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Wie

Eine Bewegung der Altplätterinnen und Wäscherinnen von Berlin   ist durch die Initative des Vereins der Arbeite­rinnen der Wäschebranche" in die Wege geleitet worden. Sie bezweckt, den Arbeiterinnen des Gewerbes höhere Löhne, kürzere Ar­beitszeit und gesetzlichen Schutz mit staatlicher Aufsicht zu erringen und zwar durch die Kraft der Organisation und eine aufklärende Agitation. Eine von Frau Rosenstengl, der Vorsitzenden des oben genannten Vereins, einberufene öffentliche Versammlung war glänzend besucht. Kellers großer Saal war bis in den letzten Winkel dicht von Wäscherinnen und Plätterinnen besetzt, erfreulicherweise waren die jungen Arbeiterinnen in sehr großer Anzahl vertreten. Genossin Ihrer referirte über das Thema:" Wie wahren die Altplätte­rinnen und Wäscherinnen ihre Interessen gegenüber den allgemeinen Preiserhöhungen?" Mit ebenso großer Sach­fenntniß als wohlthuender Wärme zeichnete die Rednerin ein an­schauliches Bild von den harten Arbeitsbedingungen und traurigen Existenzverhältnissen der betreffenden Arbeiterinnenschichten. niedrig der Verdienst der Altwäscherinnen und Plätterinnen ist, wie ungemessen lang ihre Arbeitszeit, die oft bis spät in die Nacht hineinreicht, wie ungesund meist die Arbeitsräume, in denen sie schaffen: dafür brachte sie sehr reichhaltiges Thatsachenmaterial bei. Sie gedachte der vielen verhängnißvollen Berufskrankheiten, welche für die Arbeiterinnen des Berufs die Folge von Unterernährung, Ueberanstrengung und ungesunden Arbeitsbedingungen sind. Genossin Ihrer anerkannte, daß auch die Arbeitgeber des Gewerbes als In­haber kleiner Betriebe keine reichen Leute seien. Mit Recht hätten sie deshalb in Folge der allgemeinen Preissteigerung, insbesondere aber der gestiegenen Kohlenpreise einen höheren Tarif ausgearbeitet. Die Arbeiterinnen, die bisher die Hälfte des Betrags erhielten, der nach dem Tarif für das Wäschestück gezahlt wird, müßten nun auch ihren berechtigten Antheil an der eingeführten Steigerung der Sätze haben. Trefflich begründete Genossin Ihrer die Nothwendigkeit höherer Ent­lohnung, kürzerer Arbeitszeit und staatlicher Inspektion und hob scharf die Bedeutung hervor, welche einer materiellen Besserung der Lage der Wäscherinnen und Plätterinnen für die Pflege und Entwicklung des Geisteslebens innewohnt. Als Beweis dafür, daß auch den Ar­beiterinnen der kleinsten Betriebe gesetzliche Schutzmaßregeln und Ge­werbeaufsicht zu Gute kommen fönnen, verwies sie auf die einschlägi­gen Verhältnisse in England. Aber nicht die Einzelnen, nur die große Masse tann dauernde Reformen erkämpfen, so führte die Red­nerin weiterhin aus. Deshalb ergeht die dringende Aufforderung an die Wäscherinnen und Plätterinnen, sich der Organisation anzu schließen, die für eine Besserung ihrer Lage kämpft und deren Macht mit der Zahl der Mitglieder wächst. Der Sommer, der für die Mehrzahl der Arbeiterinnen des Berufs die Zeit flotten Geschäftsganges ist, ist einer Bewegung günstig. Das Referat klang in einem zün­denden Hinweis auf die Solidarität der gesammten Arbeiterklasse und der Bedeutung ihres Schaffens für die Kultur aus. Der sehr wirkungsvolle Vortrag wurde oft von stürmischem Beifall unter­brochen. Die Debatte brachte feine neuen Gesichtspunkte vor, aber eindringliche Zustimmung zu den Ausführungen der Genossin Ihrer Es betheiligten sich auch Inhaber von Plättstuben an der Diskussion. Mehrere von ihnen erklärten eine Bewegung der Arbeiterinnen für gerechtfertigt. Einer der Meister trat sogar mit einem Eifer für diese Bewegung ein, der verdächtig schien und die Antwort heraus­forderte, die Arbeiterinnen sollten wohl den Geschäftsinhabern die Kastanien aus dem Feuer holen. Die Versammlung wählte eine Kommission von 15 Mitgliedern, Plätterinnen und Arbeiterinnen der verwandten Berufe, welche die Forderungen der Arbeiterinnen zu­sammenzustellen hat. Das Resultat der Kommissionsarbeiten ist, wie beschlossen, am 26. Juni zur Beurtheilung und Beschlußfassung einer zweiten Versammlung vorgelegt worden, über welche zur Zeit ein Bericht noch nicht erschienen ist. Allem Anschein nach hat die in Fluß gekommene Bewegung Aussicht auf den wünschenswerthen Erfolg.

