Heußler und Bodenbach. Alle Gewählten haben sich selbst und der Versammlung die Versicherung gegeben, im kommenden Jahre mit ganzer Kraft sich der Agitation unter dem weiblichen Proletariat zu widmen zu Nuß und Frommen unserer Gesammtbewegung. Glück­auf zu neuer Arbeit und hoffentlich zu neuen Erfolgen! Louise Zietz  , Vertrauensperson.

Von der Organisation. Am 18. Oktober wurde in Augs­ burg   von einer gut besuchten Frauenversammlung nach einem kurzen, einleitenden Referat von Genoffin Greifenberg ein Verein ge­gründet, welcher den Namen führt: Bildungsverein für Frauen. und Mädchen." Der Verein soll den Zweck verfolgen, das Wissen seiner Mitglieder durch Vorträge und geeignete Lektüre zu bereichern und ihnen Gelegenheit zu geben, anregende Geselligkeit zu pflegen. Der Organisation traten sofort 45 Mitglieder bei.

M. G.

Die Behörden im Kampfe gegen die proletarischen Frauen. Wegen Uebertretung des preußischen Vereinsgesetzes wurde Genoffin Jäger, frühere Vorsitzende des Frauen- und Mädchen­bildungsvereins Rigdorf", kürzlich in zweiter Instanz zu 20 Mt. Geldstrafe oder 8 Tagen Gefängniß verurtheilt. Der Bildungsverein soll nämlich unter ihrer Leitung gegen§ 2 des Vereinsgesetzes ge­sündigt und sich mit politischen Angelegenheiten beschäftigt haben. Die erste Instanz, das Schöffengericht, hatte seiner Zeit auf Frei­sprechung erkannt. Der Staatsanwalt legte jedoch gegen diesen Ent­scheid Berufung ein, und die zweite Instanz, die Straffammer des Landgerichts II, trat seiner Auffassung bei und gelangte zu einer Ver­urtheilung. Die Einwirkung auf die öffentlichen Angelegenheiten wurde darin erblickt, daß nach den Aufzeichnungen und Aussagen eines Polizeileutnants, zweier Schuhleute in Uniform, zweier Schutz­leute in Zivil und zweier Gendarmen der Verein Gelder für sozial­demokratische Zwecke ausgeworfen habe, und zwar 20 Mt. für aus­gesperrte Tabakarbeiter und 25 Mt. für einen Kranz für Liebknecht. Außerdem habe der Verein sich in einer Reihe von Vorträgen mit öffentlichen Angelegenheiten beschäftigt, so mit der Frage der gesetz­lichen Verkürzung der Arbeitszeit, des Schutzes der Wöchnerinnen, der Propaganda für sozialdemokratische Wahlen, für die freie Liebe(!) und den Beitritt zu Konsumvereinen. Trotz einer glänzenden Ver­theidigungsrede des Rechtsanwalts Genossen Fränkl erkannte die Straf­kammer auf die oben mitgetheilte Strafe. Das Urtheil wurde damit begründet, daß durch die Zeugenaussagen der Beamten unzweifelhaft festgestellt sei, der Verein beschäftige sich mit öffentlichen Angelegen­heiten. In der Folge bestände für ihn die Verpflichtung, seine Mit­glieder an und abzumelden. Die politische Unmündigkeit des weib­lichen Geschlechts vor dem preußischen Vereinsgesetz erweist sich im Rapitalistenstaat als ein geschicktes Mittel, ordnungsretterisch das Werk der Aufklärung und Organisirung der Proletarierinnen zu hemmen.

