den Vortrag an. In Dresden sprach zunächst Frl. Dose.„Vertrauensperson der sächsischen Fabrikinspektion". Sie führte Folgendes aus. Seit 1900 hat jede der fünf sächsischen Kreishauptmannschaflen eine weibliche Vertrauensperson der Fabrikinspektion angestellt, welche Beschwerden der Arbeiterinnen entgegennehmen soll. Von regelmäßiger Revision der Betriebe, in denen Arbeiterinnen thätig sind, ist keine Rede. Nur in der Kreishauptmannschaft Dresden liegen die Dinge günstiger. Frl. Dose durfte Besuche in den Fabriken machen. Lediglich dadurch war es ihr möglich, die Arbeitsverhältnisse der Arbeiterinnen aus eigenem Anschein kennen zu lernen. Frl. Dose sind 277 Betriebe mit 20v<1 Arbeiterinnen unterstellt. Sie hält pro Woche ö Sprechstunden ab. Ueber schlechten Besuch derselben kann sie nicht klagen. Von September 1900 bis jetzt wurde sie von 74 Arbeiterinnen aufgesucht. Die Beschwerden waren derart, daß auch ein Beamter sie hätte entgegennehmen könne». Man muß jedoch mit der Eigenart der Frau rechnen, die sich zehnmal lieber einer Frau als einem Manne anvertraut. Es kam sehr oft, daß Frl. Dose von den Arbeiterinnen belogen und betrogen wurde. Die Vertrauenspersonen der sächsischen Fabrikinspektion können gar keine selbständige Amtsthätigkeit ausüben. Sie können nur Vorrevisionen machen, und dann geschieht es wohl bei der Revision durch den Beamten, daß dieser nachträglich die Beanstandungen der Vertrauenspersonen nicht billigt, weil er nicht den gleichen Scharfblick für vorliegende Schädigungen der Arbeiterinnen hat. Wichlig für eine erfolgreiche Thätigkeit der weiblichen Vertrauenspersonen ist die Sicherheit des Auftretens. In der Konfektionsindustrie ermittelte Frl. Dose Mißstände, welche nicht nur für die Gesundheit der Arbeiterinnen verhängnißvoll sind, sondern auch für das Wohl der Gesammtheit. Sie forderte zum Schluß Ausdehnung der Fabrikinspektion auf die Kleinbetriebe. Genosse Nietzsche machte darauf aufmerksam, daß nicht nur die Arbeiterinnen, sondern auch die Arbeiter die Sprechstunden der Fabrikinspektion wenig besuchen. Genossin Kühler theille mit, daß ein Arbeitgeber Arbeiterinnen entlasse, die nicht gleich 4 Wochen nach ihrer Niederkunft die Beschäftigung wieder aufnehmen. Der Mann beruft sich dabei auf den Paragraphen der Gewerbeordnung, der von abschreckenden Krankheiten handelt. Sie erklärte des Weiteren sehr richtig. Frl. Doses öffentliche Beschuldigung, daß die Ardeiterinnen lügen und betrügen, sei wenig geeignet, ihr das Vertrauen derselben zu erringen. Eine Fabrikarbeiterin schilderte, wie manchmal die Lügen der Arbeiterinnen verursacht würden. Eine Arbeiterin meldete Frl. Dose einen Mißstand. Diese kam nun in die Fabrik und war so unbegreiflich unklug, die Arbeiterin in Gegenwart des Prinzipals zu fragen, welche Mißstände vorlägen. Aus Furcht vor Entlassung leugnete nun die Arbeiterin alles ab. In ihrem Schlußwort verbreitete sich Frl. von Land und werfe goldene Funken in Eure Herzen, daß sie sich erwärmen an meinen Gedanken und meiner Hoffnung. Ich bin die Kraft, die Eure Kräfte weckt und stählt und sie zusammenführt zu gemeinsamer That; ich bin die Liebe, bin die Wahrheit, bin die Zukunft!" Dann beugte sie sich nieder zu Hans und küßte ihn auf die Stirne:„Sollst mir ein guter Kamerad werden. Hans, wenn Du größer bist." Hans wollte sie umarmen und festhalten. „Nein", sagte sie leise,„ich muß weiter; Hab' gar viel noch der armen Kinder zu besuchen, denen kein Tannenbaum heule grünt und keine Kerze brennt. Ich will sie grüßen von Dir und ihnen sagen, daß sie nicht allein und verlassen sind, daß Du an sie gedenkst und treue Kameradschaft halten wirst mit ihnen. Und will auch ihnen sagen, daß ein besser Reich auf Erden kommt, wenn Ihr nur wollt!" Und als Hans nun in ihre Augen blickte, war's ihm, als sähe er in ein großes, wunderbares Land mit Sonnenschein, blühenden Blumen und lachenden Menschen. Und fröhlicher Gesang ertönte und füllte alle Lüfte. Allmälig verklang Alles und Funken und Sonne verblaßten. Dann wurde es ganz still und dunkel um ihn her, und Finsterniß erfüllte das Stübchen. Neben ihm, im Bett, rührte sich nichts mehr, der letzte Athemzug war verhaucht. Hans schrak auf. Ein Wagen knarrte am Hause vorbei, und seine Laternen warfen einen matten gelben Schein in das kleine Fenster. Hans sah, daß die Eisblumen wunderschöne, zarte Blüthen getrieben hatten. Schluchzend rief er die Nachbarin und sagte ihr, daß die Mutter gestorben sei. Richthofen noch über die Gehälter der weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten. Dem Diskussionsabend wohnte der Gewerbeinspektionsrath Hübler bei.