Iss Auftrag, zwischen den Parteien zu vermitteln. Ihm gesellte sich später noch der Syndikus der Handelskammer von Zittau . Landtagsabgeord­neter Rollfuß, hinzu. Beide Herren gaben sich alle erdenkliche Mühe, den Unternehmern Zugeständnisse an die Streikenden abzugewinnen. Zunächst vergeblich. Die Unternehmer erklärten bei einer Zusammen­kunft, daß die Arbeiter nur wieder Beschäftigung erhielten, wenn sie in Lohnabzüge von 13 bis 30 Prozent willigten. Der dann noch ver­bleibende Lohn sollte den NamenNormalmindestlohn Cunewalde" führen. Die Ausständigen sollten nach Wahl wieder eingestellt werden zc. Die streikenden Weber und Weberinnen wiesen mit aller Entschieden­heit derartige schmachvolle Bedingungen zurück. Sie hofften, daß der Eigennutz, der die Arbeitgeber zum frivolen Kampfe getrieben, schließ­lich zu einer Sprengung des Fabrikantenringes führen würde. Ihre Hoffnung ist nicht betrogen worden. Am 30. Juni gelang es, mit dem Besitzer des zweitgrößten Betriebs einen Vergleich auf Grund nachstehender Bedingungen zu schließen: 1. Das Normalstückmaß beträgt 50 bis 32'/- Meter. Mißt ein Stück weniger als 30 Meter, erfolgt deswegen kein Lohnabzug; jedes über 32'/- Meter gewebte volle Meter wird nach Maßgabe des Stücklohns bezahlt. 2. Die Lohnreduktion beträgt, gemäß der Lohn­liste von vor dem 11. März er., 3 Prozent. 3. Jedes Stück ist bei der Ablieferung nachzumessen. 4. Eine für jeden Artikel den Stück- wie Meterlohn angebende Lohntabelle ist in den Betriebsräumen aus­zuhängen. 3. Den Musterzetteln ist das Normalstücklängenmaß ein­zuschreiben. 6. Die Arbeiter und Arbeiterinnen werden, soweit es die Vorarbeiten zulassen, bedingungslos wieder eingestellt. Arbeiter aus anderen Fabriken bezw. fremde Arbeiter werden nur eingestellt, wenn der frühere Arbeiterstamm zur Aufrechterhaltung des Betriebs nicht ausreicht. 7. Solange der Ausstand in anderen Betrieben währt, verspricht Herr Kalauch, für andere Betriebe des Cunewalder Thales keine Waaren zu liefern. 8. Herr von Polenz wird beauf­tragt, die hier Versammelten unter Zuziehung des Herrn Handels­kammersyndikus Rollfuß, in der zweiten Hälfte des Dezember er. zusammenzuberufen, zwecks Nachprüfung der heute festgesetzten Be­dingungen." Bald nachdem die Arbeiter der Firma W. Kalauch ihre Be­schäftigung wieder aufgenommen hatten, gab der Prinzipal durch Anschlag bekannt, daß er die verbliebenen 3 Prozent Lohnabzug wieder aufhebe, sobald seine Reisenden gute Aufträge bringen würden. Noch zwei Wochen verharrten die übrigen Fabrikanten den Friedensver­mittlungen gegenüber in ablehnendem Trotz. Am 14. Juli gaben auch sie endlich nach und willigten in einen Vergleich, der im Wesent­lichen den oben mitgetheilten Bedingungen entspricht. Nicht die Er- kenntniß ihres Unrechts hatte sie dem Frieden geneigt gemacht. Es war vielmehr die begründete Furcht, ihre Kundschaft vollständig und für immer zu verlieren. Die ausgeschickten Reisenden der Lohndrücker wurden recht vielfach mit den Worten abgewiesen:Bezahlt Eure Weber besser". Ganz besonders warfen die Konsumvereine, die Ab­nehmer Cunewalder Waare sind, ihren Einfluß zu Gunsten der Arbeiter in die Wagschale. Der Form nach ein Vergleich, darf doch der Ausgang des Kampfes als ein großer Sieg der Streikenden angesprochen werden. Diese haben die ihnen angesonnene