noch zu. daß auch sie über Sinn und Zweck meiner Aeußerung nichtim Zweifel sein konnte. Ich bekenne zerknirscht, daß ich ihr politischesWissen und Verstehen, ihre Elementarbildung und last not least ihrpersönliches Anstandsgefühl in bedauerlicher Weise überschätzt habe.�Isa culpa, mea maxima culpa! Die Handlungsweise der Dame hatmich mit erdrückender Beweiskraft belehrt, sie hat mir einen Tiefstandpolitischer Einsicht und persönlicher Würde enthüllt, für den jederMaßstab versagt.Wenn die angezogene Notiz eine Denunziation enthalten soll.so hat sich die„Gleichheit" in Gemeinschaft mit der gesammten Parteipresse seit dem ersten Tage ihres Erscheinens des geziehenen Verbrechens schuldig gemacht. Wieder und wieder hat sie bei jeder Gelegenheit mit Nachdruck darauf hingewiesen und durch Thatsachenerhärtet, daß die Behörden bei Anwendung des Vereins- und Versammlungsrechts in Preußen und anderen deutschen Einzelstaatenfür die Proletarierinnen und bürgerlichen Frauenrechtlerinnen zweierleiMaß und Gewicht in ihrem Sack führen. Und nicht die„Gleichheit"allein: vorkommenden Falles haben alle sozialdemokratischen Organedas Gleiche gethan. Sie haben damit nur einer Kampfespflicht genügt, deren Erfüllung z. B. seinerzeit der sozialdemokratischen Parteiim Ringen für die Beseitigung des Verbots des Jnverbindungtretenspolitischer Vereine auferlegt wurde. Ich erinnere nur an die systematischen Hinweise sozialdemokratischerseits auf die laxe Praxis derbetreffenden Bestimmungen des Vereinsgesetzes gegenüber dem Bundder Landwirthe und anderen bürgerlichen Organisationen, ganz besonders aber an Bebels bekanntes Vorgehen in dieser Richtung.Hätte ich mich in dem vorliegenden Falle des Rechts der Kritikan Unrecht und Mißwirthschaft begeben, so würde ich mich einergroben Pflichtverletzung schuldig gemacht haben, die ich weder vormeinem Gewissen, noch vor meiner Partei verantworte» könnte, amallerwenigsten aber vor den proletarischen Frauen, die in ihremKampfe für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts von den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen noch jederzeitallein gelassen worden sind. Zum Beweis dafür eine recht zeitgemäßeReminiszenz. Umklungen von dem frauenrechtlerischen Gezeter darüber. daß bürgerlichen Damen einmal recht sein sollte, was den proletarischen Frauen noch allzeit billig gewesen ist— nämlich die strikteAnwendung des geltenden erzreaktionären Vereinsunrechts— entbehrtsie gerade gegenwärtig nicht eines pikanten Beigeschmacks. Als dielex Recke seinerzeit bis zu den schwächlichen liberalen Mannesseelenzum Protest aufpeitschte: waren es die radikalen Frauenrechtlerinnenin Berlin, die aus„taktischen Gründen" auf eine Protestaktion, aufDie jungen Leute, die auf so angenehme Weise die Zeittodtschlugen, hatten es nicht gemerkt, daß sie schon längere Weilenicht mehr allein waren, daß Jemand in den Garten getreten warund sich da zu schaffen machte.Es war eine lange, hagere Magd, sie hatte ein leichtes Tuchnach vorne und hinten„zipfet" um den Kopf gebunden, so daßes von ihrem reichen tiesschwarzen Haare nichts sehen ließ, undwenngleich aus dem mürrischen Gesichte mit den herben Zügenein paar dunkle Augen brennend hervorleuchteten, so drückten dochdie Brauen zu tief auf selbe herab. Die Kleidung, welche sietrug, verunzierte sie geradezu; dieselbe war freilich so reinlich wienur möglich gehalten, doch schien sie in allen Stücken zusammengesucht; der Spenzer mit dem langen Leib und den schmalenAermeln, der Rock, der ihr sackartig um die Beine schlotterte, unddie plumpen Schnürstiefel ließen das Eckige und Derbknochigeihrer Gestalt über Gebühr hervortreten. Kurz, eine Person, dienichts auf sich gab und ebensowenig auf Andere zu geben schien.Sie schritt an den Beeten hin, kniete an einzelnen niederund jätete das Unkraut mit hastigen, aber sicheren Griffen aus,kein Wurzelstrunk blieb heil in der Erde zurück. Sie kam hinaufbis an das andere Ende und kniete jetzt dicht vor dem Holunderstrauch.Sie horchte auf. Einen Augenblick flog ein höhnisches Lächelnüber ihr Gesicht und sie murmelte:„Wenn man das Tschapperlmachen ließ!?" dann aber nahmen ihre Züge einen tiefen Ernstan und sie schüttelte mehrmals nachdrücklich den Kopf.Die Leute im Orte sagten, über Hartingers Sixtin wärenicht klug zu werden. Vor Jahren kam sie. zu einer Zeit, wosie auf dem Hofe überzählig war und ihr Theil Arbeit ihr vonder der anderen zugewiesen werden mußte. Bald merkte das Gesinde, daß sie sich noch nebenher, außer den