Dunst aus. Wie müssen dielebendigen Maschinen" drinnen unter gesundheitsschädigenden Einwirkungen zu leiden haben! In Dorfbach bei Wüstewaltersdorf , wo die nächste Versammlung abgehalten wurde, haben die Arbeiter in einem früheren Gasthaus einen Saal für das ganze Jahr zu Versammlungszwecken gemiethet. Zur Bestreitung des Miethzinses zahlen die Organisirten je 10 Pf. monatlich und sind nun keinem Gastwirth tributpflichtig. Die Zahl der Versammlungs- besucher betrug hier 200, unter ihnen befanden sich viele alte Mütterchen und junge Mädchen. Mit größter Aufmerksamkeit folgten Alle den Aus- führungen der Referentin, und nach Schluß der Versammlung sprachen zumal viele ältere Frauen den Wunsch aus, es möchten doch öfter Versammlungen stattfinden und Aufklärung in die Reihen der noch Unaufgeklärten tragen. Wie in all' den stattgefundenen Versamm- lungen, so meldete sich auch hier Niemand zum Eintritt in den Ver- band. Jeder stand unter dem Banne der Furcht, seine diesbezügliche Erklärung könne dem Unternehmer denunzirt werden. In dem großen, tief im Gebirge liegenden Fabrikort kommandirt das ausbeutende Kapital nicht nur über die Arbeitskraft der Armen, es beherrscht und versklavt im Bunde mit dem Pfaffenthum auch ihren Geist. Es wird noch vieler geduldiger Arbeil bedürfen, bis in jener Gegend die Arbeiterschaft die lastenden Fesseln der geistigen Unfreiheit abzuschütteln vermag. In Schweidnitz war die vom Gewerkschaftskartell ein- berufene Versammlung außerordentlich stark besucht. Im Orte sind außer in der Textilindustrie auch zahlreiche Arbeiterinnen in der Holz- industrie als Polirerinnen beschäftigt, ebenso verwendet ein großes Elektrizitätswerk vorwiegend weibliche Arbeitskräfte. Die Gewerk- schaftsbewegung blüht hier in erfreulicher Weise auf. In Breslau , wo die nächste Versammlung stattfinden sollte, wurde das bereits gemiethete Lokal in letzter Stunde vom Wirthe verweigert. Die zahl- reiche Breslauer Arbeiterschaft verfügt für ihre Versammlungen über kein sicheres Obdach und ist offenbar nicht einig genug, um sich ein Lokal zu erobern. Die Bewegung unter de» Arbeiterinnen ist an- scheinend leider ganz eingeschlafen. Auch in Landshut konnte kein Versammlungslokal aufgetrieben werden, obgleich hier und in der Umgegend in jeder Hütte die Webstühle klappern, und in Spinnereien, Webereien, Celluloidfabriken und Schuhfabriken ein Heer von Ar- beitern und Arbeiterinnen thätig ist. Schließlich wurde ein Versamm- lungslokal in Blasdorf aufgetrieben, einem Fabrikdorf zwischen Landshut und Liebau. Die Versammlung konnte nur stattfinden, weil dem Amtsvorsteher und dem Wirthe das zu behandelnde Thema als völlig unverfänglich erschienen war. Es lautete nämlich:Wodurch leidet die Gesundheit des Menschen", und die Biederen hatten nicht an den Zusammenhang gedacht, der zwischen der Gesundheit des proletarischen Menschen und ihrer Verwüstung durch die kapitalistische Ausbeutung besteht. Die Referentin ließ natürlich diesen Zusammen- hang klar hervortreten und beleuchtete eingehend die traurige wirth- schastliche Lage der arbeitenden Bevölkerung. Die Stunden weit herbei- geeilten Arbeiter und Arbeiterinnen stimmten ihren Ausführungen lebhaft zu. Die anwesenden Bauern und der Ortslehrer»ahmen keine Veranlassung, diesen Ausführungen entgegenzutreten, die ja ein durchaus wahres Bild von den jämmerlichen Verhältnissen der Arbeiterschaft jener Gegend zeichneten. Die Gewerkschaftsvertreter von Hirschberg hatten trotz eifrigster Bemühungen kein Lokal auf- treiben können, so daß die geplante Versammlung unterbleiben mußte. Eine sehr gut besuchte Versammlung in Grünberg schloß die Agi- tationstour. Die Forderungen auf besseren Schutz der Gesundheit der Arbeiterinnen fanden hier, wie in allen Versammlungen un- getheilte Zustimmung. Wenn wir hoffen dürften, daß die Zahl der für den Verband der Textilarbeiter gewonnenen Mitglieder nur einiger- maßen dem sehr starken Besuch aller stattgefundenen Versammlungen entspräche, so hätten die Reihen der Vorkämpfer für kulturwürdigere Existenzbedingungen des schlesischen Proletariats eine glänzende Ver- stärkung erhalten. kl. ll. In P e n z i g bei Görlitz fand eine Versammlung der Glasarbeiter und-Arbeiterinnen statt, in der Genossin Ihrer über das Thema sprach:Arbeiterschutz und Gewerkschaften". Ueber die Bedingungen, unter denen die Arbeiterinnen in den dortigen Glasfabriken frohnden, berichten wir an anderer Stelle. Die betreffenden Verhältnisse sprechen eindringlich dafür, wie nöthig und wichtig die Aufklärung der Ar- beiterinnen ist, und wie viel hier den Gewerkschaften zu thun bleibt, um die willenlosen Arbeiterinnen zu willensstarken Menschen zu er- ziehen, die sich selbst gegen Ausbeutung und Ungesetzlichkeit zu schützen