Lohnkürzung bis auf ein Minimum zu­rückgeschlagen, das voraussichtlich ebenfalls bald aufgehoben und das schon jetzt durch andere Vortheile ausgeglichen wird. Die festgelegten Bedingungen schützen die Weber und Weberinnen gegen absichtliche oder fahrlässige Uebervortheilung beim Maß. Werthvoller noch als der bedeutende materielle Gewinn ist jedoch der moralische Erfolg des Kampfes. Der Schleier der patriarchalischen Beziehungen zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten ist zerrissen. Letztere haben ihre Klassen­lage erkannt, den unüberbrückbaren Gegensatz, der sie von den Fabri­kanten trennt. Sie sind sich ihrer Macht bewußt geworden, deren Grundlage brüderliches Zusammenhalten, die Solidarität des ganzen Proletariats ist. Der Kampf hat sie in lebendigen Zusammenhang mit der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung gebracht. Er hat die wachrüttelnde, aufklärende Arbeit von Jahren rühriger Agitation gethan, und das nicht nur im Cunewalder Thale , sondern in der ganzen Lausitz . Allenthalben ist hier Arbeitern und Arbeite­rinnen die Nothwendigleit klar geworden, der gewerkschaftlichen Organisation beizutreten, um sich gegen den kapitalistischen Profit­hunger wehren zu können. Große Kreise des werkthätigen Volkes wurden zu der Ueberzeugung bekehrt, daß es gelte, mit der Sozial­demokratie für Reformen in der Gegenwart, für eine Gesellschafts­ordnung der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Zukunft zu kämpfen. So sind dem proletarischen Klassenkampfe auf wirth- schaftlichem und politischem Gebiet neue Streiter erwachsen und Streilerinnen auch. Denn die Arbeiterinnen, die Arbeiterfrauen sind wahrlich nicht die letzten, die aus einem Kampfe gelernt haben, welcher der gesammten Arbeiterklasse wieder einmal gezeigt hat, was soli­darischer Zusammenhalt und feste Organisation vermag: den Aus­gebeuteten zun» Schutz, dem Unternehmerthum zum Trutz. Aus der Bewegung. Von der Agitation. In letzter Zeit hielt Genossin Zetkin eine Reihe öffentlicher Versammlungen ab, die sämmtlich überfüllt waren und sich auch von Seiten der Frauen eines sehr guten Besuchs erfreuten. In Mannheim und Ludwigshafen sprach Genossin Zetkin überDie revolutionäre und die Arbeiterbewegung in Rußland ." Beide Versammlungen nahmen unter stürmischem Bei­fall eine Resolution an, welche den russischen Despotismus und seine brutale Niederknütlelung der Freiheitskämpfer brandmarkt und diesen die vollste Sympathie des deutschen Proletariats versichert. Die von mehr als 1300 Personen besuchte Versammlung in Würzburg nahm in Anschluß an Genossin Zetkins Referat Stellung zur Frage des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes. Beistimmende Zwischenrufe bekundeten, daß die Versammelten die Auffassung der Referentin theilten. Die bekannte Resolution der Genossii nen gelangte debattelos zur Annahme. In Heidings feld referirte Genossin Zetkin über Die Stellung der Frau in der heutigen Gesellschaft", in Ptünchen behandelte sie das Thema:Die Befreiung der Frau und die Sozialdemokratie". In beiden Versammlungen fanden die Ausführungen begeisterte Zustimmung der dichtgedrängten Zu­hörerschaft. In Gablenberg sprach Genossin Zetkin ebenfalls über Die revolutionäre und Arbeiterbewegung in Rußland ", in Kirchheim u. Teck beim Waldfest der Gewerkschaften