färbung im Herbste, welche die Arbeiter sich gemeinsam ansehen sollten, über das steinreiche" Wesergebirge   und über unsere Weih­nachtsfeier in Hamburg   haben die Beamten gar nicht erst ab­gewartet, ob ich öffentliche Angelegenheiten erörtern werde. Dann aber hebt der§ 152 der Gewerbeordnung aus dem Jahre 1869 alle Verbote, alle Strafbestimmungen auf gegenüber solchen Ver­einigungen und Verabredungen, die den Zweck haben, bessere Lohn­und Arbeitsbedingungen zu erringen. Reichsgesetz geht doch über Landesgesetz. Worauf sollen sich übrigens die Bestimmungen des § 152 beziehen, wenn nicht auf die betreffenden landesgesetzlichen Ver­bote? Vergeblich haben wir den Beamten alle die Gründe erklärt, welche ihr Vorgehen als gesetzlich nicht gerechtfertigt erweisen. Unter der Auslegung und Anwendung des Vereinsgesetzes, wie sie in Braun­ schweig   praktizirt wird, haben die Arbeiterinnen dieses deutschen  " Vaterlandes" also kein Koalitionsrecht. Die Genossen haben ver sprochen, auf dem Wege des Verwaltungsstreitverfahrens den Frauen das Recht der Theilnahme wenigstens an gewerkschaftlichen Versamm­lungen zu erringen. Und die Genossinnen stehen bei diesem Ringen kämpfend an ihrer Seite. Im Gegensatz zu Frl. Augspurg haben sie seit jeher nicht Toleranz und Koulanz von Seiten der Behörden er­fleht, sondern das den Frauen zustehende Recht mit allem Nachdruck gefordert. Wo aber dieses gesetzlich festgelegte Recht" ein kodifizirtes Unrecht bedeutet, haben sie für dessen Beseitigung gekämpft. Louise Zieh.

Notizentheil.

Weibliche Fabrikinspektoren.

Die Frage der Heranziehung von Frauen zur Gewerbe­aufsicht in Hamburg   hat in letzter Zeit Senat und Bürgerschaft, sowie die aufgeklärten Arbeiterinnen der alten Hansastadt beschäftigt. Im Dezember vorigen Jahres hatte die Hamburger Bürgerschaft sich mit einem Senatsantrag zu befassen, der die Vermehrung der Ge­werbeaufsichtsbeamten betraf. Bei dieser Gelegenheit wurde erörtert, ob es nicht zweckmäßig sei, auch einen weiblichen Aufsichtsbeamten mit anzustellen. Die Angelegenheit ward einer Kommission über­wiesen. An diese Kommission richteten die Genossinnen Hamburgs  eine Petition, die vorher in Form einer Resolution in allen Ver­sammlungen, in denen Genossin Ihrer über den Ausbau des Ar­beiterinnenschutzes referirte, zur einstimmigen Annahme gelangt war, In dieser Resolution, beziehungsweise Petition, ward mit dem Hin­weis auf die ständige Zunahme weiblicher Arbeiter auch in Hamburg  die Anstellung eines selbständigen, weiblichen Aufsichtsbeamten aus den Reihen der Arbeiterinnen und mit gleichem Gehalt wie die männlichen Aufsichtsbeamten gefordert. Die Gründe für diese For­derung waren furz angeführt worden.( Siehe Nr. 9 der Gleichheit" von diesem Jahre.) Eine ähnliche Petition, die aber nur eine Assi­stentin wünschte, und selbstverständlich dieselbe nicht aus den Reihen der Arbeiterinnen selbst forderte, hatten die bürgerlichen Frauen ein­gereicht. Anfang Oktober erschien nun der Bericht der Kommission, die von der Bürgerschaft beauftragt worden war, die Frage einer weiteren Ausgestaltung der Gewerbeinspektion zu prüfen. In dem selben heißt es, daß man zur Zeit die Anstellung eines weiblichen Aufsichtsbeamten nicht befürworten, der Frage aber wieder näher treten könne, wenn die Heimindustrie der Gewerbeaufsicht mit unterstellt sei. Im Weiteren ward über die Petition der Genossinnen gehöhnt, und es als unbescheiden bezeichnet, daß diese einen selb­ständigen weiblichen Beamten aus den Kreisen der Arbeiterinnen mit demselben Gehalt( man denke, welche Unverschämtheit!), wie die männlichen Inspektoren verlangt hätten. Die Eingabe sollte außer­dem nicht erschöpfend genug begründet sein. Der Petition der bürger­lichen Damen ließ dagegen die Bürgerschaftskommission alles Lob widerfahren, weil die Petentinnen so vernünftig" gewesen, nur eine Assistentin" zu wünschen, und auch die hierfür sprechenden Gründe logisch entwickelt" hätten. Allerdings: trotz der Bescheidenheit", troß der vernünftigen" Forderung und der logischen" Entwicklung aller dafür sprechenden Gründe, erreichten die bürgerlichen Frauen­rechtlerinnen nicht mehr, als die Genossinnen. Auch ihr vernünf­tiger" Wunsch ward abgeschlagen, nur in feiner, höflicher Form, mit der obligaten Verbeugung. Die bittere Pille wurde verzuckert. Auf den Zucker verzichten wir gern, und auf liebenswürdige Komplimente der wohlweisen Herren pfeifen wir. Was aber den uns applizirten Fußtritt anbelangt, so haben wir Kourage genug, ihn zu pariren. Den Genossinnen lag wahrhaftig nicht daran, mit der Kommission Höflichkeiten auszutauschen. Es kam ihnen nur darauf an, daß eine für die Arbeiterinnen überaus wichtige Institution geschaffen würde. Da war es nicht nur ihr gutes Recht, sondern angesichts der in anderen

