kommt es dem Wirthe nicht darauf an, einige Kellnerinnen mehr ein­zustellen, seine Gewinne werden dabei größer, und es ist ja nicht seine Sache, wenn die armen Getäuschten die böse Erfahrung theuer erkaufen müssen.

Die geradezu grauenhaften Mißstände im Kellnerinnengewerbe er­weisen klar zweierlei. Wie dringend nöthig sowohl vor Allem die Organisation der Kellnerinnen wie die Ausdehnung des gesetzlichen Ar­beiterschutzes auf sie ist. Nur ein fräftiger Verband kann mit Aussicht auf Erfolg den Kampf gegen schreiende Uebel aufnehmen, welche dem Kellne­rinnenberuf anhaften, und unter denen die Mädchen schwer leiden. Der Verband kann sich Gehör verschaffen, wo die Stimme der Einzelnen hilflos verhallt, er vermag auszuhalten, wo die Einzelne sich beugen muß. Leider erschweren die Verhältnisse im Kellnerinnengewerbe die Organisation ungemein Schlimmste Hindernisse sind die lang aus­gedehnte Arbeitszeit, das Angewiesensein auf Trinkgelder, statt auf festen Lohn, und vor Allem die Gewöhnung, die Gleichgiltigkeit gegen­über den anfangs von den Mädchen tief empfundenen entwürdigen den Uebelständen, zumal gegenüber der Thatsache, daß sie für ihren Lebensunterhalt dem Zufall preisgegeben sind. Einführung einer festen Entlohnung und Beseitigung des Trinkgelderunwesens ist die wichtigste Voraussetzung für die Anbahnung gesunder Zustände im Kellnerinnengewerbe. In dieser Richtung müßte nach unserer An­sicht auch die Gesetzgebung eingreifen, die im Uebrigen die Forde rungen festzusehen hätte, welche in der mitgetheilten Resolution Staate formulirt worden sind. Gerade für die Masse der Kellnerinnen muß ausgiebiger gefeßlicher Schutz die Vorbedingungen schaffen, daß sie organisationsfähig werden, daß sie die nöthige sittliche Kraft und Bewegungsfreiheit erhalten, um sich an dem Verbandsleben betheiligen zu können. Eine aufklärende Agitation hat dafür zu wirken, daß durch die Organisation und gesetzlichen Schutz die fluchwürdigen Zu stände im Kellnerinnenberuf beseitigt werden. Die diesbezüglichen Bestrebungen mit aller Energie zu unterstützen, nachdrücklichst für bessere Arbeitsbedingungen der Kellnerinnen einzutreten, ist die Pflicht der Gastwirthsgehilfen und zugleich ein Gebot ihrer höher verstan­denen eigenen Interessen. Deshalb nicht entrüstete und kurzsichtige Redensarten über die Korruption der Kellnerinnen, vielmehr Thaten zur Hebung der wirthschaftlichen Lage und damit der Willenskraft dieser Aermsten.

Aus der Bewegung.

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Von der Organisation. Der Bildungsverein für Frauen und Mädchen zu Berlin " hielt am 26. Februar seine Generalversammlung ab. Die Vorsitzenden gaben einen Ueberblick über die Thätigkeit und Entwicklung der Organisation. Ein Jahr ist seit ihrer Gründung verflossen. In dieser Zeit wurden 20 Vor­träge gehalten, die Fragen aus den verschiedensten Gebieten behandelten. Fast nach allen Vorträgen entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Auch die Geselligkeit tam zu ihrem Rechte, zwei Ausflüge, gesellige Abende, Weihnachts und Stiftungsfest brachten die Mitglieder ein­ander näher. Die Mitgliederzahl des Vereins beträgt augenblicklich 200. Es ist dies zwar für Berlin keine bedeutende Zahl, aber man darf bei ihrer Beurtheilung die Schwierigkeiten nicht vergessen, unter denen der Verein arbeitet. Es sind ganz bestimmte Ursachen, die das schnelle Anwachsen des Vereins verhindern. Schon ein Blick auf die Schichten der Frauen und Mädchen, an welche sich der Verein wendet, läßt manche Schwierigkeiten erkennen, welche einer raschen Vermehrung des Mitgliederstands entgegenstehen. Es sind dies die Fabrikarbeite­rinnen, hausindustriellen Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, die ebenfalls für färglichen Lohn arbeiten müssen, ferner die Arbeiterfrauen, welche vor die schwere Aufgabe gestellt sind, mit winzigen Mitteln den Haushalt zu führen. Ist die Fabrikarbeiterin sich ihrer Klassenlage bewußt geworden, hat sie Interesse für öffentliche Angelegenheiten, dann wird sie in ihre Berufsorganisation eintreten. Sie findet hier neben dem Ringen nach Verbesserung des Lohnes und der Arbeits­verhältnisse auch das Streben nach geistiger Anregung und allgemeiner Bildung. Das Bedürfniß, sich einem besonderen Bildungsverein an­zuschließen, wird also bei ihr nicht sehr stark sein, auch erlauben Zeit und Geld ihr nicht, zwei Organisationen anzugehören. Die hausindustriell thätigen Frauen und Mädchen können und sollen ge= werkschaftlich organisirt sein, jedoch gehört nur ein ganz geringer Theil von ihnen den betreffenden Gewerkschaften an, gerade in Folge der jämmerlichen Arbeitsbedingungen und der Isolirtheit, in der die meisten Heimarbeiterinnen schaffen. Die nämlichen Gründe bewirken, daß die Heimarbeiterinnen sich auch von einem Bildungsverein fern­halten. Unserer Organisation steht unter ihnen ein großes, aber ungemein schwieriges Arbeitsgebiet offen. Von den Verkäuferinnen müßte eine große Anzahl unserem Bildungsverein angehören, aber der Standesdünkel erlaubt es den Damen meist nicht, sich zum

