oder zu zeitigen beginnt, die sie in den übrigen Gewerben hervorrief, macht in steigendem Maße einen ausgedehnten gesetzlichen Schutz für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit der Handlungsgehilfen und-Ge­hilfinnen zur unbedingten Nothwendigkeit. Dieser Arbeiterschutz hat sich zu bewegen im Rahmen einer ausreichenden Arbeitszeitverkürzung und vollständigem Verbot der Sonntagsarbeit, der Errichtung einer Aufsichtsbehörde zur Ueberwachung der in§ 62 des Handelsgesetzbuchs festgesetzten Bestimmungen im Anschluß an die Gewerbeinspektion unter Zuziehung von Gehilfenvertretern und-Vertreterinnen und Unterstellung aller im Handelsgewerbe beschäftigten Personen unter die reichsgesetzliche Unfallversicherung bis zur Gehaltshöhe von 3000 Mart.

Ferner erwartet die Generalversammlung bei der in Aussicht stehenden Abänderung des Krankenversicherungsgesetzes eine zweck­entsprechende Ausdehnung der Versicherungspflicht auf alle Gehilfen und Gehilfinnen bis zu einer Gehaltshöhe von 3000 Mark.

Die Generalversammlung erblickt in den Bestimmungen des Artikels 8 der revidirten Gewerbeordnung keine wesentliche Ver­besserung der Lage der Gehilfen und Gehilfinnen und bedauert vor Allem die Beschränkung der Bestimmungen auf die offenen Verkaufs­stellen. Die Ausdehnung derselben auf das gesammte Handelsgeschäft ist die erste Forderung eines wirksamen Arbeiterschutzes der Hundert tausenden der Angestellten und Arbeiter im Handelsgewerbe."

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Die Resolution fordert weiter eine Abänderung des Kranken­versicherungsgesetzes, die im Sinne der von der Berliner   Mitglied­schaft ausgearbeiteten Vorschläge gehalten ist. Zum Thema tauf­männische Schiedsgerichte referirte Josephsohn Hamburg  . Er bedauerte, daß nicht seinerzeit dem sozialdemokratischen Antrag ent­sprechend die Zuständigkeit der Gewerbegerichte auch auf das Handels­gewerbe ausgedehnt worden sei. In der Folge müsse fortgesetzt der Ruf nach kaufmännischen Schiedsgerichten erhoben werden. Ohne Diskussion gelangte einstimmig eine Resolution zur Annahme, welche energisch dagegen protestirt, daß die geseßgebenden Gewalten, die entsprechende Forderung der Handlungsgehilfen und Gehilfinnen bis jetzt so wenig berücksichtigt haben. Von der Mitgliedschaft Dresden  war ein Antrag eingebracht worden, den monatlichen Beitrag der weiblichen Mitglieder auf 50 Pf. herabzusetzen. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

