3. Jugendliche Personen unter 16 Jahren dürfen in der Zeit von 10 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens nicht beschäftigt und weibliche Personen unter 18 Jahren, welche nicht zu den Familienangehörigen des Wirthes gehören, auch außer dieser Zeit nicht zur stän digen Bedienung der Gäste verwendet werden.
4. Als Hilfspersonen im Sinne dieser Bestimmungen gelten solche Personen, welche als Kellner, Oberfellner, Kellnerlehrlinge, als Köche, Kochlehrlinge, Köchinnen oder Mamsells beschäftigt werden; Köchinnen und Mamsells jedoch nur dann, wenn sie nach der Größe und Einrichtung des Betriebs als gewerbliche Gehilfen anzusehen sind.
Zugleich spricht die Kommission den Wunsch aus, es möge gelegentlich einer Revision der Gewerbeorduung darauf Bedacht ge= nommen werden,
daß zum mindesten an jedem Sonntag dem Personal für die Zeit von mindestens zwei Stunden Gelegenheit zum Besuch des Gottesdienstes des betreffenden Bekenntnisses zu geben sei.
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Zwar
mission dieſe letztgenannten Eingaben besonders erwähnt. sind gerade sie sozialpolitisch werthlos, weil sie der Frage lediglich vom Standpunkt der Sittlichkeitsvereinsmeierei aus näher treten und nur kleinliche chikanöse Polizeimaßregeln als Allheilmittel for= dern. Aber vor angesehenen Leuten und gar allerhöchsten" Herrschaften, die allerhöchst eine Eingabe zu geruhen belieben, muß unterthänig gefnirt werden. Zu einer Aenderung ihrer früheren Beschlüsse hat sich die Kommission in Folge der letzten Berathung nicht bewogen gefunden.
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Um die Thaten der Kommission nach Verdienst zu achten, darf man Folgendes nicht vergessen. Bereits vor zwölf Jahren, 1888, erklärte Genosse Bebel im Reichstag, die maßlose, ruinöse Ausbeutung des Arbeitspersonals in den Schank- und Gastwirthschaftsbe= trieben sei eine Schande für unsere Zeit. 1891, bei Berathung der Gefeßnovelle, versuchte die sozialdemokratische Fraktion, auch für die Gastwirthschaftsgehilfen und Gehilfinnen einen gesetzlichen Schutz ihrer Arbeitskraft zu erlangen. Der Versuch blieb erfolglos. Immerhin erklärte der damalige Sozialpolitiker der Regierung, Handelsminister v. Berlepsch:„ Diese Verhältnisse bedürfen dringend der Abhilfe, und ich würde nicht anstehen, alles zu thun, um möglichst bald zur Verbesserung dieser Mißstände beizutragen." Das verheißene Alles" und möglichst bald" der dringend nöthigen Abhilfe bestand darin, daß zwei Jahre später die Kommission für Arbeiterstatistik beauftragt wurde, Untersuchungen über die Lohn- und Arbeitsbedingungen der gastwirthschaftsgewerblichen Arbeiter anzustellen. In der Sigung vom 30. Juni bis 3. Juli 1893 stellte die Kommission den Fragebogen fertig, welcher der Untersuchung zu Grunde liegen sollte. Im Oktober und November 1893 verschickte sie an 7792 Betriebe Fragebogen, von denen 6608 bearbeitet und deren Ergebnisse in Drucksache VI zusammengestellt wurden. Im November 1894 beschloß die Kommission, eine Anzahl Wirthe-, Kellner- und Köchevereine zu hören, sowie Vorstände von Krankenkassen und das Reichsgesundheitsamt. Im Herbst 1898 man sieht, die Kommission „ eilte mit Weile" wurden eine Anzahl Wirthe, Kellner, Kellnerinnen, Mamsells, Köche und Köchinnen über die Zustände in ihrem Gewerbe vernommen, sowie über die Mittel zur Beseitigung bestehender Uebelstände. Die Kommission hatte auf Grund all dieser Maßregeln ein sehr umfangreiches Material zur Verfügung, das be
