Durch Vergleiche zwischen Arbeitszeit- und Arbeitslohnverhältnissen in den einzelnen Industrieen, z. B. zwischen der Industrie der Holz und Schnitzstoffe oder den Kistenbekleberinnen einerseits und Jutespinnerei andererseits, oder zwischen Zigarrenfabriken, Graphischen Gewerben einerseits und den Produktengeschäften resp. Kaffeesichtereien andererseits u. s. w. läßt sich im Uebrigen ganz unzweifelhaft konstatieren, daß die höchsten Löhne in denjenigen Industrien gezahlt werden, in denen die niedrigste Arbeitszeit vorherrscht!
Diese Feststellung, die wir fast überall machen können, muß ein neuer Ansporn sein, daß die Arbeiterinnen durch die gewerkschaftliche Organisation die eigene Lage und die der Kolleginnen verbessern. Hauptaufgabe der Gewerkschaften ist es ja, einzutreten für kürzere Arbeitszeit und höhere Löhne.
Die ledigen Arbeiterinnen.
Nicht wie die falschen Humanitätsapostel nur für die verheiratheteten Frauen, sondern für alle Arbeiterinnen fordern wir besseren Schutz gegen die kapitalistische Ausbeutung. Denn die ledige Arbeiterin ist ebenso ausgebeutet und schutzbedürftig wie die verheirathete. Die verheirathete Arbeiterin wird körperlich widerstandsfähiger sein, wenn sie schon als Mädchen gegen Schädigungen ihrer Gesundheit geschützt ist. Die verheirathete Arbeiterin muß also schon aus diesem Grunde im eigensten Interesse wünschen, daß ihre ledigen Kolleginnen geschützt werden wie sie selbst. Dazu kommt noch ein anderer Grund. Genießen nur die verheiratheten Frauen gesetzlichen Schuh wider das Uebermaß ihrer Ausbeutung durch das Kapital, so wird der Unternehmer die geschützten Arbeitskräfte durch ungeschützte ledige Arbeiterinnen ersetzen, während die verheiratheten Arbeiterinnen zu Erwerbsarten gezwungen würden, die gesundheitlich und sozial weit ungünstiger sind wie die Fabritarbeit, vor Allem zu hausindustrieller Thätigkeit. In welch hohem Maße auch die ledigen Arbeiterinnen schutzbedürftig sind, das erweist die vorliegende Erhebung. In Bremen ist die Arbeitszeit der ledigen Arbeiterinnen noch etwas länger wie bei den verheiratheten, die Lohnverhältnisse sind noch erheblich ungünstiger als bei diesen. Auch bei den Ledigen kommen die besseren Löhne in den Industrien mit fürzerer Arbeitszeit vor.
Ueber die Preise des Mittagessens machen namentlich die Arbeiterinnen der Jutespinnerei und Weberei nähere Angaben. Aus diesem Theile der Erhebungen leuchtet das ganze Elend der Arbeiterinnen dieser Fabrik grell hervor. Es bezahlten von 99 Arbeiterinnen für Mittagessen:
50 Pfennig.
M
40
35
=
30
=
25
20
M
10
=
=
1
2
16
59
12
3
6!
Das sind gewiß belehrende Zahlen über das Luxusleben, das diese Arbeiterinnen zu führen im Stande sind! 9 Arbeiterinnen geben an, daß sie sich selbst etwas zu essen kochen, eine ißt nur Sonntags
Ein Sonnenstrahl.
Auf dunklem Hofe ein Sonnenstrahl! Wie ein verstohlener, scheuer
Diebesblick stiehlt er sich heimlich und schmal Um das alte schwarze Gemäuer.
Er tanzt auf der rauchig- schmutzigen Wand Und lugt in die blinkenden Scheiben Und will auf der Näherin fleißige Hand Mit goldenen Lichtern schreiben.
Er wandert hinab, wo der Schuster flickt Und klopft um das ärmliche Leben,
Und läßt um den Nacken, zur Arbeit gebückt, Sein sonniges Leuchten schweben.
Im Hofe sitzt der Näherin Kind Still spielend auf niedriger Schwelle
Nun greift's nach dem Sonnenstrahle geschwind Und verfolgt ihn von Stelle zu Stelle.
Es jubelt und lacht und läuft mit dem Schein, Roth werden die bläßlichen Wangen, Und jauchzend ruft es: ,, Mütterlein! Ich habe die Sonne gefangen."
