207
gemeinen war auch die Betheiligung der Frauen eine gute. In| einer Reihe von Orten tagte die Versammlung im eigenen Heim der Arbeiter, im Gewerkschaftshaus, so zum Beispiel in Hanau , Frank furt , Offenbach und, was uns am meisten freute, in Worms , dem Königreich Heyls von Herrnsheim. In Offenbach waren unter den 12-1400 Versammlungsbesuchern mindestens ein Drittel Frauen, in Urberach stellten sie über die Hälfte der Versammlungsbesucher und 41 von ihnen traten ihrer Gewerkschaftsorganisation bei. In Worms gelang es, im Privatgespräch nach der Versammlung, aus einer Anzahl recht intelligenter Frauen eine Genossin für den Posten der weiblichen Vertrauensperson zu gewinnen, deren Wahl in einer demnächst stattfindenden Versammlung offiziell erfolgen wird. Auch in Frank furt haben einige Genossinnen versprochen, dafür einzutreten, daß eine Vertrauensperson ernannt wird, um durch diese die Agitation unter dem weiblichen Proletariat planvoller als bisher zu betreiben. In fast allen Versammlungen fand folgende Resolution einstimmige Annahme:„ Die Versammelten sprechen ihr Einverständniß mit den Ausführungen der Referentin aus. Sie erblicken in der Krisis eine unvermeidliche Begleiterscheinung unserer kapitalistischen Wirthschaftsordnung. Mit dieser selbst zusammen wird sie erst völlig verschwinden; sie kann aber in der heutigen Gesellschaft gemildert werden durch Hebung der Lage der arbeitenden Klasse; die Annahme des den Reichstag demnächst beschäftigenden Zolltarifentwurses würde sie dagegen chronisch machen. Die Versammelten erblicken in dem Letzteren ein Attentat auf den Beutel, die Lebenshaltung, das Erwerbsleben, Gesundheit, das Familienleben, Sittlichkeit, Bildung und Freiheit des Volfes. Sie verlangen daher vom Reichstag strikte Ablehnung des Entwurfes, sowie Abschaffung des Systems der indirekten Besteuerung und Abschließung langfristiger Handelsverträge. Für die Verwirk lichung dieser Forderung versprechen sie mit aller Kraft einzutreten durch die Stärkung der Arbeiterorganisation und indem sie sich überall den Protestaktionen der Sozialdemokratie anschließen." Den Gewerkschaftsorganisationen wurden durch die Versammlungen 275 Mitglieder zugeführt.
Notizentheil.
Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.
L. Z.
Die gewerkschaftliche Organisirung der weiblichen Handelsangestellten ist recht dringend nothwendig, wie Hungergehälter, lange Arbeitszeiten, hochgradige Ausnutzung der Arbeitskraft unter vielfach ungesunden und unwürdigen Bedingungen erweisen. In keinem Gewerbe aber ist es so schwer, die Berufsangehörigen zu organisiren, sie einer auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehenden Gewerkschaft zuzuführen, wie gerade im Handelsgewerbe. 264243 Angestellte, 175759 männliche, 88484 weibliche, gab es nach der Gewerbezählung von 1895 in Deutschland und nur 0,46 Prozent davon gehörten nach der Statistik der Generalfommission der Gewerkschaften Deutschlands im Jahre 1900 der einzigen bestehenden Gewerkschaft der Handlungsgehilfen an: Dem Zentralverband der Handlungsgehilfen und Gehilfinnen Deutschlands , Siz Hamburg. Woher kommt das? Die Handelsangestellten entstammen nicht einer einzigen sozialen Klasse. Unter ihnen sind die Söhne und Töchter von Beamten, Raufleuten und Handwerkern, sowie derjenigen Arbeiter vertreten, die ihren Nachkommen etwas" Gutes" anthun, sie über ihre eigene Sphäre erheben wollen. Die meisten dieser jungen Leute bringen natürlich die ihrem Kreise anhaftenden Vorurtheile mit, darunter auch die Meinung, daß sie etwas Besseres seien, als Lohnarbeiter und mit der modernen Arbeiterbewegung nichts zu thun hätten. So fehlt von vornherein der Mehrzahl das Verständniß für die Bedeutung der gewerkschaftlichen Organisation überhaupt, ganz besonders aber die Erkenntniß von der Nothwendigkeit, die weiblichen Handelsangestellten dem Verbande zuzuführen. Der Durchschnittshandlungsgehilfe erblickt in der Kollegin nur die Schmutzkonkurrentin, welche die männlichen Arbeitskräfte verdrängt. Es fehlt ihm an dem Einblick in die veränderten wirthschaftlichen Verhältnisse, durch welche die veränderte ökonomische und soziale Stellung der Frau, die Nothwendigkeit der Erwerbsarbeit ihrerseits bedingt wird. Er sieht nicht ein, wie nothwendig eine gemeinsame Or ganisation der männlichen und weiblichen Angestellten ist, damit letzteren durch erstere das Rückgrat gesteift wird; lohndrückende Elemente sich in Mitkämpferinnen verwandeln und gemeinsam bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden können. Hinzu kommt ferner die Konkurrenz der alten" Organisationen, von den „ Hilfsvereinen" bis zu dem Rassenverein, dem antisemitischen deutschnationalen Handlungsgehilfenverband. Wir sehen gegenwärtig von letzterem ab, da er prinzipiell gehilfinnenfeindlich ist und keine weib