Die Kommission ist also mit ihren Beschlüssen endgiltig hinter den sehr mäßigen Forderungen zurückgeblieben, welche seiner Zeit das Reichsgesundheitsamt in einem Gutachten erhoben hat, das auf Grund des Materials von 23 befragten Krankenkassen formulirt wurde, bei denen Gastwirthschaftspersonal versichert ist. In diesem Gutachten war festgestellt worden, daß das Personal der Gast- und Schankwirthschaften eine große Zahl von Erkrankungen an Lungenschwindsucht aufweise, ferner lange Dauer der Krankheitsfälle und eine hohe Sterblichkeitsziffer im jungen Alter. Das Gutachten hatte die übliche übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit" als eine wesentliche Ursache dieser traurigen Erscheinungen bezeichnet. Es hatte deshalb für männliche Erwachsene eine Mindestruhezeit von wenigstens acht Stunden täglich, für weibliche und jugendliche Personen eine solche von wenigstens zehn Stunden befürwortet, außerdem regelmäßige Ruhetage. Es liegt auf der Hand, daß auch nur einigermaßen einsichtige Sozialpolitiker über die Postulate des Reichsgesundheitsamtes hinausgehen mußten. Dasselbe faßte ja die Regelung der Arbeitszeit für das Personal der Schank- und Gastwirthschaften lediglich vom hygienischen Standpunkt aus ins Auge. Es forderte das Mindestmaß an Ruhe und Schonung, das erforderlich ist, um dem körperlichen Verkommen einer breiten Arbeiterschicht entgegen zu wirken. Daß den Ausgebeuteten nicht blos das animalische Beweiskräftig zeigt, wie hochgradig die Ausbeutung des Arbeitsperdürfniß nach Schlaf eignet, sondern auch das menschliche Bedürfniß nach Erholung, Bildung, freundschaftlichem Verkehr, Familienleben, war bei diesen Forderungen nicht berücksichtigt worden. Den Kapitalisten des Gastw rthsgewerbes sollte eine Beschränkung der Arbeitszeit ihrer Angestellten aufgezwungen werden, gerade groß genug, daß die menschliche Arbeitsmaschine in Gang bleiben, gut funktioniren konnte und nicht allzu schnell abgenügt werden würde. Die Kommission für Arbeiterstatistik hat aber nicht einmal das nöthige Quentchen sozialpolitischer Einsicht aufgebracht, um die dürftigen Vorschläge des Reichsgesundheitsamts zu Beschlüssen zu verdichten. Durch Beschränfung der Mindestruhezeit auf acht Stunden täglich hat sie für die geschützten" Kategorien des Gastwirthschaftspersonals auch die weiblichen und jugendlichen Arbeitskräfte thatsächlich den geradezu unmenschlichen 16stündigen Normalarbeitstag santtionirt. Sie hat den regelmäßig wiederkehrenden wöchentlichen Ruhetag auf ein paar armselige Stunden beschränkt, die nur in größeren Städten in drei Wochen ein Mal zu einem ganzen Ruhetag ausgedehnt werden. Sie hat weiter ganzen Kategorien schutzbedürftigster Arbeitsfräfte jeden gesetzlichen Schutz versagt: den Hausburschen, Hausknechten und Küchenmädchen. Während die Kellnerin, Köchin und Mamsell vorausgesetzt, daß die letzteren zwei als„ gewerbliche Gehilfinnen" und nicht als„ Gesinde" angesehen werden wenigstens nach 16stündigem Abrackern sich eine kurze Stlavenrast gönnen fönnen, muß das meist halbwüchsige Küchenmädchen in dem Dunste ihrer Arbeitsstatt noch über diese Zeit hinaus sich abplagen! Wer die Raffgier mancher Restaurant- und Hotelbesitzer fennt, der muß sogar erwarten, daß die Herren sich für die Beschränkung der Ausbeutung mancher Arten von Angestellten durch höhere Auswucherung der gesetzlich nicht geschüßten Arbeitskräfte schadlos halten werden.