Noch etwas von den Herrlichkeiten des preußischen Vereinsgesetzes. Für die Lassallefeier in Schwelm   war die Zu­lassung von Frauen und damit die ganze Feier polizeilich unter­sagt worden. Beim Regierungspräsidenten in Arnsberg   wurde Be­schwerde dagegen eingereicht. Derselben wurde folgender ablehnender Bescheid zu Theil:

,, Die angestellten Ermittlungen haben die Annahme der dortigen Polizeiverwaltung, wonach als der eigentliche Veranstalter des für den 1. September geplanten Festes im Gegensatz zu der nach Außen hin auftretenden sogenannten Lassallefeier- Rom­mission der dortige sozialdemokratische Verein anzusehen ist, durch­aus bestätigt. Die beabsichtigte Betheiligung von Frauen an der Festlichkeit konnte daher gemäߧ 8 des Vereinsgesetzes nicht gestattet werden. Hierbei ist insbesondere unerheblich, daß das Fest auch für Nichtmitglieder zugänglich sein sollte, da auch solche Versammlungen, wenn sie von politischen Vereinen ausgehen, den Be­schränkungen des§8 a. a. D. unterworfen sind. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Erwägung darüber, ob das Fest, welches als eine öffentliche Luftbarkeit beabsichtigt war, nicht schon aus allgemein polizeilichen Gründen( vergl. Regierungs- Polizeiverordnung vom 24. Mai 1835, A. Bl. S. 183) dem polizeilichen Verbot unterlag."

Die vorstehenden Ausführungen sind ein geradezu mustergiltiges Beispiel dafür, wie behördliche Bescheide ausfallen müssen, die im Zeichen der Losung stehen: Der Jude muß verbrannt werden!" Für die Proletarierinnen soll die Versammlungsfreiheit illusorisch gemacht werden, welche das preußische Vereinsrecht dem weiblichen Geschlecht gestattet, es ist deshalb unerheblich", ob die geplante Versammlung" eine öffentliche oder nichtöffentliche sei. Sie kann verboten werden dank von Gründen, die wohlfeil wie Brombeeren sind. Die Behörde stützt ihr Verbot zunächst auf folgende Annahme: Die Lassallefeier war gar keine öffentliche Veranstaltung, sondern die Veranstaltung eines politischen Vereins, der Nichtmitglieder zulassen wollte. Die

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,, sogenannte" Kommission trat nur nach Außen auf, ihre Existenz und Thätigkeit ändert an dem entdeckten nichtöffentlichen Charakter des Festes nichts. Gemäߧ 8 des preußischen Vereinsgesetzes mußte deshalb die Feier wegen der beabsichtigten Betheiligung der Frauen verboten werden. Für hartnäckige Gemüther, welche diese Begründung nicht genügend überzeugen sollte, eröffnet aber die hohe Behörde

gleichzeitig den Ausblick auf eine andere Annahme, welche das Ver­

bot unter allen Umständen rechtfertigt. Gesetzt, das Vorhandensein der Kommission und die Zulassung von Mitgliedern sei ausreichend, um den öffentlichen Charakter der Lassallefeier nachzuweisen. Als öffentliche Lustbarkeit" unterlag sie eventuell dann schon aus all­gemein polizeilichen Gründen" dem Verbot. Ob öffentlich oder nicht­öffentlich, das ist gehupft wie gesprungen. Gründe sind stets vor­handen, welche das Verbot rechtfertigen. Sicherlich haben die Be­hörden in sehr vielen preußischen Städten ebenso viele Gründe in petto, um nachzuweisen, daß Damen  " die Betheiligung an öffent­lichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen der Flottenvereine von rechtswegen erlaubt war und ist.