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Bundesstaaten gemachten Erfahrungen bezüglich der Heranziehung von Frauen zur Gewerbeaufsicht geradezu ihre unabweisbare Pflicht, unter anderen Voraussetzungen als dort, die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren zu fordern. Denn daß verschiedentlich vollkommen ungeeignete Personen für das Amt der Gewerbeinspektion ge­wählt wurden, in Verbindung mit dem Fehlen jeglicher Macht= befugniß und Selbständigkeit weiblicher Beamten an anderen Orten, wie zum Beispiel in Leipzig  , Zwickau   2c., hat von vornherein hier und da einen Mißerfolg der Neuerung bedingt oder wenig stens einen vollen, durchschlagenden Erfolg derselben ausgeschlossen. Diese Sachlage ist selbstverständlich allen Rückwärtsern und Bremsern auf sozialpolitischem Gebiete ein willkommener Vorwand, um die ganze Reform zu diskreditiren. Vor allen Dingen aber ist den Ar­beiterinnen mit einer ganz mangelhaften Einrichtung nicht geholfen. In ihrem Interesse lag den Genossinnen nichts daran, daß unseren hiesigen Aufsichtsbeamten eine Frau beigegeben würde, die wie in Leipzig  

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als Briefkasten für Beschwerden" dient. Deshalb forderten sie einen selbständigen weiblichen Aufsichtsbeamten, der nicht für jeden einzuleitenden Schritt erst demüthig um die Erlaubniß nachsuchen muß. Freilich, wie konnten die Genossinnen, die Arbeiterinnen oder Arbeiterfrauen sind, so unverschämt sein, für die Amtsthätigkeit einer Beamtin aus der Arbeiterklasse dasselbe Gehalt zu verlangen, wie für die männlichen Inspektoren. Wenn noch die Anstellung einer akademisch gebildeten Dame verlangt worden wäre! Ja die grenzenlose Begehrlichkeit des unverschämten Plebs! So haben sicher die hochwohlweisen Herren geseufzt. Doch richtig, auch nicht er= schöpfend genug sollten die Genossinnen ihre Petition begründet haben. So geht's, wenn man seine Nebenmenschen zu hoch einschätzt. Die Genossinnen hatten geglaubt, daß die Anführung der einzelnen Gründe, welche für die Anstellung weiblicher Aufsichtsbeamten sprechen, bei dem bekannten, hervorragenden sozialpolitischen" Wissen der großen Sozialpolitiker" in Hamburg   vollkommen genüge. Broschüren schreibt man doch nicht zur Begründung einer Petition. Aber siehe da, wir hatten die Sachkenntniß dieser Herren überschätzt! Hätten die Genossinnen das vorher geahnt, so wäre es ihnen nicht darauf angekommen, ihre Gründe einzeln recht breit auf' nen Teller", wie man in Hamburg   zu sagen pflegt, der Kommission ent­gegenzubringen. In einer Frauenversammlung, die