Die Unternehmer im Hessenland können sich wahrlich nicht über die Strenge der Handhabung des Gesetzes und über die Nicht­berücksichtigung ihrer Wünsche beschweren, wenn im ganzen Lande in einem Jahre blos einem Wunsche nach Ueberzeitbewilligung nicht entsprochen wurde!

Für die Ueberzeitbewilligungen an Sonnabenden gilt die folgende Tabelle:

Zahl der Betriebe, denen Ueberarbeit gestattet wurde an

Zahl der Arbeites rinnen, für welche

Ueberarbeit

gestattet wurde

Bewilligungen

Aufsichtsbezirk

1-4

5-12 mehr

bis 1

1-2 2-3

Sonnabenden

Stunden

5

2

3

13

23

9

1

8

5

4

116

3 26 25

17

5

Darmstadt

Offenbach

Gießen

Mainz .

Großherzogthum

2

21

-

37

222

375

VII. Uebertretungen der Arbeiterschutzbestimmungen. Von den Aufsichtsbeamten wurden die folgenden Zuwider­handlungen gegen Schutzgesetze und Verordnungen ermittelt, die im Interesse der Arbeiterinnen erlassen sind: 208 gegen die Bestimmungen über Anzeigen, die zu erstatten, und Aushänge, die zu machen sind, 7 Uebertretungen zum Schaden von 62 Arbeiterinnen bez. der Arbeitszeit, 1 betreffend die Mittagspause, 27 Uebertretungen der Be­stimmung über die Verkürzung der Arbeitszeit an Sonnabenden und Vorabenden der Festtage zum Schaden von 226 Arbeiterinnen, 1 Ueber­tretung des Nachtarbeitsverbots, 36 Uebertretungen von Bundesraths­bestimmungen. Trotz dieser Zahl von Uebertretungen, die zwar sicherlich hinter der Wirklichkeit weit zurückbleibt, aber doch bedeutend genug ist, wurden blos 15 Personen bestraft!

Ein energischeres Einschreiten gegen die Gesetzesübertretungen wäre um so wichtiger, als die Arbeiterinnen leider noch immer viel zu wenig Verständniß für die Fragen des Arbeiterschutzes haben, wodurch die Unternehmer fast einen Freibrief besitzen, sich um die Gesetze nicht zu scheren. Die Pausen werden den jugendlichen Ar­beiterinnen vielfach entzogen, diese werden in dieser Zeit zum Essen­holen, zum Packeteaustragen benützt.

Auch der Bericht der hessischen Fabritinspektion zeigt, wie Vieles sogar noch im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung für die lohn­arbeitenden Frauen und Mädchen gebessert werden muß. Da die Arbeiterinnen immer mehr beginnen, den gewerkschaftlichen Organi­

Das Kind.

Skizze von Ernst Preczang .

Mitten im Walde, eine gute Stunde von der nächsten Stadt, lag die große Restauration mit dem weiten Garten. Urwald­Ineipe" hieß sie, denn der Garten bestand nur aus einem großen Stück gesäuberten Waldes ohne Kiesanschüttung und Blumenbeete. Die schattengebenden Bäume, alte Eichen und Buchen, waren zum größten Theile stehen geblieben. Hölzerne Tische und Bänke Bretter auf eingerammte Pfähle genagelt bildeten das Mobiliar dieses Gartens und standen vereinzelt noch an seiner Grenze zwischen verwilderten, dichtbelaubten Gebüschen. Das Ganze war primitiv wie zu einem vorübergehenden Zwecke eingerichtet. Aber für den an eine luruslose Umgebung Gewöhnten saß sich's doch recht gut hier..

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Insbesondere die Arbeiter aus der Fabrikstadt wußten sich bei ihren Familienausflügen am Sonntag kein schöneres Ziel als die Urwaldkneipe". Hier war vom höchsten Schlot nicht einmal mehr der Blizableiter zu sehen; hier versant unter kühlendem Waldeslaub auf Stunden das Andenken an die heißen Tage der Woche....

Auch heute, an einem schwülen Sommersonntag, ging's lustig hier zu. Die Frauen schleppten riesige Kaffeekannen daher; die Männer spielten Karten oder politisirten; die Kinder jauchzten, lärmten und wälzten sich balgend auf den nahen Rasenplägen. Ein Gewirr von Stimmen, Geschirrgeklapper und anderen Ge­räuschen erfüllte die sonst so lebenverlorene Waldeinsamkeit. Es war, als breche das Gefühl seltener Freiheit mit Macht aus seinen alltäglichen Retten....

In einem abgelegenen Winkel, von überhängenden Zweigen fast völlig verdeckt, saß ein junges Paar, das nicht mit einstimmte

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sationen beizutreten, dürfen wir hoffen, daß sie gleich ihren Arbeits­brüdern Verständniß für den Inhalt der Arbeiterschutzgesetzgebung gewinnen und mit Eifer darüber wachen werden, daß das Wenige, was zu ihrem Schuße beſtimmt ist, bis auf das Tüpfelchen über dem i ausgeführt wird.

