Nr. 19.

Die Gleichheit.

11. Jahrgang.

Zeitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr. 2978) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mt. 2.60.

Stuttgart  

Mittwoch den 11. September 1901.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Inhalts- Verzeichniß.

Die Arbeiterinnen in den deutschen   Gewerkschaftsorganisationen im Jahre

Buschriften an die Redaktion der Gleichheit" find zu richten an Frau Klara Bettin( 8undel), Stuttgart  , Blumen­Straße 34, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach- Straße 12.

ist ihre Zahl gering, und ihre Organisationen sind nicht nur so gut wie völlig fampfesunfähig, sondern zum großen Theile aus­gesprochen kampfesfeindlich. Die meisten Lokalorganisationen aber,

1900.- Der Hamburger Gewerberath über den Schutz der Schwangeren welche auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehen,

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und Wöchnerinnen. Von Louise Zietz  . Aus der Bewegung. Genossin Ranke+.- Feuilleton: Grünes Reis unterm Schnee. Von 2. Anzengruber.( Schluß.) Notizentheil: Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.- Ge­nossenschaftsbewegung. Dienstbotenfrage. Frauengenossenschaften. -Frauenstimmrecht. Frauenbewegung.

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Die Arbeiterinnen in den deutschen Gewerk­Ichaftsorganisationen im Jahre 1900.

Wie steht es um die gewerkschaftliche Organisation der deutschen Arbeiterinnen? Diese Frage darf gegenwärtig eine größere Bedeutung als je beanspruchen. Die Krise, welche heraufzieht, und in manchen Industrien schon entfesselt ist, macht den strammsten gewerkschaft­lichen Zusammenschluß aller lohnarbeitenden Berufsgenossen zu Schutz und Truz wider das ausbeutungslüsterne, machtstarke Unter­nehmerthum immer dringlicher. Und die Rolle, welche die Ar­beiterin auf industriellem Gebiet spielt, ist stetig bedeutsamer, ein­flußreicher geworden. Von dem Maße, in welchem die Gewerk­schaftsorganisationen sich die weiblichen Berufsangehörigen ein­gegliedert haben, in welchem es ihnen gelingt, diese zu verständniß­vollen, opferbereiten und ausdauernden Mitträgerinnen ihrer Aktionen zu machen, hängt ganz wesentlich mit ihre Widerstandskraft zur Abwehr der bösen Folgen des wirthschaftlichen Niederganges ab.

Eine Antwort auf die oben gestellte wichtige Frage finden wir in dem Bericht der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands  , welchen Genosse Legien   über Die deutschen Gewerkschaftsorganisationen im Jahre 1900" in Nr. 34 des Korrespondenzblattes" veröffentlicht hat. Die übersichtliche und gewissenhafte Arbeit, welche durch Tabellen und Tert ein flares Bild von der Entwicklung und dem reichen, vielseitigen Leben der deutschen Gewerkschaften zeichnet, giebt auch einen Ueberblick über den Stand der deutschen Arbeiterinnenorganisation.

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Gewiß, daß die Zentralverbände, welche der Generalkommission angeschlossen sind, nicht alle gewerkschaftlich organisirten Arbeite­rinnen Deutschlands   überhaupt umfassen. Auch christliche Gewerk­schaften und Hirsch- Dunckersche Gewerkvereine lassen sich in den lezten Jahren angelegen sein, die Arbeiterinnen gewerkschaftlich zu sammeln. Aber eine offizielle, unanfechtbare Zusammenstellung über die Zahl der betreffenden weiblichen Organisirten ist unseres Wissens nicht erschienen. Nach allem, was verlautet, soll die Zahl klein welche sein. Nur die Hilfsvereine für weibliche Angestellte" zwar formell nicht zu den Gewerkvereinen gehören, ihnen aber wesensverwandt sind weisen an einzelnen Orten eine stattliche Mitgliederzahl auf, so vor Allem in Berlin  . Jedoch kommen diese harmonieseligen Organisationen für die wirthschaftlichen Kämpfe der deutschen Arbeiterklasse am allerwenigsten in Betracht, fämpfen sie doch nicht einmal energisch für bessere Arbeitsbedingungen ihrer eigenen Mitglieder. Was die Arbeiterinnen verschiedener Berufe anbelangt, die hier und dort von katholischen und evangelischen Frauengruppen, Arbeiterfreunden 2c. oder von bürgerlichen Sozial­reformlern in Lokalvereinen organisirt worden sind z. B. die Heimarbeiterinnen in Berlin  , die Kellnerinnen in München  , so

