Soziale Gesetzgebung.
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Die Bundesrathsverordnung betreffend Sitzgelegenheit für Angestellte in offenen Verkaufsstellen ist endlich am 28. November letzten Jahres erschienen. Die vorgesehenen Bestimmungen sollen erst am 1. April d. J. in Kraft treten. Dem seinerzeit mitgetheilten Entwurf entsprechend öffnet die Bundesrathsverordnung der Umgehung der dürftigen Schutzvorschriften Thür und Thor . Sie schreibt nämlich nicht vor, daß für jede der in Verkaufsstellen und Romptoiren beschäftigten Personen eine Sitzgelegenheit vorhanden sein muß. Statt dieser unzweideutigen Bestimmung fordert sie lediglich eine nach der Zahl dieser Personen ausreichende geeignete Sitzgelegenheit". Daß das dürftige Reförmchen zu Gunsten des Verfaufspersonals so spät und so lendenlahm angehumpelt kommt, darf in der Aera des Zwölftausendmarkbettels nicht verwundern.
Frauenbewegung.
Mit der Frage einer Erhöhung der Getreidezölle beschäf= tigten sich die radikalen Frauenrechtlerinnen in einer öffentlichen Versammlung zu Berlin . Das Thema:„ Die deutsche Hausfrau und der Brotwucher", wurde von dem Nationalsozialen Herrn v. Gerlach und Frl. Dr. Augspurg behandelt. Der Referent ließ natürlich die Gelegenheit nicht vorübergehen, dem neuen Reichskanzler nationalsozialen Weihrauch zu streuen. Frl. Augspurg wies nach, welches Interesse die Frauen als Hausfrauen, als Erwerbsthätige und als Bürgerinnen daran hätten, daß das Brot nicht vertheuert werde. In der Diskussion vertheidigte ein antisemitischer, agrarischer Heißsporn die Kornzölle im Interesse der deutschen Bauern" so leidenschaftlich, daß es der Vorsitzenden, Frau Cauer, nur mit Mühe gelang, die Versammlung zu einem ruhigen Abschluß zu bringen. Gegen zwei Stimmen gelangte eine Resolution zur Annahme, welche gegen die Erhöhung der Kornzölle, insbesondere aber gegen die Einführung der Doppeltarife protestirt und fordert, daß es bei dem bisherigen Zustand bleibt. Die Resolution soll dem Reichskanzler zugestellt werden. Daß die Frauenrechtlerinnen sich nicht zur Forderung zu erheben vermochten: Aufhebung der Kornzölle, das wird Niemand überraschen, der weiß, wie halb und zaghaft die Bestrebungen und Aktionen der Damen sind. Immerhin bedeutet die Versammlung einen Fortschritt. Zum ersten Male haben die Frauenrechtlerinnen in einer Volksversammlung Stellung zu einer allgemeinen politischen Frage genommen. Der Anfang zur politischen Bethätigung und zur Gewinnung politischen Einflusses ist gemacht. Möchte es nun rasch und kraftvoll vorwärts gehen.
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Gegen die höhere Mädchenschule haben sich die Berliner radikalen Frauenrechtlerinnen gleichfalls in einer öffentlichen Versammlung gewendet, die hauptsächlich von Lehrern und Lehrerinnen besucht war. Frl. Dr. Augspurg übte in ihrem Vortrag scharfe Kritik an den bestehenden höheren Mädchenschulen, die vor Allem nur gesellschaftliche Allgemeinbildung auf religiös- ethischer Grundlage geben sollen. Behufs Reform des Mädchenschulwesens forderte die Rednerin Zulassung der Frauen zu den Schuldeputationen auf Grund des geltenden Gesetzes vom Jahre 1811- Errichtung höherer Bildungsanstalten für Mädchen durch Gemeinde und Staat, Umgestaltung des Lehrprogramms 2c. Die beiden anderen Vorträge des Abends, gehalten von dem Privatdozenten Bergemann und von Frl. stud. Becker, bewegten sich in der gleichen Richtung. In der Diskussion bemängelte Frl. Hager, eine Volksschullehrerin, mit Recht, daß die Ausführungen sich nur mit der höheren Mädchenschule befaßt hätten, statt mit dem gesammten Unterrichtssystem der heutigen Schule überhaupt. Hauptforderung müsse sein: Einführung der Einheitsschule. Es gelte, eine wirkliche Voltsschule zu schaffen und nicht eine Ausnahmeschule für einzelne Klassen. Die Versammlung nahm eine Resolution an, welche erklärt, daß durchgreifende Reformen" der Mädchenschule nothwendig seien. Nämlich: Ertheilung des Unterrichts mit Ausnahme des Elementarunterrichtsdurch Fachkräfte und Unterstellung der Mädchenschule unter staatliche oder kommunale Verwaltung. Item: Die durchgreifenden Reformen" schrumpfen auf das denkbar bescheidenste Maß zusammen. Die erhobenen Forderungen sind ein sinnenfälliges Beispiel mehr dafür, wie fraftlos und konfus die Frauenrechtelei den Kampf gegen gesellschaftliche Mißstände führt.