Am Kongreß der österreichischen Gewerkschaften und Bildungsvereine, der vom 11. bis 15. Juni in Wien   tagte, nahmen fünf Genossinnen als Delegirte Theil. Sophie Jobst vertrat die Tabatarbeiter und Arbeiterinnen von Joachimsthal  , Cilly Lippa die Wäschearbeiterinnen, Anna Boschek   die Näherinnen, Therese Schlesinger   die Handelshilfsarbeiter und Arbeiterinnen und Adel­ heid Popp   den Bildungsverein Libertas. Eine sechste Delegirte, Ge­nossin Ahne aus Steinschönau  , war leider durch Krankheit verhindert, dem Kongreß beizuwohnen. Zur Frage der sozialen Gesetzgebung griffen mehrere Genossinnen mit Geschick und Sachkenntniß in die Debatten ein. So Genossin Popp, welche die Lage der Arbeiterinnen in den staatlichen Tabakfabriken schilderte, die Nothwendigkeit um fassenden Schutzes für dieselben nachwies und die Verhältnisse in den Betriebskrankenkassen der staatlichen Tabatfabriken einer scharfen Kritik unterzog. So Genossin Lippa, welche die Unfälle in den nichtversicherungspflichtigen Wäschereien besprach und einen Antrag auf diesbezügliche Ausdehnung der Versicherungspflicht stellte, der einstimmig angenommen wurde. Zur Frage der gewerkschaftlichen Agitation und Organisation ergriffen die Genossinnen Jobst, Boschek und Schlesinger das Wort, führten treffliche Zweckmäßig­teitsrücksichten für die Gründung von Frauenfektionen an und wiesen die von einzelnen Rednern vertretene Ansicht zurück, als ob die Frauen­settionen Sonderorganisationen seien, welche zu einer Zersplitterung und Schwächung der Kräfte führten. Der Kongreß nahm zu der wichtigen Frage einstimmig folgende Resolution an:" Wo sich das Bedürfniß danach geltend macht, ist für die weiblichen Mitglieder einer Organisation eine Frauenfettion zu errichten, die die Auf­gabe hat, im Einvernehmen mit der Organisationsleitung und mit genauer Befolgung der jeweiligen Beschlüsse der Organisation die Agitation und Organisation unter den Arbeiterinnen gemäß deren besonderen Bedürfnissen zu besorgen. Der Vorstand der Organisation ist berechtigt, an allen Besprechungen theilzunehmen." In die Ge­werkschaftskommission, die ungefähr der Generalfommission der deut­schen zentralisirten Gewerkschaften entspricht, wurde als Vertreterin der Arbeiterinnen Genossin Boschek gewählt.

Die Zahl der organisirten Arbeiterinnen in Westböhmen beträgt 14.9 gegen 10 208 organisirte Arbeiter, wie auf der Kreis­konferenz zu Elbogen   kürzlich festgestellt wurde. Die größere Hälfte der organisirten Proletarierinnen gehört dem Arbeiterinnen­verein Vorwärts" in Asch an, der von Genossin Jobst vor­züglich geleitet wird. Fünf Genossinnen wohnten als Delegirte der

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Konferenz bei, der folgender Antrag vorlag: Um der Frauen bewegung im Wahlkreise mehr als bisher Aufmerksamkeit zu schenken, wählt die heutige Kreiskonferenz eine Vertreterin in die Kreisver tretung." Der Antrag wurde einstimmig angenommen, so daß nun die Genossinnen unmittelbar Antheil an der Leitung der Arbeiter­bewegung in Westböhmen theilnehmen.

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Kellnerinnenfrage.