Die Behörden im Kampfe gegen die Proletarierinnen. Daß manche Vertreter behördlicher Gewalt sich nicht damit begnügen, den kämpfenden Proletarierinnen gegenüber reaktionäre Gesetzesterte reaktionär anzuwenden und auszulegen, daß sie vielmehr zur staats­retterischen Weisheit und Schneidigkeit noch kleinliche Chikanen und persönliche Flegeleien hinzufügen, dafür ein unzweideutiges Beispiel. Genossin Zieß sollte in Geschwenda   und Plaue über das Thema sprechen: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst." Die fürsorgliche Polizei erachtete wohl, daß die Erörterung des Themas den Bestand des Zauntönigthums Schwarzburg- Sondershausen   bedrohe. Sie ver­sagte die Erlaubniß zu der Versammlung wegen Gefahr für die öffentliche Sittlichkeit, Sicherheit und Ordnung." Da nicht mehr be­fannt gegeben werden konnte, daß die Versammlung nicht stattfinde, so fanden sich in dem betreffenden Lokal zu Plaue zahlreiche Besucher ein, die bei Gesang und einem Glas Bier fröhlich beisammen blieben.

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Auch Genossin Zieh war anwesend. Gegen 9% Uhr erschien nun, wie die Erfurter Tribüne" mittheilt, der Herr Bürgermeister und fragte in aufgeregtem Tone den Wirth, wo das Mensch", das " Frauenzimmer" sei, das hier habe reden wollen. Darauf wandte er sich barsch an Genossin Zieß, wer sie sei und was sie wolle, sie solle sich legitimiren, das habe ihm auf seine Anfrage der Herr Landrath soeben telegraphirt. Genossin Zieß stellte nun ihrer­seits die Gegenfrage, was er denn eigentlich sei, und wie er dazu komme, eine Legitimation zu verlangen. Noch aufgeregter als bisher erklärte nun der Herr: Sie wollen hier reden, und da ver­lange ich Legitimation, sonst verhafte ich Sie." Als einige Anwesende lachten, rief der Bürgermeister ganz außer sich: Wenn Sie lachen, löse ich die Versammlung auf. Darob stürmische Heiter­keit, da auch eine so gewichtige fluge Persönlichkeit, wie der Herr Bürgermeister zu Plaue, nicht das Kunststück fertig bringen kann, eine Versammlung aufzulösen, die gar nicht stattfindet. Der Herr Bürgermeister entfernte sich schließlich, nachdem sich Genossin Zieh um Schutz gegen seine Belästigungen an den Wirth gewandt hatte. Nicht lange darauf erschien er jedoch wieder in Begleitung des Gen­darmen und nahm mit diesem zusammen im Saale   Platz. Als Ge­noffin Ziez gegen 112 Uhr ihr Zimmer aufsuchen wollte, wurde sie an der Thür des Lokals vom Gendarmen mit der Aufforderung an­gehalten, sich zu legitimiren. Auf ihre Frage, ob denn die vielfachen Belästigungen durch einen Steckbrief gegen sie verursacht seien, wurde ihr die Antwort: das wollen wir eben sehen. Genossin Zietz wurde nun in den Vorraum des fürstlichen Standesamtes geführt und sollte in das dunkle Zimmer eintreten. Die gleiche Behandlung wie ihr wurde dem Genossen Normann zu Theil, der unter den Zigarren­arbeitern der Gegend agitirte. Die beiden