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Der Kommission für Arbeiterstatistik lagen bei ihrer letzten Berathung am 13. Juni Eingaben vor, die eine weitergehende Regelung der Arbeitsverhältnisse im Wirthsgewerbe forderten. So die Protokolle und Beschlüsse des Kongresses der deutschen Gastwirthsgehilfen, der im März in Berlin tagte; so die von Genossin Ihrer eingeschickte Resolution, welche in einer Kellnerinnenversammlung im Grand- Hotel zu Berlin zur Annahme gelangt ist. Des Weiteren hatte der Ausschuß der allgemeinen Sittlichkeitskonferenz wie die Erbprinzessin von Anhalt der Kommission Vorschläge unterbreitet, welche auf eine Hebung der Sittlichkeit der Kellnerinnen abzweckten. Bezeichnenderweise werden in dem Bericht der Kom
Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Bundel) in Stuttgart .
sonals im Schant- und Gastwirthsgewerbe ist, wie zahlreich die schwersten Uebel sind, unter denen dieses leidet. Nach sieben Jahren, in denen die Kommission mit nicht erheblichen Pausen vorbereitet, enquetirt und berathen hat,„ krönt" sie nun ihr Werk mit den angeführten und kritisirten sozialreformlerischen Nichtigkeiten. Wahrlich, hätte sie sich das Ziel gesetzt, die Art und Weise, wie in Deutschland Sozialpolitik von oben getrieben wird, durch ein Beispiel mehr lächerlich und verächtlich zu machen, sie hätte nichts wirksameres ausklügeln können als ihre Vorschläge. Wer sich angesichts der Sachlage darüber verwundern oder entrüsten kann, daß das deutsche Proletariat für diese Art der Sozialreformerei nur ein verächtliches Hohngelächter, die geballte Faust und den unbeugsamen Entschluß hat, durch den gewerkschaftlichen und politischen Klassenkampf eine Verbesserung seiner Lage aus eigener Kraft zu erringen; dem muß jedes Verständniß für die Logik der Thatsachen, jedes Gefühl für das Recht und die Würde der arbeitenden und ausgebeuteteten Massen abhanden ge= kommen sein.
Frauenbewegung.
Frauenstudium an der Universität Leipzig . An der Universität Leipzig tönnen jetzt Damen, die eine geeignete Vorbildung nachweisen, auf Grund besonderer Genehmigung des Kultusministeriums und mit Vorbehalt der Zustimmung der betreffenden Dozenten als Hörerinnen zum Besuch der Vorlesungen zur Benutzung der akademischen Anstalten zugelassen werden. Als geeignet vorge bildet gelten diejenigen Damen, die in einem deutschen Bundesstaat die Reifeprüfung eines Gymnasiums oder Realgymnasiums bestanden oder die Befähigung zur Uebernahme eines selbständigen Lehramts als Lehrerin erworben haben, oder, sofern es sich um das Studium der Zahnheilkunde handelt, den Nachweis der von den Studirenden dieses Faches gebildeten Vorbildung erbringen. Zulassungs gesuche sind an die Immatrikulationskommission der Universität zu richten.
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Für die Einführung des aktiven und passiver Frauenwahlrechts zu den Gewerbegerichten hat sich der stanzösische ,, Oberste Arbeitsrath" erklärt. Derselbe hatte sich mit der Frage einer Reform des Gesetzes, die Gewerbegerichte betreffend, zu be schäftigen. Für das Frauenrecht traten besonders Mme. Bonnevial und Genosse Jaurès sehr warm und nachdrücklich ein.
Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. 5.) in Stuttgart .