Etwas von der gefinnungstüchtigen Praxis des bayeri­schen Vereinsgesetzes. Die Straffammer des Landgerichts Nürn­ berg   hat fürzlich das bayerische Vereinsgesetz in einer Weise aus­gelegt, welche geeignet ist, die gewährten dürftigen politischen Rechte der Frauen wieder wesentlich einzuschränken. Die Polizei verurtheilte seiner Zeit Genossin Rudolph wegen Betheiligung an der Maifeier zu 5 Mt. Geldstrafe. Genosse Bohl, der Leiter der Maifeier, sollte mit 10 Mt. büßen, weil er die Betheiligung einer Frau an der Ver­anstaltung geduldet hatte. Die Nürnberger   Maiversammlung war nämlich von der Polizei als politisch erklärt worden. Das Schöffen­gericht trat jedoch dieser Auffassung nicht bei. Es betrachtete die Maifeier als eine gewerkschaftliche Versammlung und hob die Polizei­strafen auf. Der Staatsanwalt legte gegen diesen Entscheid Berufung ein. Nun hatte sich die Strafkammer mit der entsetzlichen politischen" Morithat zu befassen. Sie gelangte zur Verurtheilung und verhängte Bußen in der Höhe des polizeilichen Strafmandats. Ihrer Auffassung nach bedingten die verhandelten Gegenstände, daß die Versammlung eine politische war, wenngleich sie vom Gewerkschaftskartell einberufen worden. Als Volksversammlung aber, im Sinne des§ 1 des bayeri­schen Vereinsgesetzes, so schlußfolgerte die Straffammer weiter, tönne sie nicht gelten, weil sie von einem Vereine dem Gewerkschafts­fartell einberufen sei. Dieses wäre durch Veranstaltung dieser politischen Versammlung zu einem Verein geworden. An Versamm­lungen, die von politischen Vereinen veranstaltet werden, dürfen aber Frauen nicht theilnehmen. Gegen das Urtheil wird Revision einge­legt. Sollte die Praxis des Vereinsgesetzes, wie sie den Nürnberger  Polizeibehörden beliebte, durch richterliches Oberurtheil sanktionirt werden, so ist die Betheiligung der Frauen an Volksversammlungen und öffentlichen Gewerkschaftsversammlungen in schwerer Weise be­droht und zum großen Theile von dem Belieben und der Auslegungs­freudigkeit der Polizei abhängig gemacht.

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Das braunschweigische Vereinsgesetz als staatsretterisches Juwel". Wie die proletarischen Frauen nicht nur unter den reaktionären Vereinsgesetzen vieler deutscher Vaterländer zu leiden haben, sondern weit mehr noch unter deren erzreaktionären, kniff­lichen Auslegung und Anwendung, davon folgende Beispiele aus dem Herzogthum Braunschweig  . Am 16. Ottober sollte in Eschers­hausen eine Versammlung der Fabrik, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen stattfinden. Um 8 Uhr war der Saal bis auf den letten Platz gefüllt. Arbeiter und Arbeiterinnen, aber auch viel bürgerliche Leute, unter Anderen der Pastor und die Lehrer des Ortes, waren erschienen. Die Versammlung ward eröffnet, und ich erhielt das Wort zu meinem Vortrag: Die wirthschaftliche Lage der Arbeiter und Arbeiterinnen und wie ist dieselbe zu ver­bessern?" Da wendete sich der überwachende Beamte zum Vor­sitzenden und verlangte auf Grund des§ 14 des braunschweigischen Vereinsgesetzes vom Jahre 1853, daß die Frauen, einschließlich der Referentin, den Saal verlassen müßten, falls die Versammlung statt­finden solle. Nicht nur alles Protestiren und Berufen auf die Ge­werbeordnung war umsonst, wir durften vielmehr den Anwesenden nicht einmal eine Erklärung über das Begehren des Beamten ab­geben. Um einer Auflösung vorzubeugen, blieb uns nichts anderes übrig, als die Versammlung zu schließen und später im Privatgespräch den Leuten Aufklärung zu geben. Ebenso wie in Eschershausen er­ging es uns in Holzen, Braunlage   und Holzminden  . Ueberall beriefen sich die Beamten auf den oben angezogenen§ 14. Derselbe besagt, daß an öffentlichen Versammlungen, in denen öffentliche An­gelegenheiten erörtert werden, Frauen, Lehrlinge und Kinder nicht theilnehmen dürfen. Mit Ausnahme der Versammlung in Holz­ minden   wo ich gesprochen habe, und zwar über die schöne Laub­

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