Stunden, zu beschäftigen suchte, und nahm ihr dieses„Schönmachen vor demden Kampf gegen das preußische Vereinsrecht und einen Vorstoß fürdie Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts verzichteten.Die behördliche Praxis zweierlei Rechts in Sachen des Vereinsund Versammlungsrechts gegenüber Bourgeoisdamen und Proletarierinnen. die in der Oeffenllichkeit und zum tiefen Schaden derAllgemeinheit geschieht, darf aber nicht im stillen Kämmerlein bejammert. sie muß auf dem Forum mit aller Schärfe kritisirt undbekämpft werden. Nur wer jeglichen Gerechtigieitssinnes bar ist.kann Sozialdemokratinnen ansinnen, in gottergebener Preußischreichsdeutscher Gesinnungstüchtigkeit dort zu schweigen, wo das Interesseder proletarischen Frauen zu reden gebietet; zu schweigen und warum?Auf daß den Organisationen von Bourgeoisdamen auch fürderhindie Gnade und Wohlthat einer Anwendung des Gesetzes zu Theilwerde, die nicht im Zeichen der Gerechtigkeit steht, sondern in demder Klassenjustiz, der Galanterie und der politischen Nichtachtung.Daß gerade Frl. Augspurg dieses Ansinnen erhebt, daß siedie vereinsgesetzlich„verbotenen Bethätigungen" frauenrechtlerischerOrganisationen und die seitherige Toleranz der Behörden ihnengegenüber als„jungfräuliches Geheimniß" der Damen um FrauCauer und der Beamten um Herrn von Windheim behandelt wissenwill, an das keine unheilige sozialistische Hand rühren darf, ist ebensoverblüffend als komisch. Niemand anders nämlich als Frl. Augspurgin selbsteigener Herrlichkeit hat dieses jungfräuliche Geheimniß profanenBlicken enthüllt. Allerdings nicht in einer j-j-j- sozialdemokratischenZeitung, wohl aber in der hochehrbaren konstituirenden Versammlungder„Gesellschaft für soziale Reform". Dieselbe lehnte es bekanntlichunter Hinweis auf die vereinsgesetzlichen Bestimmungen in Preußenund anderen deutschen Bundesstaaten ab. Frauen als Mitgliederaufzunehmen. In der Diskussion über die strittige Frage erklärteFrl. Augspurg.„daß selbst für Preußen diese ängstliche Rücksicht auf das Vereinsgesetz überflüssig erscheine angesichtsder großen Toleranz der Polizei allen bürgerlichen politischen Frauenvereinen gegenüber. die in ihren vom Buchstaben des Gesetzes durchweg verbotenen Bethätigungendurch Petitionen zc. völlig unbehelligt bleiben." So zulesen im Artikel„Muth?" in Nr. 2 der„Frauenbewegung" vom15. Januar dieses Jahres. Der angeführte Satz enthält auch nichteinen Schatten der Auffassung, daß das Thun frauenrechtlerischerOrganisationen und das Verhalten der Behörden ihnen gegenüberzu der Kategorie der„heimlichen Liebe" gehöre,„von der Niemandnix weiß", nichts wissen dürfe. Im Gegentheil: er pocht und prachertmit den„vom Buchstaben des Gesetzes durchweg verbotenen Bethäti-Dienstherrn" anfangs gewaltig übel, als man aber sah, daß siedabei blieb, ob nun der Bauer um die Wege war oder nicht, dakannte man sich erst recht nicht mit ihr aus und zuckte die Achseln.Die erste Zeit ließ sich's der Hartinger angelegen sein, sein einzigesKind, die damals kleine Sopherl, von der Sixtin fern zu halten;er brauchte sich nicht lange darüber Sorge zu machen, denn dieMagd hielt sich alsbald fremd zu dem Kinde, wie später auch zuder heranwachsenden Dirne. Jedes Jahr, wenn der Tag wiederkehrte, an welchem sie dermaleinst der Hartinger in seinen Dienstgenommen, trat sie in aller Frühe zu dem Bauer in die Stube,zog die Thüre hinter sich vorsorglich zu und verblieb eine kleineWeile mit dem Alten allein. Das fiel dem Gesinde auf, es verlegte sich aufs Horchen an der Thüre und auss Lugen durchsSchlüsselloch, um doch zu wissen, was die Beiden miteinanderhätten, und bald wußte man, daß es damit Jahr für Jahr, daseine wie das andere Mal, folgenden Hergang hatte.Die Sixtin sagte:„Guten Morgen, Bauer, mit dem heutigenTage ist wieder ein Jahr um."„Ich weiß", sagte er und nickte.„Hast Du mir etwas zu verweisen", sagte sie,„oder eineVerwöhnung, oder ein Begehr'?"„Nein", sagte er,„hast Dich brav g'halten."„So vergelt Dir's Gott, Bauer", sagte sie.„Jetzt geh' ichfür Dich beten." Darauf griff sie seine Hand, küßte sie undging geradeswegs nach der Kirche. Den Bauer konnte man immerdanach eine Weile nachdenklich am Fenster stehen sehen.„Es ist nicht daraus klug zu werden", sagten die Leute,„aber möcht' nur der Hartinger reden, der muß was wissen."Sie hatten recht.Es hätte sich ein Roman daraus machen lassen, gewiß—und verstünde ich mich dazu, die Vorgeschichte als Hauptgeschichtezu behandeln, so sollte der Leser so viel Herzweh und Jammer