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erkannt und fünf Mitglieder für die Kontrollkommission ernannt hat.| Genosse Trinks verwies treffend darauf, daß nur eine starke Dr­ganisation das Mittel sei, die strikte Respektirung der errungenen Vortheile zu erzielen.

Die Behörden im Kampfe gegen die proletarischen Frauen. Gegen das Vorgehen des Bürgermeisters zu Plaue i. Th. , der Ge­nossin Zieß gegenüber gezeigt hatte, daß Jemand Gemeindeoberhaupt und dabei ein recht unerzogener Mensch sein kann, hatte diese Be­schwerde beim Landrathsamt Arnstadt eingelegt Sie erhielt darauf folgenden ablehnenden Bescheid:

Auf Ihre am 18. Juni d. J. bei mir eingegangene Beschwerde, ohne Datum, über das Verhalten des Bürgermeisters Weber und des fürstlichen Gendarmen Erdmann in Plaue Ihnen gegenüber bei Ihrer Anwesenheit daselbst am 15. Juni d. J., eröffne ich Ihnen hiermit, daß ich der Beschwerde keine weitere Folge gebe.

Zur Forderung Ihrer Legitimation war der Bürgermeister Weber als Polizeibehörde des Ortes und in seiner Unterstützung der fürstliche Gendarm Erdmann vollständig berechtigt. Denn nach § 3 des Bundesgesetzes über das Paßwesen vom 12. Oktober 1867 bleiben Bundesangehörige verpflichtet, sich auf amtliches Erfordern über ihre Person genügend auszuweisen. Daß der Bürgermeister, Weber den Ausdruck Mensch" gebraucht haben soll, bestreitet er ganz entschieden, und ich habe keine Veranlassung, Ihrer Behauptung mehr Glauben zu schenken. Er giebt aber zu, als er auf den Saal kam, den Wirth mit den Worten angesprochen zu haben: Herr Uhl­worm, ist das Frauenzimmer aus Hamburg hier, die heute Abend hier sprechen wollte?" Das Kränkende, was man in dem Ausdruck " Frauenzimmer" finden kann, erachte ich durch Ihr verletzendes Auf­treten dem Bürgermeister gegenüber für kompensirt.

In keiner Weise kann ich finden, daß der fürstliche Gendarm Erdmann Ihnen gegenüber seine Befugnisse überschritten hätte.

Ihre Sistirung will der fürstliche Gendarm Erdmann unterlassen haben, weil er wußte, daß ich in Dienstgeschäften verreist war.

Ich stelle Ihnen anheim, dem Mitunterzeichner Ihrer Beschwerde von Vorstehendem Kenntniß zu geben."

Genossin Zietz wird nun ihr Recht durch eine Beschwerde beim Ministerium suchen.

Notizentheil.

( Von Lily Braun und Klara Belkin.)

Weibliche Fabrikinspektoren.

Als Assistentin der badischen Fabrikinspektion wurde Fräu­lein Dr. Richthofen vorerst provisorisch ernannt. Fräulein Dr. Richt­hofen besitzt eine vollständig abgeschlossene wissenschaftliche Bildung und hat ihren akademischen Grad durch das Studium der Volks: wirthschaft erlangt. Sie ist die erste der in Deutschland zur Gewerbe­aufsicht herangezogenen Frauen, die zur Ausübung ihrer Amtsthätig­feit eine höhere Berufsbildung mitbringt.

Frauenstimmrecht.

Die belgischen Sozialisten und das Frauenwahlrecht. Die sozialistische Arbeiterpartei Belgiens hat beschlossen, gelegentlich ihrer Kampagne für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit aller Energie auch für das Frauenstimmrecht zu kämpfen. Die erste Anregung dazu gab Genosse Vandervelde in einer Ver sammlung, die von mehr als 3000 Personen besucht war. Ein minutenlanger Beifallssturm durchbrauste den weiten, dicht gefüllten Versammlungssaal des Maison du Peuple" zu Brüssel , als Van­dervelde erklärte, die Sozialisten müßten der Forderung des allge= meinen Wahlrechtes ihren wahren, vollständigen Sinn dadurch geben, daß sie nicht nur die politische Emanzipation des arbeitenden Mannes, sondern auch die des weiblichen Geschlechtes verlangten. In einer folgenden Sitzung des Generalrathes der sozialistischen Arbeiterpartei stellte dieser Erklärung entsprechend Genosse Vandervelde den An­trag, daß bei der Aktion der Partei für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht dieses sowohl für die Frauen wie für die Männer zu fordern und zu erkämpfen sei. Der Antrag wurde zunächst von mehreren Mitgliedern des Generalrathes bekämpft. Diese betonten nachdrücklich, daß sie im Prinzip durchaus für das Frauenwahlrecht seien, doch sprächen ihrer Ansicht nach Zweckmäßigkeitsgründe gegen seine Einführung. Die politische Schulung des weiblichen Geschlechtes sei unzulänglich, um nicht zu sagen gleich Null. Die überwältigende Mehrzahl der Frauen stünde vollständig unter dem Einfluß der katholischen Geistlichkeit und ihre Stimmen würden von dieser zu reaktionären Zwecken ausgenügt werden. Das allgemeine Stimm­