lichen Mitglieder aufnimmt. Dagegen wollen wir uns kurz mit den Hilfsvereinen beschäftigen. Diese werden leider noch immer von vielen unserer proletarischen Frauen als Organisationen in unserem Sinne angesehen. Nichts falscher als dies! Daß die„ Hilfsvereine" für die kleinen täglichen Bedürfnisse der Gehilfinnen manches Gute leisten, wer will das leugnen? Billige Theaterbillets; Milchmarken; ermäßigte Preise beim Photographen; Nachweis billiger Pensionen in Sommerfrischen 2c. sind für die Gehilfin ganz angenehme Dinge. Für die Besserung der wichtigsten Bedingungen der Arbeitsverhältnisse versagen die„ Hilfsvereine" jedoch ganz. Es ist ja richtig, sie bitten die Chefs, ihren Angestellten Sommerurlaub zu geben; sie vermitteln Stellen, wenn sie welche zu vergeben haben. Allein die Prinzipalität hat trotz aller Ableugnungsversuche Einfluß auf die Leitung der Vereine, denn sie unterstützt dieselben materiell ihres humanitären" Wirkens wegen. Man lese die Statuten dieser Auch- Organisationen, und man wird staunend finden, daß die Mitglieder nix tau seggen" haben. Die Hilfsvereine sind keine„ Organisationen" in der gewerkschaftlichen Bedeutung des Wortes, und man soll sich hüten, sie in proletarischen Frauenkreisen als solche gelten zu lassen, da dadurch nur Verwirrung geschaffen wird. Gehilfinnen, in denen erst ein schwaches Bewußtsein emporzudämmern beginnt, daß sie ein Recht und eine Pflicht haben, nach Hebung ihrer Lage zu streben, werden nur zu leicht durch den falschen Schein und die schiefe Beurtheilung der Hilfsvereine" irregeführt. Sie halten diese für Organisationen, denen sie sich anschließen müssen, wenn sie ihre Interessen wahrnehmen wollen. Und was finden sie hier neben kleinen Vortheilen? Größere Nachtheile, denn sie werden darin zur Harmonieduselei schlimmster Art erzogen, und das bischen proletarisches Klassengefühl, das sie besitzen, wird aus ihnen herausgetrieben. Die proletarischen Frauen haben die Pflicht, die moderne Gehilfen- und Gehilfinnenbewegung zu unterstüßen und nur für sie Propaganda zu machen. Die rückhaltslose, nachdrückliche Vertretung der wirthschaftlichen Interessen der Handelsangestellten und ihre Erziehung zum proletarischen Klassenbewußtsein erfolgt einzig und allein durch den Zentralverband der Handlungsgehilfen und Gehilfinnen Deutschlands . J. B.
" 1
Eine Konferenz der Blumen- und Federarbeiter und -Arbeiterinnen tagte am 1. d. M. im Gewerkschaftshaus in Berlin , um über die Gründung eines Zentralverbandes zu berathen. Ein einheitlicher Zusammenschluß ist nothwendig, damit eine bessere planmäßige Agitation betrieben werden kann. Er wurde besonders lebhaft von den Dresdner und Sebnizer Arbeitern und Arbeiterinnen gewünscht, nachdem die Handels- und Transportarbeiter auf ihrem letzten Verbandstag den bei ihnen angeschlossenen Blumenarbeitern empfahlen, eine eigene Organisation zu gründen. Die Konferenz war von der Berliner Agitationsfommission einberufen und durch je einen Delegirten aus Dresden und Sebnitz beschickt. Die Gründung des Zentralverbandes wurde einstimmig beschlossen und als Siz desselben Berlin bestimmt. Der Verband soll mit dem 1. Januar 1902 ins Leben treten, als Vorsitzende wurde Frau Ihrer, Pankow bei Berlin , gewählt und zum Kassirer Herr Irrgang, Berlin .
Die letzte Mitgliederversammlung des Vereins der Blumenund Federarbeiterinnen Berlins , die am 4. d. M. stattfand, erklärte sich mit dem von der Konferenz berathenen Statut einverstanden, ebenso mit den übrigen Neueinrichtungen. In der Ergänzungswahl zu dem Zentralvorstand wurde Herr Sinn zum Schriftführer und zwei Beisitzerinnen gewählt. Den geschäftlichen Erledi= gungen des Vereins ging ein Vortrag von Frau Ihrer voraus, melche über das Thema referirte:" Die wirthschaftliche Krise, und wie wirkt sie in der Blumen- und Federbranche?" Die Ausführungen der Referentin fanden allgemeine Zustimmung. Die Versammlung war nur schwach besucht, werden doch in der Blumenbranche jetzt vielfach Ueberstunden gemacht, oder die Mädchen nehmen ihre Arbeitspäckchen nach Feierabend mit nach Hause, während in der Federbranche ein großer Theil der Arbeiterinnen arbeitslos ist. Eine als Gast der Versammlung beiwohnende Direttrice versprach, die Agitation unter den Blumenarbeiterinnen zu unterstüßen, da sie nun von der Zweckmäßigkeit des Vereins überzeugt worden sei. E. J.
Die Zahl der in Trade Unions organisirten englischen Arbeiterinnen betrug am Ende des Jahres 1900 nach dem 13. Bericht des Arbeitsamts 122047. Männliche Arbeiter gehörten 1783 069 den Trade Unions an, die Zahl der insgesammt gewerkschaftlich Drganisirten betrug also 1905 116, zu denen die Arbeiterinnen reichlich 6,4 Prozent stellten. Von den 1272 Trade Unions, auf welche sich die Statistik erstreckte, hatten 138 weibliche Mitglieder. Die überwältigende Mehrzahl der gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen, nämlich 89 Prozent, ist in der Textilindustrie thätig.