Uebelthäter" protestirten gegen die Zumuthung und wurden nachdem der Bürgermeister Licht gemacht und der Gendarm sich wenig höflich benommen hatte- zwangsweise in das Standesamt zur Aufnahme ihrer Personalien geführt. Weil Sie keine schriftliche Legitimation haben, könnten wir Sie so lange verhaften, bis dieselbe eingetroffen, doch wollen wir diesmal davon Abstand nehmen", erklärte der Gendarm. Beschwerde über das Auftreten des Bürgermeisters ist eingereicht worden, wir sind auf den Bescheid darauf gespannt. Wir wissen aus Erfahrung, daß obere Behörden auch nur mit wenig gutem Willen und noch ge­ringerem Wit nachweisen können, daß das Verbot der Versammlung von rechtswegen" erfolgt ist, ja auch, daß die kleinlichen Chifa­nirungen von rechtswegen" geschahen. Aber auch mit Aufwendung alles amtlichen Hirnschmalzes fann feine Oberbehörde nur den Schein einer gesetzlichen Rechtfertigung für die rüpelhaften Ausdrücke finden, deren sich der Bürgermeister unserer Genossin gegenüber bedient hat. Sie dünken uns nicht der Ausfluß amtlichen Pflichteifers, sondern lediglich ein Beweis, daß dem Herrn Bürgermeister Knigges ,, Um­gang mit Menschen", ein Buch mit sieben Siegeln und der primitivste Anstand ein unbekanntes Etwas geblieben ist. Uns ist unbekannt, ob er vielleicht zur Entschuldigung dafür auf seinen Bildungsstand verweisen kann, sowie auf den Umgangston, der in den Kreisen der Frauen üblich ist, wo der Gestrenge" zu verkehren pflegt. Aber das Eine wissen wir: Kein Gesetz gibt ihm das Recht, eine anständige Frau in einer Weise anzuflegeln, die bei weniger Gutgesinnten", als wir es sind, den Verdacht erregen kann, der Herr habe vor seiner Er­nennung zum Bürgermeister von Plaue die Schweine gehütet; ein Verdacht, zu dem sich bei Manchen die nicht zu den Umstürzlern zählen, sondern nur zu den wohlerzogenen, bürgerlich anständigen Leuten der Wunsch gesellen mag, der Bürgermeister möchte zu einer Beschäftigung zurückkehren, für die er außerordentlich qualifizirt erscheint. Vorausgesetzt selbstverständlich, daß der Bericht zutreffend ist, der seit acht Tagen in einer großen Zahl von Tagesblätern er­schienen ist, ohne daß eine Dementirung erfolgte.

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Notizentheil.

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( Von Lily Braun   und Klara Betkin.)

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Die zweite Generalversammlung des Zentralverbandes der Handlungsgehilfen und Gehilfinnen Deutschlands   fand am 4. Juni in Dresden   statt. Sie verhandelte unter Anderem auch über die Frage des Arbeiterschutzes und der Unfall­versicherung im Handelsgewerbe. Im Anschluß an ein Referat des Reichstagsabgeordneten Genossen Rosenow nahm die General­versammlung einstimmig eine Resolution an, welche lautet:

,, Die kapitalistische Entwicklung zum Großbetrieb, die auch in den Zweigen des Handelsgewerbes dieselben Resultate gezeitigt hat