überDie Nothwendigleit des gewerkschaftlichen und politischen Kampfes der Arbeiterklasse". Im Auftrage des Gauvorstandes der Provinz Sachsen unter­nahm Genossin Zieh in der zweiten Hälfte Juni eine Agitationstour für die Fabrikarbeiter. Versammlungen fanden statt in Magdeburg - Neustadt, Sudenburg . Neuhaldensleben, Großottersleben, Olvenstedt , Niederndodeleben , Gommern , Schönebeck , Frohse, Salze, Diesdorf, Barleben , Tangermünde , Sten­ dal und Genthin . In der gutbesuchten Versammlung in Magde­ burg -Neustadt waren leider nur wenig Frauen anwesend, obgleich sehr viele in den Fabriken srohnden. Mehrere Hundert beispielsweise allein in der Hauswaldschen Zichorienfabrik, wo sie für einen Wochen­lohn von 43 Mk. sich abmühen müssen. Es wird noch einer un­ausgesetzten energischen Agitationsarbeit bedürfen, bevor der durch harte, lange Frohn abgestumpfte Geist dieser Arbeiterinnen für den Befreiungskampf des Proletariats entflammt wird. Etwas mehr Frauen wohnten der gutbesuchten Versammlung in Sudenburg bei. Allerdings auch noch wenig genug, wenn man bedenkt, welch ein Fabrikzentrum Sudenburg ist, und wieviel weibliche Arbeiter hier zu überaus traurigen Bedingungen schaffen müssen. Auf die Verhältnisse in der Zuckerfabrik werden wir später an anderer Stelle zurückkommen. Einen hohen Prozentsatz der Versammlungsbesucher stellten die Frauen in Neu­haldensleben, wo der Verband eine Anzahl weiblicher Mitglieder gewann. In den starkbesuchten Versammlungen in Großotters­leben und Olvenstedt war mindestens die Hälfte der Anwesenden Frauen. Im letzteren Orte gehört dem Verbände zum Wenigsten ein halbes Hundert Arbeiterinnen an. Mit Hilfe der Organisation haben sich dieselben bereits eine Lohnaufbesserung von 20 Pf. pro Tag er­kämpft, und dies obgleich Lohnkämpfe hier so außerordentlich schwer zu führen sind. Es handelt sich nämlich um lauter Landarbeiter und -Arbeiterinnen, die nach einer gesetzlichen Bestimmung vom 24. April 1354 sich zwar organisiren, jedoch keine gemeinsame Lohnforderung stellen und nicht gemeinsam die Arbeit niederlegen dürfen. Auf Zu­widerhandlung steht Gefängnißstrafe bis zu einem Jahre. Da nun die Arbeiter und Arbeiterinnen nicht gemeinsam' nebeneinander Lohn fordern durften, haben sie es einzeln nacheinander gethan. Weil die Gutsbesitzer wußten, daß ihre Arbeitskräfte organisirt waren, außer­dem just zu der Zeit ihre Hände nicht entbehren konnten, mußten sie nachgeben. Trotzdem ist auch heute noch der Lohn sehr niedrig, von einer Mark ist er auf 1 Mk. 20 Vk. aellieaen Mk. 20 Pf. gestiegen. Letzten Frühling hätten die Frauen sich unbedingt einen Tagelohn von 1 Mk. 30 Pf. erringen können, wenn es ihnen gelungen wäre, die noch abseits von der Gewerkschaft stehenden Arbeiterinnen, deren Zahl mehrere Hundert beträgt, zur Organisation heranzuziehen. Leider war dies jedoch nicht der Fall. Die Kassirerin der dortigen Zahlstelle des Verbandes in Olvenstedt , Genossin Heinicke, die ebenso prompt ihre Kassen­geschäfte erledigt, als tüchtig agitatorisch thätig ist, hat noch bei Auf­klärung und Organisirung ihrer Mitschwestern ein gut Stück Arbeit zu bewältigen. Außerordentlich stark vertreten waren die Frauen in der glänzenden, überfüllten Versammlung in Gommern , wo seit 23 Wochen die Steinarbeiter im Streik stehen. Die meisten von ihnen,