theilung des kommunalen Wahlrechts an alle großjährigen Bürger. ohne Rücksicht auf deren Steuerleistung befürwortete. Die Vorlage stieß zunächst auf heftigen Widerstand, zumal seitens der Konser­vativen. Die aus den Gemeindewahlen hervorgehenden fommunalen Behörden entscheiden unbeschränkt in allen Fragen der Gemeinde­steuern. Die Konservativen fürchteten nun die Folgen eines Wahl­rechts, das dem Proletariat Einfluß verleiht. Sie suchten ein Gegen­mittel und brachten deshalb den Antrag ein, das kommunale Wahl­recht solle auch auf die steuerzahlenden Frauen ausgedehnt werden. Die steuerzahlenden Frauen mit ihrem gefunden wirthschaftlichen Sinn" sollten als Gegengewicht gegen den proletarischen Einfluß dienen. Die Radikalen hatten dem kommunalen Frauenwahlrecht von jeher sympathisch gegenüber gestanden. Als es jedoch unter den vor­liegenden Umständen gefordert wurde, fehlte es nicht an Stimmen in den Reihen der Linken, welche vor dem Danaergeschenk der Rechten" warnten. Manchem Abgeordneten der Linken war die Verquickung des allgemeinen Wahlrechts mit dem Frauenwahlrecht ein willkom­mener Vorwand, um sich gegen das Allemanns- Wahlrecht" zu wen­den. Trotz allem nahm schließlich das Odelthing das allgemeine kommunale Wahlrecht für Männer mit 48 gegen 36 Stimmen an; das Wahlrecht für Frauen, welche ein Einkommen von mindestens 300 Kronen auf dem Lande, von 400 Kronen in der Stadt versteuern, wurde mit 68 gegen 17 Stimmen votirt. Die erste Kammer, das Lagthing, versagte jedoch dem Entwurf mit 16 gegen 13 Stimmen seine Zustimmung, und dies in Folge der schwankenden Haltung der bürgerlichen Radikalen und Demokraten, welche sich vor den Folgen des allgemeinen Wahlrechts fürchteten. Wie schon im Odelthing, so trat dagegen auch im Lagthing der Staatsminister Steen sehr nach­drücklich und warm für die geforderten Reformen ein. Er erklärte unter Anderem: Nun wird auch seitens der Linken gesagt, daß man, um in der Kommune Stimmrecht zu erhalten, Steuern zahlen sollte. I st denn nicht die Frucht von eines Mannes ganzer Arbeit mehr werth, als einige Kronen Steuer?" Zufolge des ablehnen­den Beschlusses des Lagthings mußte die Vorlage nochmals von beiden Kammern getrennt berathen werden. In gemeinschaftlicher Sitzung gelangte sie dann endgiltig zur Annahme. Damit ist nun in Nor­ wegen   das allgemeine fommunale Wahlrecht für Männer eingeführt, das kommunale Frauenwahlrecht jedoch nur für die steuerzahlenden Frauen. Das Gemeindewahlrecht fällt allen Frauen zu, die das 25. Lebensjahr erreicht haben, norwegische Staatsbürgerinnen und fünf Jahre im Lande ansässig sind und entweder selbst für das letzte Steuerjahr Staats- oder Gemeindesteuer für ein jährliches Mindeſt­einkommen von 300 Kronen auf dem Lande, von 400 Kronen in der Stadt entrichtet haben oder aber in Gütergemeinschaft mit einem Manne leben, der die festgelegten Einkommenssätze versteuert hat. Die eingeführten Neuerungen steigern die Zahl der kommunalen Wähler in Norwegen   von 300 000 auf 600000. Gegen 200 000 Frauen erhalten das Wahlrecht. In Christiania   wird die Zahl der Kom­munalwähler von 35000 auf 70000 anwachsen, unter denen sich 30000 weibliche befinden. Die norwegischen Frauen hatten eine fräftige Agitation entfaltet, um die Einführung des Frauenwahlrechts zu erreichen. In dieser Agitation fämpften die bürgerlichen Frauen­rechtlerinnen wieder einmal für das Recht des Besitzes und nicht für das Recht der Person, für Sonderinteressen und nicht für das All­gemeinwohl. Der Landes- Frauenstimmrechtsverein", dem, 609 weib­liche Steuerzahler" angehören, protestirte Namens derselben in schärfster Weise gegen jede weitere Ausdehnung des Männer­stimmrechts, so lange nicht den Frauen das Stimmrecht zugestanden ist". Der engherzige und selbstsüchtige Protest wurde einzig und allein mit dem Hinweis auf das versteuerte Vermögen oder Einkommen begründet. Der Geldsack wurde also über die Rechte des Menschen und seine Leistungen gestellt. Man vergleiche mit dieser bornirten Auffassung die oben angeführten Worte des Ministers über den Werth der Arbeit eines Mannes. An der Demonstration, welche am 17. Mai, dem norwegischen Verfassungsfeste, zu Gunsten der Reform des Gemeindewahlrechts stattfand, betheiligten sich auch die Frauen. In dem großen Festzug bildeten sie eine Sondergruppe, in der 15 Vereine mit 1800 bis 2000 Theilnehmerinnen vertreten waren. Ihre Rednerin, Fräulein Holsen, feierte den erwarteten Sieg des Frauenstimmrechts.

Ein Zentralverband von Frauenstimmrechtsvereinen in England hat sich fürzlich konstituirt. Vorsitzende der Organisation ist Lady Balfour, an der Spitze des Exekutivkomites steht Mrs. Faweett. Die Ausdehnung des politischen Wahlrechts auf die Frauen haben 29359 Arbeiterinnen der Baumwollindustrie von Lancashire   in einer Petition vom englischen Parlament ge­fordert. Die Petition wurde von einer Deputation der Arbeiterinnen mehreren Parlamentsmitgliedern überreicht, von denen sich besonders

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Sir Charles Dilke   zu Gunsten des Frauenwahlrechts äußerte. Es ist unsicher, ob das Parlament noch in dieser Session sich mit der geforderten Reform beschäftigen wird.