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Proletariat zu rechnen und sich mit anderen Arbeiterinnen zusammen­zuschließen. So bleibt als Hauptrekrutirungsgebiet für die Mitglied­schaft des Vereins nur die Schichte der proletarischen Hausfrauen. Auch diese müssen oft noch einem Nebenverdienst nachgehen, immer­hin sind sie jedoch vielfach durch den höheren Verdienst des Mannes etwas besser gestellt und mit der höheren Lebenshaltung wächst der Drang nach Bildung und Aufklärung. Diese Frauen sind am leich­testen für eine Bildungsorganisation zu gewinnen, und in der That besteht auch unser Verein meist aus bessergestellten proletarischen Hausfrauen. Ein Haupthinderniß für die Ausbreitung des Vereins ist die politische Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts. Weil die Frauen nicht Mitglieder politischer Vereine sein dürfen, muß mit peinlichster Sorgfalt die Behandlung jeder Frage vermieden werden, welche behördliche Weisheit in eine" politische" umdefiniren könnte. Wenn wir nicht durch Gesetzesparagraphen an Händen und Füßen gebunden wären, würden wir weit schneller in die Kreise der noch indifferenten proletarischen Frauen und Mädchen eindringen. Alle Schwierigkeiten dürfen uns jedoch nicht hindern, unsere Agitation so weit wie möglich auszudehnen und so kräftig als möglich zu führen. Selbst unter unseren Mitgliedern noch sind die Hindernisse nicht ge= nügend bekannt, die unserem Verein entgegenstehen. So beklagte sich in der Generalversammlung ein Mitglied darüber, daß die werth­vollsten Themen, wie lex Heinze, Flottenvorlage 2c., nicht behandelt würden. Ein Vortrag über das Vereinsgesetz soll den Mitgliedern in nächster Zeit zeigen, wie schmählich die Frauen im Gesetz hintenan Die Einnahmen des Vereins beliefen sich im abge= laufenen Jahre auf 311,73 Mt., die Ausgaben auf 119 Mt., so daß ein Bestand von 192,73 Mt. verblieb. Der alte Vorstand wurde wiedergewählt. Das erste Stiftungsfest des Vereins, das am 11. März gefeiert wurde, nahm einen schönen Verlauf und war außerordentlich gut besucht. Die künstlerischen Darbietungen Gesangsvorträge und Deklamationen- waren nach Inhalt, Form und Vortrag vortrefflich. Die Festrede des Genossen Manfred Wittich erhob sich weit über den Durchschnitt der üblichen Festreden, sie war eine warme Vertheidigung der Frauenrechte, eine kräftige Aufforderung zum Kampfe für die­selben. Begeisterter Jubel sprach dafür, daß die Worte des Redners gezündet hatten. Glückauf zum Wirken im neuen Vereinsjahr!

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Von der Agitation. In einer Reihe von Volks- und öffent­lichen Gewerkschaftsversammlungen sprach Genoffin Ziez- Hamburg während der ersten Hälfte des Monats März. In den Orten Moor­ burg und Ortkathen des hamburgischen Landgebiets, sowie in Eutin fanden Protestversammlungen gegen die Flottenvorlage statt, die sämmtlich gut besucht waren und in denen Protestresolutionen zur einstimmigen Annahme gelangten. Die im Punkte Verschiedenes" gemachten Ausführungen der Referentin, den Ausbau des Ar­beiterinnenschutzes betreffend, fanden ebenfalls lebhafte Zustim­mung, die sich durch treffende Zwischenrufe und einstimmige An­nahme diesbezüglicher Resolutionen fundgab. Die Gewerk­schaftsversammlungen in Schiffbeck und Ohlsdorf waren gut besucht, und zwar besonders stark von Frauen, von denen eine gute Anzahl als Mitglieder dem Fabrikarbeiterverband beitraten. Auch hier fanden die Ausführungen, den Arbeiterinnenschutz betreffend, lebhafte Zustimmung. L. Z.

Die Untersuchung weiblicher Gefangener.

Zu der Mittheilung der Hamburger Gefängnißdirektion schreibt uns Genossin Zieh:

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Mit Genugthuung habe ich Kenntniß von der Thatsache ge­nommen, daß die Veröffentlichung meiner Erfahrungen im Fuhls­bütteler Gefängniß das Gute gezeitigt hat, daß bis zu einem gewissen Grade Remedur geschaffen ist. Im Uebrigen aber pflichte ich durch­aus der Kritik, wie dem Protest bei, welche die Gleichheit" an die Zuschrift geknüpft hat. Meine Angaben haben bis auf das Tüpfelchen über dem i der Wahrheit entsprochen, sie müssen sich deshalb auch- im Gegensatz zu den Vermuthungen, welche die Redewendungen des Schreibens zu erwecken geeignet sind- voll und ganz bestätigt haben. Als Mitarbeiterin einer sozialdemokratischen Zeitung fühle ich mich doppelt verpflichtet, stets nur genau die Wahrheit zu berichten. Erstens als anständiger Mensch, der jede Unwahrheit verabscheut, und zweitens mit Rücksicht auf die sonst zu erwartende Strafverfolgung des Re­dakteurs.( Unsere Zeitungen werden doch von der Behörde offiziell gelesen.)

Noch einige Worte zu dem Vorwurf: Ueber die Untersuchung selbst hätte ich früher mit keinem Worte geklagt. Da irrt sich die Gefängnißdirektion. Ich habe mich bei der Behörde zwar nicht be­schwert, aber vorher gegen die Untersuchung protestirt. Als ich nach dem Baden mit Gefängnißwäsche versehen wurde, bat ich, meine