger und vom Verleger gehen müssen. Die Konferenz beschloß zur Förderung der Agitation unter anderem, daß jede Sektion innerhalb eines Monats eine Vertrauensperson wählen muß, deren Aufgabe es ist, regelmäßig monatlich an die Verbandsleitung und die Arbeiterinnen Zeitung" zu berichten.

Dienstbotenfrage.

Der gesetzliche Achtstundentag für die Dienstmädchen soll in Neusüdwales( Australien ) eingeführt werden. Der betreffende Gesetzentwurf ist mit bedeutender Stimmenmehrheit durch das vor­bereitende Stadium gegangen. Er bestimmt, daß weibliche Dienst­boten nicht länger als acht Stunden täglich beschäftigt werden dürfen. Bei besonderen Gelegenheiten, wie Gesellschaften, steht der Hausfrau das Recht zu, zwölfftündige Arbeit zu verlangen, jedoch nicht mehr als dreimal vierteljährlich und zwar nicht an drei aufeinanderfol­genden Tagen. Der Entwurf verbietet ferner, daß Mädchen unter 14 Jahren in Dienst genommen werden. Wir sind überzeugt, daß sich jedes Haar und jedes Härchen auf dem Haupte der vielberufenen

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