wissen. kl. J- Das Recht der Frauen, in Anhalt an öffentlichen Ver- saminlungen politischen Charakters thrilzunehmen, ist nun end- lich anerkannt worden. Das anhaltische Vereinsgesetz bestimmt, daß Frauen und Minderjährige den Versammlungen politischer Vereine nicht beiwohnen dürfen. Seit mehreren Jahrzehnte» legte nun die Polizei des Ländchens diese Bestimmung dahin aus, daß Frauen und Minderjährigen die Betheiligung an politischen Versammlungen über- Haupt verboten sei. Sie wies die einen und anderen aus allen öffent- lichen Versammlungen aus, die behördliche Findigkeit mit vielem Fleiß und heißem Bemühen in politische umzudichten verstand. Alle Beschwerden gegen die ungesetzliche Praxis blieben erfolglos. Im vorigen Jahre nun bedachte die löbliche Polizei etliche Minderjährige, die sich dem Gebot nicht fügten, mit Strafmandaten. Diese Maßregel bot die längst erwünschte Gelegenheit zur Anrufung der Gerichte. Sämmt- liche Gerichtsinstanzen haben endgiltig und rechtskräftig entschieden, daß die Ausweisung von Frauen und Minderjährigen aus den Ver- sammlungen ungesetzlich war. Leider kann die Polizei im Lande der vollendetsten Rechtsgarantien" nicht zur Verantwortung für ihr un- gesetzliches Vorgehen gezogen werden. Immerhin ist nun in Anhalt de» Frauen die durch das Vereinsgesetz wie fast überall im öffent- lichen Leben auf eine Stufe mit den Minderjährigen gestellt, als Minderjährige behandelt werden das Recht gesichert worden, an den öffentliche» politischen Versammlungen theilzunehmen. Hoffentlich nutzen die anhaltischen Proletarierinnen das von der Sozialdemokratie erkämpfte Recht nachdrücklich aus. Die Eingabe an den Reichstag , Abschaffung der Ziffer<i 8 lttU des RcichsstrafgescNbuchs betreffend, welche im Auftrag der Berliner Genossinnen eingereicht worden ist, hat folgenden Wortlaut:' Berlin , den 5. März 1900. An den hohen Reichstag Berlin ! Im Interesse der öffentlichen Sittlichkeit wendet sich die Unter zeichnete im Auftrage zahlreicher Frauen Berlins und Umgegend an den hohen Reichstag mit dem Ersuchen, nachstehenden Passus des Reichsstrafgesetzbuchs(Z 361, Ziffer 6) zu streichen: Ätit Haft wird bestraft-- eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den, in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstands erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt." So geringfügig nehmen sich bei der ersten Lesung diese Sätze aus, daß man nicht ahnt, welche grausame Härte, welche schwere Drohung gegen die Frau darin enthalten ist. Solange aber jeder Beamte der Sittenpolizei jede Frau, die ihm verdächtig erscheint, ohne Weiteres sistiren darf, um sie dann einer schmachvollen und entwür- digenden Untersuchung unterziehen zu lassen solange es der Sitten- Polizei gestattet ist, die Stellung unter Kontrolle gegen eine weibliche Person zu verfügen, ohne daß die Betroffene das Gericht anrufen kann solange stehen die Frauen eben unter einem demüthigenden und unerträglichen Ausnahmegesetz. Die Berathung der vielberufenen lex Heinze hat wenigstens das eine Gute gewirkt, daß sie die öffent- liche Aufmerksamkeit auf dieses so sehr reformbedürftige Gebiet unserer Rechtsordnung gelenkt hat. Nicht minder haben allerlei Vorkommnisse ärgerlicher Art bei- getragen, dem Publikum die Augen zu öffnen. Allgemeine Entrüstung erregle der Hamburger Fall, in welchem eine zu Unrecht unter Kon- trolle gestellte Frau gegen die Haflstrafe wegen Nichtbefolgung der polizeilichen Vorschriften für Prostituirte Berufung eingelegt halte. Das Oberlandesgericht verwarf die Berufung, dem Buchstaben des Gesetzes gemäß. Denn die Thätigkeit des Gerichts beschränkt sich lediglich auf die Frage, ob die polizeilichen Vorschriften befolgt sind oder nicht. Ob aber die Einschreibung selbst berechtigt ist oder nicht, das geht das Gericht nichts an. So wird das geschriebene Recht zum schreienden Unrecht. Ein ganz ähnlicher Fall machte vor einigen Jahren in Berlin großes Aufsehen. Auch damals war es dem beklagenswerthen Opfer unmöglich, sich Recht zu schaffen. Darum fort mit diesem Gesetz. Wir verlangen vor Allem, daß es jeder unter Kontrolle gestellten Frau freistehe, ein gerichtliches Urtheil gegen die polizeiliche Ver- sügung anzurufen. Bei jeder kleinsten polizeilichen Geldstrafe ist ein Rekurs an den Richter zulässig; um 3 Mark werden lange Prozesse mit Eifer durchgefochten. Sollte es nicht jedes Gemüth empören, daß im Gegensatz dazu eine so harte Strafe, wie es die bürgerliche Ehrlosigkeit ist, über eine Frau durch einfache Verfügung verhängt werden kann? Die Sittenpolizei braucht für ihre Entschließungen keine Gründe anzuführen; sie braucht Einwendungen nicht zu beachten, geschweige zu widerlegen. Dieser unverantwortlichen Willkür darf die Frau nicht länger unterworfen bleiben.