Südafrikanische Frauen gegen die Kriegsgrenel. Wie dem ,, Vorwärts" aus Kapstadt geschrieben wurde, veranstalteten die Frauen der Kapkolonie eine großartige Demonstration gegen die mordbrennerische Kriegführung der Engländer in Südafrika , wie gegen den südafrikanischen Krieg überhaupt. Mehr als 1500 Frauen holländischer, deutscher und englischer Abstammung versammelten sich unter dem
Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Alara Bettin( 8undel) in Stuttgart .
Vorsitz der Frau Roos aus Kapstadt dortselbst und faßten folgende Beschlüsse:
Erster Beschluß. Beantragt von Frau Koopmans, unterstützt von Fräulein Molteno.
Diese Versammlung südafrikanischer Frauen erhebt in feierlicher Weise Protest gegen die Gesangennahme und Deportation schuldloser Frauen und Kinder ohne jegliche vorhergehende Untersuchungen, eine Handlungsweise, die in direktem Widerspruch mit den Gesetzen und Gebräuchen moderner Kriegsführung steht.
Zweiter Beschluß. Beantragt von Frau A. B. de Villiers, unterstützt von Frau J. W. Sauer und Frau de Beer.
Diese Versammlung erhebt in feierlicher Weise Protest gegen das Niederbrennen, Plündern und Zerstören privaten Eigenthums, wodurch Frauen und Kinder obdachlos und dem Elend preisgegeben werden. Diese Handlungsweise widerspricht der Haager Konferenz, deren Beschlüsse von England unterstützt und unterschrieben sind.
Dritter Beschluß. Beantragt von Frau A. J. Steytler, unterstützt von Fräulein van Velden und Fräulein Green.
Diese Versammlung verlangt von Neuem, daß diesem ungerechten Kriege ein Ende gesetzt werde und daß die beiden Republiken ihre unbeschränkte Unabhängigkeit behalten. Hierdurch allein kann ein bleibender Frieden in Südafrika hergestellt werden.
Vierter Beschluß. Beantragt von Frau Malan, unterstützt von Frau du Plessis.
Diese Versammlung beschließt, obige Beschlüsse möglichst weit durch die ganze zivilisirte Welt zu verbreiten.
Der Versammlung waren Sympathie- Erklärungen und Begrüßungstelegramme aus allen Theilen der Kapkolonie zugegangen.
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Wengels, Berlin , IV. Kreis, Gr. Frankfurterstr. 133 II. Mesch, Berlin , VI. Kreis, Lychenerstr. 3 v. IV. Aug. Bosse, Bremen , Kornstr. 152.
Frln. Anna Vogel, Charlottenburg , Kirchstr. 13 II.
Frau Ww. Franz Lehmann, Dresden , Ostra- Allee 19 IV, Dr.-A. Anna Grapp, Düsseldorf , Lorettostr. 11 I.
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Joh. Stamm, Elbing , Leichnamſtr. 43 a.
Louise Ziez, Hamburg , Schwabenstr. 56 IV.
W. Kähler, Hamburg - Barmbeck , Marschnerstr. 11 I.( KreisVertrauensperson für den 8. und 10. Holsteiner Wahlkreis.) Heusner, Hönnigsfeld, Hauptstr. 17, Bezirk Gelsenkirchen . E. Wissel, Kiel , Beseler Allee 66 III.
Aug. Nowogrotti, Königsberg , Unter Laat 20. Frenzel, Leipzig - Lindenau , Gundorferstr. 19.
Treptau, Memel, Friedrich Wilhelmstr. 12/13.
Lichtenberg , Ottensen , Am Felde 95 i. K.
Elisabeth Flenker, Preez i. Holst., Löbtinerstr. 18. Frida Bugdahn, Rostock , Margarethenstr. 31 II. Ewers, Wandsbeck, Georgstr. 11 III.
Minna Krause, Weißensee b. Berlin , Lehderstr. 95 III.
In den folgenden Orten ist Neuwahl bis jetzt noch nicht erfolgt,
ich gebe daher die mir bekannten Adressen der Vertrauenspersonen vom vorigen Jahre an:
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Marg. Zeise, Köln a. Rh., Perlengraben 59 IV. C. Tröger, Offenbach a. M., Gr. Marktstr. 25. Quitt, Rigdorf b. Berlin , Sobrechtstr. 82 IV. Emma Häckel, Sagan, Brüderstr. 30. Meiling, Schöneberg b. Berlin , Gothenstr. 50.
Dttilie Baader, Zentralvertrauensperson, Berlin W., Groß- Görschenstraße 38, zweiter Hof rechts, 3 Tr.
Quittung.
Für den Agitationsfonds der Genossinnen gingen bei der Unterzeichneten noch à conto des alten Rechnungsjahres ein: Von den Hamburger Genossinnen durch Genossin Kollau 20 Mt.; Ertrag zweier Tellersammlungen in Hamburg 27 Mt.; von den Bremer Genossinnen durch Genossin Schnusch 12 Mt. 45 Pf.; von Ham burger Genossinnen durch Genossin Zieh 5 Mt. 50 Pf.; von den Leipziger Genossinnen durch Genossin Jäger 42 Mt. 45 Pf. Summa 107 Mt. 40 Pf. Dankend quittirt
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