Aus der Bewegung.

a. br.

Von der Agitation. Im Auftrag des Agitationskomites des Fabritarbeiterverbandes für Anhalt sprach Genossin Zieh- Ham­burg kürzlich in einer Reihe von Versammlungen. Dieselben fanden statt in Dessau , Joniz, Bernburg , Harzgerode , Roßlau , Zerbst , Coswig , Raguhn , Calbe a. S., Staßfurt , Barby , Nienburg a. S. und Göthen. Soweit die Vorbereitungen zu den Versammlungen ordnungsgemäß getroffen worden, war auch der Besuch ein guter. Leider war das jedoch nicht überall der Fall. In allen Versammlungen waren aber trotzdem die Frauen stark vertreten. In Dessau und Bernburg wurden Agitationsnummern der Gleich­heit" verbreitet; es soll hier zunächst versucht werden, einen Stamm von Leserinnen der Zeitschrift zu gewinnen. Die Zahl der weiblichen Mitglieder des Fabrikarbeiterverbandes ist vom ersten bis zum vierten Quartal 1900 von 2394 auf 3573 gestiegen. An diesem Aufschwung partizipirt erfreulicherweise auch Anhalt , wo seit dem Naumburger oberlandesgerichtlichen Urtheil bezüglich des Anhaltischen Vereins­und Versammlungsrechtes die Agitation unter dem weiblichen Prole­tariat bedeutend erleichtert ist. L. Z.

Die Schönheiten des preußischen Vereinsrechtes wurden kürzlich in Hannover wieder einmal dadurch illustrirt, daß die Polizei zwei öffentliche Versammlungen auflöfte. Ihr Vorgehen be­gründete sie mit einer Thatsache und mit zwei recht unmaßgeblichen Annahmen. Nämlich mit der Thatsache, daß den Versammlungen Frauen beiwohnten, und mit den Annahmen, daß die Versamm­lungen nicht öffentliche, sondern Vereinsversammlungen des Metall­arbeiterverbandes seien, und daß selbiger Verband sich mit politischen Angelegenheiten beschäftige. Diese beiden Annahmen stützen sich schwachbeinig auf die hinfälligen Umstände, daß der Einberufer der Versammlungen gleichzeitig Vorsitzender der Filiale des Metall­arbeiterverbandes in Hannover ist, und daß ein großer Theil der Mitglieder desselben Besucher der öffentlichen Versammlungen waren. Hätte die neunmal weise Polizei recht, so könnte der Vorsitzende einer Organisation, die vorgeblich sich mit politischen Angelegen­heiten beschäftigt, niemals eine öffentliche Versammlung der Arbeiter und Arbeiterinnen einberufen, welche diese Organisation umfaßt; die Mitglieder derselben könnten aber auch nie eine öffentliche Ver­sammlung besuchen, die unter den betreffenden Umständen stattfinden

in die allgemeine Lebhaftigkeit. Das harte, knochige Gesicht des Mannes war tiefgebräunt. Auch über den Zügen des jungen Weibes lag's wie ein Schatten. Die eckigen, schwerfälligen Be­wegungen der Beiden deuteten auf anstrengende Körperarbeit.

Der Mann saß, den Kopf in die Hand gestüßt, vor einem Halbgeleerten Glase Bier und sah seinem Weibe zu. Das hatte allerlei Nähutensilien vor sich auf dem Tische liegen, dazu Leinen­zeug, Bänder und Knöpfchen. Es arbeitete an niedlicher Wäsche, die ihrer Kleinheit nach für ein ganz, ganz junges Kindchen be­stimmt sein mußte.

Die Frau hob hie und da den Kopf, reckte sich im Kreuz und blickte wie besorgt auf den Mann, der stumm und wie gebannt auf ihre Hand starrte. Das ging nun wohl schon eine Stunde so. Er nippte nur hin und wieder an dem schalen Bier; über seine Lippen kam kein Wort. Lippen kam kein Wort. Seine Hand fuhr öfter, als wollte sie schwere Gedanken verdrängen, über Stirn und Haare. Dabei athmete er tief, daß die breite Bruft sich sichtbar hob.

Die junge Frau sah wieder auf. Einen Moment hafteten die Blicke fast angstvoll auf den gedankenvollen Zügen des Mannes. Dann sagte sie leise, fast vorwurfsvoll:" Freuste Dich den nich'n bischen, Karl?"

"

Er schrat, wie auf einem sündigen Gedanken ertappt, zu­sammen. Schwer, als laste ein Gewicht auf jedem Worte, sagte er: Freu'n? Warum? Weil wir noch' ne ordentliche Sorge zu­kriegen? Weil wir dann, wenn es soweit mit Dir is und Du Schonung haben mußt und doch nichts verdienen kannst, überhaupt nicht mehr wissen, wie wir's machen sollen? Dadrüber komm' ich nich weg, Emma. Gestern hat's mir doch der Vorarbeiter für bestimmt gesagt: gerade um die Zeit is die Bahn fertig und ich hab' teine Arbeit mehr. Na, und es is auch gar keine Aus­