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zu Mittag( 60 Pf.), drei weitere Arbeiterinnen bemerken kurz:„ Esse nur Brot!" Wenige, aber inhaltsschwere Worte!
Die miserable Entlohnung in der Jutespinnerei und-Weberei ist es, welche die Arbeiterin zu einer Existenz zwingt, die als ein bloßes Vegetiren bezeichnet werden muß. Sind von dem Hungerlohn die nothwendigsten Ausgaben für ein jammervolles Dasein gedeckt, welche winzigen Beträge bleiben dann noch für Kleidung, Schuhzeug, Wäsche, Beiträge zur Kranken- und Invaliditätsversicherung, ganz abgesehen von etwaigen Ausgaben für Unterhaltung und Vergnügung, die auch nothwendig, sintemalen diese Arbeiterinnen doch auch Menschen sind?
Ueber die Wohnungsverhältnisse geben die Arbeiterinnen an, daß 75 ihr Zimmer allein bewohnen, 78 wohnen zu zwei Personen im Zimmer, 49 zu mehreren. Dabei fommt es wiederholt vor, daß vier und sogar sechs Personen in einem Zimmer wohnen! Die Wirthsleute, bei denen die Arbeiterinnen in Logis wohnen, sind zumeist auch Fabrikarbeiter.
Die Erkenntniß ihrer Lage sollte diese Arbeiterinnen zwingen, sich den Gewerkschaften anzuschließen, um mit ihrer Hilfe bessere Lebensbedingungen zu erkämpfen. Erst wenn ihnen diese Ueberzeugung aufgegangen ist und sich in Thaten umsetzt, werden Sonnenstrahlen in ihr trauriges Dasein fallen.
Die Ergebnisse der Erhebungen über die Lage der Arbeiterinnen in Bremen zeigen deutlich, mit welch grausamer Schonungslosigkeit die kapitalistische Ordnung die proletarische Frau ausbeutet, wie sie ihr Gesundheit, Lebenskraft und Lebensglück raubt. Laut und eindringlich predigen sie deshalb den Arbeiterinnen, gegen diese Ordnung zu kämpfen. Nachdrücklichst erinnern sie an die Nothwendigkeit, durch die Gesetzgebung und durch die gewerkschaftliche Organisation den Lohnsflavinnen ein höheres Maß an Schutz für Gesundheit und Leben, bessere Löhne und fürzere Arbeitszeit zu erringen. Um aber dieses Ziel zu erreichen, muß die Arbeiterin wie ihr männlicher Kollege mit werkthätiger Sympathie die gewerkschaftliche und die politische Bewegung verfolgen, muß sie in beiden ihre Pflicht thun. Der politische und der gewerkschaftliche Kampf bringen der Arbeiterin eine Verbesserung ihrer Lage in der heutigen Gesellschaft. Und diese Verbesserung, in Verbindung mit der geistigen und sittlichen Bildung, welche der Arbeiterin durch die gewerkschaftliche und politische Bewegung zu Theil wird, befähigt die ausgebeutete Proletarierin für den letzten großen Kampf, der uns an Stelle der ungerechten, Menschen ausbeutenden und vernichtenden kapitalistischen Wirthschaftsordnung die sozialistische Gesellschaftsordnung schaffen wird. Deshalb, ihr Arbeiterinnen, beherziget den Mahnruf:
Hinein in die gewerkschaftlichen Organisationen! Hinein in den politischen Kampf!
Doch bald, und es klettert der irrende Schein
Zum Dach, und es fliehet die Helle,
Das Kind sitzt wieder im Dunkeln, allein Auf der kalten, einsamen Schwelle.
Es schaut empor, so fragend und bleich Mit träumendem Angesichte
-
Es träumt von einem sonnigen Reich Mit ewigem, goldenem Lichte.
Wo die Blumen auf grüner, schimmernder Flur,
Wo Früchte und Beeren stehen,
Und wo in lauter Strahlen nur
Die kleinen Kinder gehen...
Aus finstrem Eck der Abend starrt; Ein feiner Regen tropft.
Die Nähmaschine ruckt und schnarrt; Der fleißige Schuster klopft.
Der Dämmerung grauer Schattenschweif Schleicht um das Kind herbei Das träumt von seinem Sonnenstreif Und lächelt still dabei.
a. br.