— In Leipzig brachte Dr. Götschke in Anschluß an Frl. von Richthofens Vortrag einen Antrag ein, welcher den weiteren Ausbau der Fabrikinspektion in Sachsen fordert, insbesondere auch Zuerkennung von Amtsbefugniß an die weiblichen Beamten und Ausdehnung der Gewerbeaufsicht auf die Hausindustrie. Genossin D un ck er wendete sich dagegen, daß die weiblichen Hilfskräfte der Fabrikinspektion den amtlichen Titel„Vertrauenspersonen" führen. Vertrauen lasse sich nicht diktiren. Sie forderte selbständige Beamtinnen, mit weitgehenden Befugnissen. Frl. Auguste Schmidt wies darauf hin, daß die bürgerlichen Frauenvereine seit Jahren Forderungen aufstellen, wie sie von Frl. von Richthofen vertreten werden. Ganz im Sinne ihrer Ausführungen ward eine neue Petition abgefaßt, weil durchaus unbefriedigend ist, was bisher in Sachen der weiblichen Gewerbeaufsicht geschaffen wurde. Herr Dr. Eulen berg rühmte die Berichte der süddeutschen Fabrikinspektoren im Gegensatz zu denen der norddeutschen Beamten. Er befürwortete gleichfalls die weitere Ausgestaltung der weiblichen Fabrikinspektio», da in Sachsen die Frauenarbeit eine hervorragende Rolle spielt, doch äußerte er Bedenken gegen eine Heranziehung von Arbeiterinnen, so lange nicht auch Arbeiter als Hilfsbeamte an der Gewerbeaussicht mitwirken. Neben der Inspektion der Hausindustrie forderte er eine Wohnungsinspektion. Der oben erwähnte Antrag ward nach einem Schlußworte Frl. von Richthofens angenommen.— Was Frl. von Richthofen und Frl. Dose über die Erfahrungen ausführten, welche betreffs der weiblichen Gewerbeaufsicht vorliegen, deckt sich in der Hauptsache mit dem, was die„Gleichheit" aus den Berichten der weiblichen Hilfsbeamten der Fabrikinspeklion mitgetheilt hat. Auch die erhobenen Forderungen entsprechen in den meisten Punkten den einschlägigen Reformen, welche die proletarische Frauenbewegung seit lange schon fordert. Aus der Bewegung. Bon der Agitation. Protestversammlungen gegen den ollwucher hielt Genossin Zetkin in letzter Zeit in Nürnberg , ürth, Berlin und Rummelsburg ab. Die Versammlung in Nürnberg war die erste Volksversammlung, an der seit langen Jahren die Frauen unbehindert von den Behörden theilnehmen durften, und in der eine Frau sprach. Um die Versammlung an allen Klippen polizeilicher Auslegungskunst vorüberzusteuern, mußte sie von privater Seite einberufen und geleitet, mußte peinlich alles vermieden werden, worin behördliche Argusaugen den entferntesten Zusammenhang mit dem„politischen Verein" Sozialdemokratie entdecken konnten. Frau Erber, welche die Protestversammlung einberufen hatte, leitete sie mit großem Geschick. Der große Versammlungssaal nebst Galerien war bis auf das letzte Plätzchen gefüllt und die Stimmung der Anwesenden war eine vorzügliche. In Fürth fand die Versammlung im großen schönen Saale des Gewerkschaftshauses statt, in Berlin tagte sie im großen Saale von Keller. Beide Versammlungen gestaltete» sich ebenfalls durch die imposante Zahl der Besucher und die bekundete Stimmung zu sehr eindrucksvollen Protestaktionen gegen die Hungerzölle. Genossin Zetkin behandelte die Frage der Zollerhöhung vom Standpunkte der Fraueninteressen aus. Sie zeigte die vielfachen tiefen Schädigungen, mit denen der Zollwucher die Frauen beglückt und hob dabei besonders scharf die schweren Gefahren hervor, welche in Folge einer Stärkung der politischen Macht der Junker und Junkergenossen drohen. Unter stürmischem Beifall, der nicht enden wollte, nahmen die Versammelten in Nürnberg , Fürth und Berlin die bekannte Resolution einstimmig an. Die sehr gut besuchte Versammlung zu Rummelsburg mußte dagegen ohne formellen Protest auseinandergehen. Wegen Ueberschreitens der Polizeistunde verfiel sie der Auflösung, und die Anwesenden mußten laut Anordnung des Ueberwachenden sofort das Lokal räumen. Zwischenrufe. Beifall und Stimmung der Versammelten hatten indeß zur Genüge bekundet, daß auch sie energische Gegner des junkerlichen Beutezuges sind und sich mit aller Energie gegen ihn wehren. „Brotwucher und Krisis", sowie„Der Kampf ums Dasein während der Krisis" lauteten die Themen, über die Genossin Zietz-Hamburg in der Zeit vom 1. bis 19. November in einer Reihe von Städten in Hessen und Preußen sprach. Versammlungen fanden statt in Hanau , Frankfurt . Höchst , Wiesbaden , Worms , Mainz , Offenbach . Darm stadt , Gießen , Mülheim a. M.. Hainstadt. Hainhausen , Bockenheim , Fechenheim , Bürgel . Bieber , Pfungstadt , Urberach , Finthen , Biebrich und Amöneburg . Sämmtliche Versammlungen waren stark besucht, zum Theile überfüllt. Im All-
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11 (18.12.1901) 26
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