die dringendsten Reformen, welche im Interesse dieser Arbeiterinnenfategorien liegen. Hat der gesetzliche Schutz die Lage der betreffenden Arbeiterinnen gebessert, so fann die Organisation weiter zu ihrem Nuzzen kräftig einsetzen.
Frauenarbeit in der oberschlesischen Montanindustrie.
-ckh.
Wer den oberschlesischen Industriebezirk auch nur äußerst flüchtig kennen lernt, dem kann doch kaum die Thatsache entgehen, daß hier viel mehr als irgendwo sonst bei Arbeiten, die eigentlich Männern zukommen und meist auch von Männern verrichtet werden, Frauen und Mädchen beschäftigt sind, insbesondere die letzteren. Der oberschlesische Industriebezirk ist mehr als ein anderer ein ausgesprochener Montanindustriebezirk; Berg- und Hüttenwerke beherrschen sein Gebiet so vollständig, daß andere Industriezweige, die mit der Bergwerksund Hüttenindustrie nicht in engster Verbindung stehen, gar nicht aufkommen fönnten. Bergwerks- und Hüttenarbeit aber eignen sich bekanntlich weniger als andere Industriearbeiten für Frauen und Mädchen, für den weiblichen Organismus. Sowohl als reine Industriearbeiterinnen finden wir in Oberschlesien Mädchen und Frauen beschäftigt, als auch im Baugewerbe, im Straßenbau, in Stein- und Ralfbrüchen. Noch stärker als im eigentlichen Industriebezirk, der etwa durch Linien zwischen den Städten Gleiwig, Tarnowig, Mislowitz und Nicolai begrenzt wird, und dessen Mittelpunkt Beuthen oder Königshütte ist, ist die industrielle Frauenbeschäftigung im Ralft- und Zementrevier der Kreise Groß- Strelitz und Oppeln im Nordwesten des Montanreviers: dort sind Tausende von Frauen und Mädchen in den Kalkbrüchen sowohl als auch bei den Kalköfen und in der Zementfabrikation beschäftigt.
In früheren Jahrzehnten war die Frauenbeschäftigung in Ober schlesien noch weit bedeutender als heute. Es war um die Mitte dieses Jahrhunderts bei den oberschlesischen Berg- und Hüttenleuten einfach selbstverständlich und feiner der Berichterstatter über jene Zeit, soweit sie die Frauenbeschäftigung überhaupt für.erwähnenswerth halten, findet es auffällig daß nicht nur der Mann auf die Grube oder Hütte ging, sondern daß auch die Frau mitarbeitete und die Kinder, sobald sie das irgend konnten. In die Schule gingen die Kinder ja entweder gar nicht oder nur dann, wenn es feine Beschäftigung auf der Grube oder Hütte für sie gab. 3war existirte bereits seit dem 16. Mai 1853 ein Gesetz, nach dem Kinder von den sogenannten„ jugendlichen" Arbeitern( eigentlich sind die jugendlichen" Arbeiter im Alter von 14 bis 16 Jahren nichts als„ Kinder"!) streng zu scheiden waren; indeß war damit durchaus nicht die Kinderarbeit auf Bergwerken
Germanische Art gewährte mithin der Medizinerin freie Bahn. Es handelt sich nun um das Verschmelzen mit griechischrömischem Sein und Wesen, das der Aerztin gleichfalls durchaus geneigt war.
Beim Hereindringen germanischer Völkerschaften nach Italien erfolgte die erste derartige Berührung. Longobarden und Normannen traten die Errungenschaften des Alterthums keineswegs mit Füßen, sondern trugen im Gegentheil nach Möglichkeit zur Entwicklung derselben bei. Die Schule von Pavia gründeten Germanen.
Jenseits der Alpen lehnten sich die hervortretenden Völker zunächst wohl gegen die Zivilisation auf. Bald aber traten unter ihnen hervorragende Männer auf, denen es gelang, in entgegen geseztem Sinne die Oberhand zu gewinnen. Angelsachsen und Westgothen ließen in England und Spanien das Licht der Wissen schaft leuchten. In Frankreich wirkte weiterhin Karl der Große in gleichem Sinne. Das Vorwärtsschreiten auf solcher Bahn hörte auch unter seinen Nachfolgern nicht auf troß der zwischen Frankreich und Deutschland wüthenden Kämpfe. Zwei slavische Stämme, Tschechen und Polen , gesellten sich dann den zivilisirten Völkern bei. Schon 1190 berichtete der arabische Geograph Edrist, daß in den Städten Gnesen und Krakau die Wissenschaft in Blüthe stehe.
An solchem Regen und Bewegen nahmen die Frauen natürlich einen sehr thätigen Antheil. Einen großen Theil des Mittelalters hindurch waren sie sogar weit gebildeter als die Männer. Die Germanen meinten, der Unterricht verweichliche die Krieger.
