bewerthen auch wir den Dienst, den die Frau durch die Fortpflanzung der Art der Gesellschaft leistet, als so hoch, daß wir meinen, als Gegenleistung müsse die Gesellschaft der Frau die Existenzmöglichkeit während dieser Zeit garantiren. Aber wir sind leider nicht die Ge­sellschaft. Auf der Frauenkonferenz in Mainz wurde ausdrücklich betont, aus Rücksicht auf die Durchführbarkeit unserer Forderungen wollten wir zunächst nur das Nothwendigste, das Minimum heischen. Und daß wir unsere ganze Kraft einsetzen müssen, um auch nur dieses Minimum zu erlangen, weiß Jeder, der sich der vielen Rück­wärtser auf sozialpolitischem Gebiet mit ihrem großen sozialen und politischen Einfluß vergegenwärtigt. Was die Frau der Gesellschaft durch die Fortpflanzung der Art leistet, wird nur voll gewürdigt werden in einer Gesellschaft, die auf vollkommen veränderter Grund­lage aufgebaut ist. In einer Gesellschaft, wo nicht der todte Besitz mehr gilt, als der lebendige Mensch, wo deshalb nicht mehr die Pro­duktion von Profit höher bewerthet wird, als die Produktion von Menschen. Deshalb ersehnt und wünscht auch die Proletarierin nicht nur diese Gesellschaft herbei, sondern sie kämpft für ihre Erreichung mit der ganzen Begeisterung, der Inbrunst, die nur ein hohes, hehres Ideal zu verleihen vermag.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. In Bayern entfalten die Gewerk­schaften neuerdings eine rührige Agitation, um die Arbeiterinnen in immer größerer Zahl der Organisation ihres Berufs zuzuführen. So fanden im Laufe der letzten Monate öffentliche Versammlungen für verschiedene Arbeiterinnenkategorien statt in München , Mem­ mingen , Sonthofen , Füssen , Augsburg , Kempten , Lech­hausen und Raufbeuren. Genossin Greifenberg- Augsburg sprach in allen diesen Versammlungen, sei es als Referentin, sei es als Einberuferin und Vorsitzende. In München war leider die Versammlung der Arbeiterinnen und Arbeiter der Bürsten- und Pinselindustrie nur schwach besucht. Der Grund dafür ist mit darin zu suchen, daß die Versammlung Sonntag Vormittag stattfand, wo die Arbeiterinnen sich kaum von den häuslichen Geschäften frei machen können. Um den Frauen den Versammlungsbesuch zu er= leichtern, soll in nächster Zeit an einem günstigen Tage eine Ver­sammlung einberufen werden, in der Genossin Greifenberg wieder referirt. Die organisirten Buchbinder von München gingen fol­gendermaßen vor, um mehr Arbeiterinnen als gewöhnlich in die Ver­sammlung zu führen. Sie beauftragten Genossin Greifenberg mit der Einberufung und dem Vorsitz derselben und übertrugen das Referat Herrn Dr. Epstein, der über Die Gesundheitsschädi­gung der Frau durch die gewerbliche Arbeit" sprach. Im

" Schau", sagte der Waldheger launig, selb' nit, denn an meiner Thür is nit einmal ein Riegel." Gr zog den Stuhl an sich und setzte sich neben der Alten an das Bett." Laß Dir sagen, Reger!", fuhr er fort, wir woll'n der Welt und sie uns nir mehr, über Zeiten sein mer hinaus. Ich hab' mer's all mein' Tag unluftig g'nug vorg'stellt, wann ihrer zwei sich so af ein Anwesen z'samm'setzen und d'Lieb' als G'wert betreiben, diß nur die sakermentische Welt nit ausstirbt; da füllt sich d'Stub'n mit Kinder, je größer die werd'n, je nirnußer werd'n d'Alten, af d'Lezzt wirft mer vor die Thür, wenn d'Jungen d'Werkstatt brauchen. Na, gelt ja, dös hast erprobt? Mir is nit unlieb, daß mer dös erspart blieben is, denn seinzeit is mer doch manch­mal der Gedanken durch' n Kopf g'schossen, daß sich's am End' mit Dir wagen ließ', aber es möcht' wohl auch nit anders aus­gangen sein. Wann ich gleich d'Jahr her, wo Du verheirath' warst, öfter in der Abendruh' mir ausdenkt und davon geträumt hab', wieviel in Schönern sich alles in der Weis' möcht' anlass'n hab'n, so glaub' ich heut' wohl, daß dasselbe Träumen eigentlich ' s Liebliche war, und wo ich Dich jetzt so betracht', da denk' ich gar nit, Du wärst verheirath' g'west und hätt'st Kinder g'habt, jezt is mir all das Erlebte wie a Traum und' s Geträumte wird mir wie's Erlebte."