Frauenbewegung.

Frauen als Mitglieder eines akademischen Senats. Dem akademischen Senat der Staatsuniversität von Illinois  ( Vereinigte Staaten  ) gehören zwei Frauen an: Mrs. Abbot und Mrs. Fowler. Eine besoldete weibliche Kraft zur Leitung des städtischen Pflegestellenwesens beabsichtigt der Magistrat von Charlotten­ burg   anzustellen.

Verschiedenes.

Die Ortskrankenkasse der Schneider, Schneiderinnen und verwandter Gewerbe zu Berlin   ist eine der wenigen im Deutschen  Reiche, vielleicht die einzige, die unter weiblicher Leitung steht. Genossin Emma Reimann ist seit 1899 Vorsitzende der Kasse. Als sie in den Vorstand gewählt wurde, hatte die Kaffe 9000 Mt. Schul­den. Obgleich nun unter der neuen Verwaltung die freie Arztwahl eingeführt wurde, und obgleich die Kasse schwer darunter leidet, daß die besten Schneiderbetriebe Berlins   ihre Arbeiter in der Innungs­frankenkasse versichert haben, so gedeiht die Kasse nun vortrefflich. Mit 41148,99 Mt. Manko im Reservefonds schloß die alte Kassen­verwaltung ab. Ende Januar 1901 hatte die Kasse dagegen die Mittel, um den Reservefonds den gesetzlichen Ansprüchen entsprechend zu füllen, und außerdem noch einen Betriebsfonds von 13085,58 Mr. Das Gesammtvermögen betrug am 31. Januar 1899 248 853,39 Mt., am 31. Januar 1901 342000,46 Mt., somit stieg es unter der neuen Verwaltung fast um 100000 Mt. Die Mitgliederzahl betrug im Jahre 1901 22773, darunter blos 2319 männliche Mitglieder. Auch die Mehrzahl der Arbeitnehmervertreter im Kassenvorstand sind Ar­beiterinnen. a. br.

Bestrebungen zur Hebung der Stellung der Frauen im islamitischen Orient treten auf. Sie werden zunächst von Männern, nicht von den Frauen selbst verfochten. Einer der Vorkämpfer ist Kasim Bey Amin, Rath am höchsten einheimischen Gerichtshof in Aegypten  . Einem früheren Buche Die Befreiung der Frau" hat dieser kürzlich ein zweites: Die neue Frau" folgen lassen. Einen Einblick in den Gedankenkreis dieses Buches geben folgende Zitate, die wir einem Aufsatz Dr. E. Harders in der Täglichen Rundschau" entnehmen. Rasim Bey Amin schreibt: Früher hegten die Europäer auch die bei uns heutzutage herrschende Meinung, die Frauen seien nichts als Werkzeuge der Verführung und Fallstricke des Satans. Das Weib sei lang von Haar und kurz von Verstand, allein zum Dienste des Mannes erschaffen. Die abendländischen Gelehrten, Philo­sophen, Dichter und Priester hielten daher seine Belehrung und Er­ziehung für nußlos, verspotteten vielmehr die Frau, die den Kochtopf verließ, um sich dem Studium wissenschaftlicher Bücher zu widmen. Als aber die Hülle der Unwissenheit abgestreift und die Lage der Frau gründlich untersucht wurde, entdeckten die Männer, daß sie selbst die Ursache ihrer Erniedrigung waren. Das Weib sei ein Mensch wie sie und habe das Recht, seine Freiheit zu genießen und seine Kräfte zu gebrauchen. Von nun trat der Wendepunkt für die abendländische Frau ein. Sie fing allmälig an, ihren Verstand und Charakter zu bilden und erlangte ein Recht nach dem anderen. Sie gesellte sich zu den Männern beim Studium in den Schulen, setzte sich zu ihnen in den Hörsälen der Universitäten und erschien auf den wissenschaftlichen Kongressen. So verschwand in furzer Zeit aus der Welt des Seins jenes thierische Wesen, bedeckt mit Schmuck, gehüllt in Kleider, beschäftigt mit Tand, und an seiner Statt erschien die neue Frau, die Schwester des Mannes, die Gefährtin des Gatten, die Erzieherin der Kinder. Eine solche Umwandlung erstreben wir für die ägyptische Frau, und wenn unser Ziel erreicht ist, so wird zweifellos diese kleine Bewegung das größte Ereigniß in der Ge­schichte Aegyptens   sein." Der Verfasser hebt mit Stolz hervor, daß das islamitische religiöse Gesetz schon vor dreizehn Jahrhunderten der Frau die Rechte eingeräumt hat, die sie im Abendland erst vor kurzer Zeit erlangte, ja deren sie noch nicht überall theilhaftig geworden ist.. Sie besaß danach völlige persönliche Gleichstellung mit dem Manne in der Verwaltung ihres Vermögens und Verfügung darüber, sie konnte Vormund des Mannes sein und das Amt eines Kadi und Mufti bekleiden, also richterliche Thätigkeit ausüben. Schon in seinem ersten Werke hatte der Verfasser nachzuweisen gesucht, daß nach dem Texte des Korans die Entblößung des Gesichtes und der Hände, sowie der Umgang der Frauen mit den Männern ausdrücklich gestattet ist. M. W.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Settin( Bundel) in Stuttgart  . Drud und Verlag von J. H. W. Dies Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .

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