am 7. Oftober stattfand, nahmen die Genossinnen Stellung zu der Antwort der Herren. In scharfen Worten wurde zurückgewiesen, was diese Ant­wort an Vorwürfen und Geringschäßung enthält. Eine zweite Ver­sammlung wird sich demnächst nochmals mit der Sache beschäftigen. In der Plenarversammlung der Bürgerschaft vom 9. Oktober ver­trat und begründete Genosse Stolten den Antrag der Genossinnen. Im Gegensatz zu dem Standpunkt der Kommission forderte er, daß mindestens eine Assistentin angestellt würde. Die nämliche Forderung wurde auch von bürgerlicher Seite erhoben. Von Mitgliedern der alten Fraktionen waren zwei diesbezügliche Anträge eingelaufen. Der eine verlangte eine Senatsvorlage auf die sofortige Anstellung einer Assistentin, der andere wollte statt des von der Kommission gefor­derten dritten männlichen einen weiblichen Assistenten bewilligt haben. Zur Annahme seitens der Bürgerschaft gelangte der erstere Antrag. Louise Zieß.

Für die Anstellung einer Assistentin der Fabrikinspektion in Reuß j. L. sind in dem neuen Etat 1400 Mark vorgesehen worden. Daß die Regierung des Ländchens das Amt schafft, entspricht einem Beschluß, den der letzte Landtag gefaßt hat. Der Antrag auf An­stellung eines weiblichen Gewerbebeamten war von sozialdemokratischer Seite gestellt und nachdrücklich begründet worden.

Die Anstellung weiblicher Gewerbeaufsichtsbeamten in Dänemark   ist in nächster Zeit möglich. Die dänische Regierung hat nämlich fünf Fabrifinspektorenstellen ausgeschrieben, um die sich Männer und Frauen unter den gleichen Bedingungen bewerben können.

Das Amt der Fabrikinspektorin als Privileg akademisch gebildeter Damen hat die 21. Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" fürzlich in Eisenach  gefordert. Auf Antrag der Ortsgruppe Hamburg   wurde nämlich eine Petition beschlossen, dahin lautend: als weibliche Gewerbe­aufsichtsbeamte in Zukunft Frauen mit akademischer Bildung, die den wissenschaftlich gebildeten Männern gleichzustellen sind, und daneben Hilfskräfte aus dem Arbeiterstande mit praktischer Vorbildung anzu­stellen." Antrag und Beschluß kennzeichnen wieder einmal mit herz­erfrischender Deutlichkeit die bürgerliche Frauenbewegung als eine , Damenbewegung", deren Gleichheitsideal" vor der proletarischen Frauenwelt Halt macht. Gleichzeitig aber zeigen sie, wie wenig die beantragenden und beschließenden Damen mit dem Wesen und den Aufgaben der Fabrikinspektion vertraut sind. Wir sind die Letzten, welche die Nothwendigkeit einer gründlichen fachtechnischen Vorbil­

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