Als Amalasvintha, Theodorichs des Großen Tochter, ihrem Sohne drei Lehrer beigab, murrten die Ostgothen." Theodorich", sagten sie ,,, schickte keinen gothischen Knaben in die Schule. Sie
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und Hütten verboten. Die Kinder wurden einfach als„ Privatgehilfen" der Eltern angesehen, und weder der Fiskus als Unternehmer noch private Bergwerfs- und Hüttenbefizer fühlten sich berufen, diese Ausbeutung der Kinder durch die Eltern einzuschränken oder zu verhindern.
Genaue Zahlenangaben für die Frauenbeschäftigung in früherer Zeit stehen uns leider nicht zu Gebote; wer achtete damals auf Dinge, die uns heute so wichtig sind! Immerhin sind die Angaben Solgers* für unseren Zweck ziemlich brauchbar.
"
Im Jahre 1858, vor etwa vierzig Jahren, waren in der oberschlesischen Montanindustrie 26 000 Männer"( ob„ Männer" über 14 oder über 16 Jahre alt, ist zweifelhaft) und 36200 Frauen und Kinder beschäftigt. Die Gesammtzahl der oberschlesischen Montanindustriearbeiter und Arbeiterinnen betrug demnach 62200. Nach der angegebenen Voraussetzung, daß in Arbeiterfamilien jeder Arbeitsfähige zur Arbeit ging, dürfen wir im Allgemeinen annehmen, daß ungefähr die Hälfte der Gesammtarbeiterschaft oder etwas weniger weiblich war. In manchen Zweigen der Industrie scheint die Frauenbeschäftigung schon damals stärker, in manchen schwächer gewesen zu sein. Das ergeben die folgenden Zahlen. Es waren 1858 beschäftigt:
im Steinkohlenbergbau
=
=
Frauen und Kinder
Männer
10 588
14 864
Galmeibergbau.
4923
7182
Eisenerzbergbau
1589
1839
=
Bleierzbergbau
572
782
auf Zinkhütten
3931
4871
=
Blei und Silberhütten. Eisenhütten.
48
129
4357 Summa 26 008
6523
36 190
=
Welcher Art im Einzelnen die Beschäftigung der weiblichen Arbeiter war, darüber finden wir keinerlei Andeutung. Daraus scheint hervorzugehen, und auch aus sonstigen Gründen ist das wahrscheinlich, daß Frauen fast überall da arbeiteten, wo Männer beschäftigt waren. Natürlich waren gewisse, besondere Kraft oder Uebung erforderliche Arbeiten seit jeher den Männern überlassen, die Häuerarbeit auf Gruben, die Puddler- und Walzerarbeit u. dergl. auf Hütten, die Bedienung der Dampfmaschinen und die handwerksmäßigen Arbeiten der Schmiede, Schlosser, Dreher u. s. w.
Die Löhne der damaligen Zeit bieten eine genügende Erflärung für die so überaus starke Frauenbeschäftigung. Die Schichtlöhne der
*
H. Solger ,„ Der Kreis Beuthen", Berlin , 1860.( Solger war föniglich preußischer Regierungsassessor.
macht ihn furchtsam und weibisch. Er bedarf nur des Säbels und der Lanze." Amalasvintha mußte sich fügen. Die Erwerbung von Kenntnissen kam nur für die Männer, welche sich dem geiſtlichen Stande widmeten, ernstlich in Frage.
Innerhalb der Frauenwelt gab's aber nicht blos gelehrte Nonnen. Aus allen Schichten der Bevölkerung nahm das weibliche Geschlecht am Unterricht Theil.
Seit dem dreizehnten Jahrhundert bestanden in Paris Schulen, in die Jeder seine Kinder für ein Geringes schicken konnte. Diese Anstalten waren in zwei Klassen, in eine für Mädchen und eine für Knaben getheilt und in größerer Zahl, als man dies im Allgemeinen anzunehmen pflegt, vorhanden. Paris hatte 1830 zwanzig Mädchen- und vierzig Knabenschulen.
Die Frauen, deren Ausbildung auf keine Hemmnisse stieß, wußten, welch wichtige Dienste sie der Menschheit durch die Behandlung Kranker und Verwundeter leisten konnten. Es ist also nicht erstaunlich, daß so viele von ihnen sich dem Studium der Medizin widmeten.
Universitäten hatte Europa im Mittelalter keineswegs in großer Zahl aufzuweisen, und nicht in jeder von diesen befand sich eine Abtheilung für das Studium der Medizin. Aerztliche Kunst und Wissenschaft wurde hauptsächlich auf dem Wege der Praris erworben. Man trat bei einem Arzte zur Ausbildung ein und studirte einige medizinische Bücher. Vor Allem aber war man auf eine möglichst weitgehende Uebung bedacht. Nach einigen Jahren erfolgte dann die Aufnahme in den Stand der selbständigen Aerzte oder Wundärzte. Ambrosius Paré zum Beispiel bildete sich auf solche Weise aus.
( Fortsetzung folgt.)