Forderungen des Vereins Münchener Kellnerinnen", betreffend den Arbeiterschutz in Gast- und Schankwirthschaften. In seiner Mitgliederversammlung vom 25. Mai beschäftigte sich der Verein Münchener Kellnerinnen" mit den Beschlüssen, welche die Kommission für Arbeiterstatistik vom 12. bis 14. Dezember 1899 über die Regelung der Arbeitsverhältnisse im Gast- und Schankwirth­schaftsgewerbe gefaßt hat. Diese Beschlüsse wurden von wenigen Ausnahmen abgesehen für durchaus unzulänglich erklärt, und nach eingehenden Debatten stellte ihnen die Organisation folgende For­derungen entgegen: 1. Eine ununterbrochene Mindestruhezeit von zehn Stunden täglich. 2. Einen wöchentlichen 24stündigen Ruhetag, der Morgens beginnen und Morgens endigen muß. 3. Freigabe von wenigstens zwei Stunden an jedem zweiten Sonntag, um den Besuch des Gottesdienstes zu ermöglichen. 4. Festsetzung der Altersgrenze für die Zulassung junger Mädchen zur Bedienung von Gästen auf 16 Jahre. 5. Festlegung einer zweijährigen Lehrzeit( als Wasser- und Biermäd­chen), während welcher die Lehrmädchen von 10 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens nicht beschäftigt werden dürfen.( Der Verein läßt also für die Lehrmädchen einen 16stündigen Arbeitstag zu!!) 6. Ueberschreitung der täglichen Arbeitszeit an nur 30 Tagen des Jahres.( Karnevalszeit). In den Debatten würde u. A. allgemein betont, daß die von der Kommission vorgeschlagene achtstündige Ruhezeit täglich bei Weitem zu kurz sei, und daß die Kellnerinnen mit Rücksicht auf den Hin- und Herweg, das Ankleiden, die Körperpflege einer Ruhezeit von wenig stens zehn Stunden bedürften. Gegen die Forderung einer gesetzlich festgelegten Lehrzeit wurden von einer Seite Bedenken erhoben, doch vermochten diese nicht, die Ansicht der Mehrzahl der Vereinsmitglie­der zu erschüttern. Zu Gunsten der geforderten Altersgrenze und Lehrzeit wurde geltend gemacht, daß die Kellnerinnen hauswirth­schaftlich im 14. und 15. Jahre, beruflich im 16. und 17. Jahre etwas lernen sollten. Oft werde eine Kellnerin nicht geehelicht, weil sie von der Volksschule aus in die Wirthschaft gekommen sei und von der Haushaltung nichts verstehe. Gegen die Heraussetzung der Alters­grenze auf 18 Jahre, wie sie die Kommission für Arbeiterstatistik vorgesehen hat, wurde eingewendet, daß es für viele Eltern eine Härte bedeute, wenn die Tochter bis zum 18. Jahre nichts ver­dienen könne, und daß in München   die Erwerbsgelegenheit in Fabriken beschränkt sei. Wie wenig die Kommission für Arbeiterstatistik in ihren neuerlichen Berathungen und Beschlüssen den erhobenen be­scheidenen Forderungen der Münchener   Kellnerinnenorganisation und den Interessen der Kellnerinnen überhaupt Rechnung getragen hat, das erhellt aus der folgenden Notiz.

Die Beschlüsse der Kommission für Arbeiterstatistik be= züglich der Regelung der Arbeitsverhältnisse im Schank- und Gastwirthschaftsgewerbe sind eine Karikatur des bescheidensten Begriffs vom gesetzlichen Schutz der menschlichen Arbeitskraft. Nach der neuerlichen und letzten Berathung der einschlägigen Materie( am 13. Juni) lauten sie unverändert folgendermaßen:

1. In den Gast- und Schankwirthschaften ist den Hilfspersonen innerhalb je 24 Stunden eine ununterbrochene Ruhezeit von minde­stens acht Stunden und außerdem in jeder Woche in der Zeit zwischen 12 Uhr Mittags und 9 Uhr Abends eine solche von mindestens 6 Stunden zu gewähren.

In den Gegenden von mehr als 10000 Einwohnern ist den Hilfspersonen alle drei Wochen, statt der auf die betreffende Woche entfallenden sechsstündigen Ruhezeit, ein ganzer Tag frei zu geben.

In jedem Gast- und Schankwirthsbetrieb ist ein Verzeichniß zu führen, in welches spätestens nach Ablauf jeder Woche einzutragen ist, an welchem Tage bezw. Nachmittag einer jeden Hilfsperson die für die Woche vorgeschriebene Ruhezeit gewährt wurde. Das Ver­zeichniß ist auf Verlangen der Ortspolizeibehörde vorzulegen.

2. An höchstens 60 Tagen im Jahre darf eine Ueberschreitung der durch die achtstündige Ruhezeit bedingten täglichen Arbeitszeit stattfinden; jedoch muß nach beendigter Thätigkeit eine mindestens achtstündige ununterbrochene Ruhezeit gewährt werden.

In jedem Gast- und Schankwirthschaftsbetrieb ist ein Verzeichniß zu führen, in welches jede solche Ueberschreitung der Arbeitszeit spätestens am ersten Tage, nachdem sie stattgefunden hat, einzutragen ist. Das Verzeichniß ist auf Verlangen der Ortspolizeibehörde vor­zulegen.