recht sei für die Sozialisten nicht Selbstzweck, nur Mittel zum Zweck, um die Verwirklichung der sozialistischen Ziele herbeizuführen. Man dürfe die Zukunft der Partei nicht preisgeben, die Herrschaft des Sozialismus nicht verzögern, indem man den Frauen eine ungeheure politische Macht verleihe, noch ehe sie die erforderliche politische Reife erlangt hätten. Es waren besonders die Abgeordneten für Brüssel, Vandervelde und Delporte, welche diesen Erwägungen entgegen­traten. Sie führten aus, daß die nämlichen Zweckmäßigkeitsgründe gegen das Frauenstimmrecht seiner Zeit von den bürgerlichen Libe­ralen gegen das Stimmrecht der Arbeiter geltend gemacht worden seien. Gewiß müsse man unter Umständen damit rechnen, daß in der ersten Zeit nach Einführung des Frauenstimmrechtes die Erfolge der Sozialisten etwas verlangsamt würden. Dafür aber würden dieselben binnen Kurzem reich entschädigt werden. Mit der wach­senden politischen Aufklärung und Schulung der Frauen werde der Sozialismus sich rascher ausbreiten, immer größere Kreise erfassen, immer glänzendere Siege erringen. Glaube man etwa, daß gegen­wärtig die Frauen ohne jeden Einfluß auf die Wahlergebnisse seien? Dann irre man sich gewaltig. Wie oft hätten nicht gerade die Sozia­listen in der Wahlzeit den starken Einfluß der Frauen unliebsam fühlen müssen. Eine unwiderstehliche Strömung der Wählermassen schien ihnen den Sieg zu sichern. Und siehe, am Wahltag triumphirte trotz Allem der klerikale Gegner. Warum das? Weil die politisch unaufgeklärte Frau ihren Einfluß auf den Mann, den Bruder, den Sohn geltend gemacht hatte. Gerade der Besitz des Wahlrechtes werde die Frauen dem Klerikalismus entreißen. Denn er zwinge die Arbeiterpartei, der politischen Aufklärung und Schulung der Frauen­massen die gleiche Sorgfalt, die gleiche Aufmerksamkeit, den gleichen Kraftaufwand zu widmen, wie der politischen Erziehung der Männer. Die Frauen würden der Belehrung nicht unzugänglicher sein als die Männer, besonders wenn die Belehrung anknüpfe an solche Fragen, die die ureigensten Interessen des weiblichen Geschlechtes berührten, wie die Frage der Prostitution, des Militarismus, der Arbeiterinnen­schutzgesetzgebung, der Schule 2c. 2c. Wie könnten gegenüber der sozialen Frage gerade die Frauen indifferent und unbelehrbar bleiben, sie, die als Arbeiterinnen, Gattinnen, Mütter, mit allen Fibern ihres Wesens noch schwerer unter der Last des sozialen Unrechtes leiden, als ihre Brüder der Frohn und des Elendes? Gerade die Frauen würden begeisterte, leidenschaftliche Bekennerinnen des Sozia­lismus werden und seine Lehren opferfreudig durch die Welt tragen, wie sie früher so viel zur Ausbreitung des Christenthums beigetragen haben. Die zündenden Ausführungen Vanderveldes und Del= portes verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Generalrath der Arbeiter­partei beschloß einstimmig, die Kampagne für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht auf die Einführung des Frauenstimm rechtes auszudehnen. Als erster praktischer Schritt zur Verwirk­lichung der beschlossenen Forderung wird die sozialistische Fraktion bei dem Wiederzusammentritt der Kammern im November einen Antrag einbringen, der das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht zu den Provinzial- und zu den Gemeinderäthen für alle Männer und Frauen fordert, welche 21 Jahre alt sind. Bei der Agitation, welche die belgischen Sozialisten für Einführung des allgemeinen Wahlrechtes führen, wird überall mit aller Energie die Forderung des Frauenstimmrechtes, ihre Begründung und ihre Bedeutung be­tont. Ein Bravo unseren belgischen Genossen für ihre grundsächlich ebenso richtige als praktisch weitausschauende Haltung.

Die jährliche Festversammlung der Frauenstimmrechts­vereine von New- England fand neulich in Boston statt. Aus den Berichten über die Thätigkeit und die Erfolge der einzelnen Or­ganisationen ging hervor, daß die Forderung des Frauenstimmrechtes in allen sechs Staaten, welche zusammen als New- England bezeichnet werden Main , New- Hampshire , Vermont , Massachusetts , Rhode­Island und Connecticut an Boden gewinnt. Bezeichnend ist es, daß ein höherer Beamter der Regierung an den Verhandlungen Theil nahm und mit warmen Worten für das Frauenwahlrecht eintrat. Den Vorsitz führte am ersten Verhandlungstag die 81 jährige Mrs. Julie Ward Howe, eine der treuesten amerikanischen Vorkämpferinnen der Frauenrechte, am zweiten Tage die Theologin Anna Garlin Spencer.

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Ueber die Erfahrungen mit dem Frauenstimmrecht in Idaho berichtet der Gouverneur dieses Staates, Frank Steunenberg , in einer amerikanischen Zeitschrift. In Idaho besitzen die Frauen das aktive und passive Wahlrecht seit 1896. Wahlen, die auf Grund der gleichen politischen Rechte für beide Bei den ersten Geschlechter stattfanden, wurden drei Frauen in die gesetzgeben­den Körperschaften und eine Frau in die Schulbehörde gewählt. Der Gouverneur betont in seinem Artikel, daß Kandidatinnen, welche unterliegen, nur ihrer Parteirichtung wegen nicht gewählt