Er faßte mit seiner knöchernen Rechten die welke Hand der Alten und drückte sie. Vielleicht vergißt auch Du manchmal auf all Dein Widerfahr'nes, wenn wir uns da unter den Augen herum­gehen und in uns das Gedächtniß an die Zeit lebig wird, wo wir ohne Denken und Besinnen neben einander her durch d' grüne Welt g'laufen sein. Selb ' Zeit, wo wir uns ein Deften durch' n stillen Wald hindang'schlichen haben bis zur Lichtung, wo man so

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Anschluß an seine sehr interessanten Ausführungen erörterte Genossin Greifenberg eingehend, welche gesundheitsschädigenden Einflüsse die Arbeiterin im Buchbindergewerbe bedrohen. So verdirbt z. B. das Falzen die Augen; die Arbeit an den schweren Maschinen, die von Männern bedient werden sollten, verursacht Frauenleiden und eine allgemeine Ueberanstrengung, welche allmälig die Lebenskraft zer­rüttet und untergräbt 2c. Die Rednerin hob den verderblichen Ein­fluß der niedrigen Arbeiterinnenlöhne hervor, die zur Unterernährung zwingen und der Gesundheit verderblich werden. Im Buchbinder­gewerbe kommt es vor, daß die Frauen und Mädchen für die gleichen Arbeiten bis 50 Prozent niedriger entlohnt werden als Männer. Dies der Hauptgrund, weshalb hier die Unternehmer immer mehr Arbeiterinnen einstellen, und daß dadurch den Arbeitern trotz ihrer vierjährigen Lehrzeit eine schwere Konkurrenz erwächst. Erfreulicher­weise waren in der gutbesuchten Versammlung die Arbeiterinnen bei Weitem in der Mehrzahl vertreten und verfolgten aufmerksam die Der Verband Ausführungen des Referenten und der Vorsitzenden. gewann eine Anzahl weiblicher Mitglieder, die versprachen, treu zur Organisation zu stehen und für dieselbe mit aller Kraft unter den Kolleginnen zu wirken. In Memmingen , Sonthofen , Füssen , Augsburg , Kempten , Lechhausen und Kaufbeuren sprach Genossin Greifenberg in öffentlichen Arbeiter- und Arbeiterinnen­versammlungen über das Thema:" Unser täglich Brot gieb uns heute". Sämmtliche Versammlungen waren sehr gut besucht, und zwar auch von Frauen und Mädchen, welche den Ausführungen der Referentin nicht blos mit lebhaftem Interesse zuhörten, sondern auch wiederholt durch Zwischenrufe ihre Zustimmung zu denselben be­kundeten. Das rege Interesse, das die Frauen für das öffentliche Leben und die Interessen der Arbeiterklasse an den Tag legten, ist um so beachtenswerther, als von Seiten der Klerikalen alles daran gesetzt wird, jede aufkeimende moderne Arbeiterbewegung zu unter­drücken. Wird z. B. von den Gewerkschaften oder von den Sozial­demokraten eine Versammlung in jener Gegend einberufen, so bieten die Schwarzen alles auf, um entweder die Leitung in ihre Hände zu bekommen oder die Versammlung zu sprengen. Wie energisch und dabei kühl besonnen dort von unserer Seite gearbeitet werden muß, um mit der Agitation einzusetzen und festen Fuß zu fassen, läßt der Umstand erkennen, daß z. B. in Füssen der katholischen Organisation der Textilarbeiter ca. 300 Mitglieder angehören, dem deutschen Textil­arbeiterverband dagegen nur etwa 50. Nun beginnen in jenem schwarzen Winkel gerade die Frauen, ein lebhaftes Interesse an un­serer Bewegung zu zeigen. Es ist dies erklärlich: sie leiden am meisten unter den Verhältnissen. Füssen z. B. ist ein wunderschön gelegener Kurort mit starkem Fremdenverkehr. Dieser hat die Woh­nungs- und Lebensmittelpreise enorm in die Höhe getrieben, die Löhne haben sich dagegen auf einer niedrigen Stufe gehalten. Die Frauen weit ins Flachland sieht mit den klein' Dörfern, den Rebhügeln und die Berg', die fern blauen; wern da so der lieb' Sonn'schein über allem g'legen is und der Wind so stad drüber wegg'fächelt hat, da is uns in d' tiefste Seel' hinein word'n, als gäb's kein Gestern und fein Morgen, als gäb's nur ein Erinnern an heut' und das sollt' gleichzeit auch vergessen sein, und wir hab'n auf­g'juchzt: Herrgott, was tost't dein' Welt!"

Und der Greis sah in das Gesicht der Greisin, und diese sab vor sich hin und die Waldhegerhütte war verschwunden, der Qualm zerstoben, die Tannenlichtung stand da, die Zweige fächelten, in hellem Sonnenschein lag das flache Land mit seinen kleinen, weißen Dörfern, hellgrünen Rebenhügeln und fernen tiefblauen Bergen, und die Vögel sangen; zu Füßen einer Tanne im weichen Moose saßen zwei Leutchen, der stämmige Bursche hatte seinen Arm um die Hüfte der kleinen, drallen, gluthäugigen Dirne geschlagen, jetzt wollte er sie mit der freien Hand an dem Kinne fassen und ihren Mund an den seinen zwingen, sie aber blickte ihm schelmisch in die Augen. Du bist der Ungenügsam'", sagte sie. Morgen ist auch ein Tag", und griff mit beiden Händen seine Rechte.

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Alt- Regerl hielt zwischen ihren schmalen Fingern die knöcherne Hand des Waldhegers.

,, Ei, Du mein", sagte sie, war einmal eine Zeit

Ein wehmüthiges Lächeln spielte um die eingefallenen Lippen der beiden Alten, sie saßen Hand in Hand und sahen durch das Fenster nach den grünen Tannenzweigen, und der weiße Flaum, der hier und da zwischen den Nadeln hing, mochte wohl Blüthe sein.