befizen in Folge ihres angeblich" politischen" Charakters keine weiblichen Mitglieder. Was an allgemeinen Arbeiterinnenvereinen von Büttelgewalt nicht zerschmettert wurde, das fiel dem Nach­richterthum des Juristenscharfsinns zum Opfer. So umschließen denn die Zentralverbände entschieden nicht blos das Gros der gewerkschaftlich organisirten deutschen Arbeiterinnen, sondern vor Allem auch die Kerntruppen derselben.

Nur 21 von den 58 zentralisirten Gewerkschaften weisen 1900 eine weibliche Mitgliedschaft auf, und dies obgleich mit verschwin­denden Ausnahmen( Bildhauer, Dachdecker, Maschinisten und Heizer, Seeleute) alle mit weiblichen Berufsangehörigen rechnen müssen. In den 21 Verbänden waren zusammen 22844 Arbeiterinnen organisirt. Die geringste Zahl weiblicher Mitglieder finden wir im Verband der Lagerhalter: 9, die größte im Textilarbeiterver= band: 5254. Letterer ist die einzige Gewerkschaft, die eine weib­liche Mitgliedschaft von über 5000 zählt. Nur in fünf weiteren Verbänden beträgt die Zahl der organisirten Arbeiterinnen mehr als 1000, reicht aber noch nicht nahe an 5000 heran. Es sind dies die Verbände der Schuhmacher mit 1915, der Metallarbeiter mit 2693, der Fabrit- und gewerblichen Hilfsarbeiter mit 2889, der Buchbinder mit 3046 und der Tabatarbeiter mit 3922 weiblichen Mitgliedern. In einer Stärke von über 500 sind die Arbeite­rinnen in folgenden drei Zentralisationen vertreten: Buchdruckerei­hilfsarbeiter 698, Holzarbeiter 726, Schneider 758. Den drei Verbänden der Handschuhmacher, Hutmacher und Porzellanarbeiter gehören 105, 111 und 357 weibliche Arbeiter an. Die übrigen gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen vertheilen sich auf die einzelnen Verbände wie folgt: Lagerhalter 9, Konditoren 15, Ver­golder 28, Sattler 31, Glasarbeiter 33, Tapezierer 37, Mas­seure 46, Handlungsgehilfen und Zigarrenfortirer je 80.

Schon diese Zahlen lassen sinnenfällig die winzige Betheilt­gung der deutschen Arbeiterinnen an der gewerkschaftlichen Organi­sation erkennen. Jedoch noch plastischer tritt diese in Erscheinung, wenn wir die Zahl der Arbeiterinnen der Zahl der weiblichen Organi­firten gegenüberstellen. Nach der Gewerbezählung von 1895 waren in den 58 Berufen, welche für die Statistik der Generalfommission in Betracht kamen, 825 796 Arbeiterinnen beschäftigt. Nur 22844 davon gehörten Verbänden an, das heißt 2,76 Prozent, also vom Hundert noch nicht drei. Von den männlichen Berufsangehörigen entfielen dagegen auf Hundert fast achtzehn Organisirte, nämlich 17,88 Prozent. Die stärkste Verhältnißzahl organisirter Arbeiterinnen weist das Buchbindergewerbe mit 22,50 Prozent von 13535 weib­lichen Berufsangehörigen auf. Ihm reiht sich die Schuhindustrie an, von deren 9431 Arbeiterinnen 20,31 Prozent organisirt sind. 12,15 Prozent der 5747 Buchdruckereihilfsarbeiterinnen( nach der Berufszählung) gehören ihrem Verband an. Den Metallarbeitern ist es gelungen, ihrer Zentralisation 11,37 Prozent ihrer 23 684 Kolleginnen zuzuführen; 6,65 Prozent der 1579 Handschuhmache­rinnen find organisirt, 6,62 Prozent der 10961 Holzarbeiterinnen und 6,58 Prozent der 60 757 Tabatarbeiterinnen; der Verband der Fabrik- und gewerblichen Hilfsarbeiter umschließt 4,97 Prozent der in Betracht kommenden 58 154 Arbeiterinnen 2c. Ungemein beklagenswerth ist der ganz niedrige Satz der organisirten Arbeite­