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Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Um die Frauen aufzuklären und in immer größerer Zahl der modernen Arbeiterbewegung zuzuführen, sprach Genossin Kähler- Dresden in letzter Zeit in drei Versamm­lungen. In einer sehr gut besuchten Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Vereins zu Chemnitz   referirte sie über Die wirthschaftliche und politische Stellung der Frauen im 20. Jahr­hundert". Erfreulicher Weise wohnten der Versammlung sehr viele Frauen bei, von denen eine gute Zahl der Aufforderung des Ge­nossen Riemann Folge leistete, dem Verein beizutreten und die Gleichheit" zu abonniren. Am Tage darauf behandelte Genossin Kähler in Johann Georgenstadt   in einer Volksversammlung das Thema: Arbeiterinnenelend und Arbeiterinnenschutz." Johann Georgenstadt   liegt hoch im Erzgebirge  . Fast alle Wege waren ver­schneit, und viele Leute, auf deren Versammlungsbesuch man rechnete, wohnen stundenweit vom Versammlungslokal. Und dennoch erwies sich dieses fast als zu klein, um die Menge der herbeigeströmten Männer und Frauen zu fassen. Sehr viele der Arbeiter und Ar­beiterinnen des Ortes sind in der Glacehandschuhindustrie beschäftigt. Obgleich ihr Verdienst verhältnißmäßig noch ziemlich gut ist, fehlt es doch nicht an bitterem Elend, dessen Spuren deutlich den Gesichtern mancher Versammlungsbesucher aufgeprägt waren.

In dem nahgelegenen Orte Mittweida- Markersbach sprach Genossin Kähler Tags darauf in öffentlicher Versammlung ebenfalls über Arbeiterinnenelend und Arbeiterinnenschutz". Etwa 900 Per­sonen, der Mehrzahl nach Frauen, waren aus Mittweida  - Markers­ bach   selbst wie aus den anliegenden Orten gekommen, den Aus­führungen der Rednerin zu lauschen, denen lebhafte Zustimmung zu Theil ward. Hoffen wir, daß die Indifferenten, welche durch diese Versammlungen geweckt worden sind, treu an den Organisationen festhalten, denen sie sich angeschlossen haben: daß sie von nun an treu und opferbereit an dem Kampfe für Brot, Bildung und Freiheit theilnehmen. W. K. Agitation der Genoffinnen gegen den Zollwucher. Dem Beschlusse des Parteitags zu Lübeck   entsprechend haben die Ge­nossinnen ein Flugblatt herstellen lassen, das die vielseitigen schweren Schädigungen nachweist, mit denen der Zollwucher die Existenz der Arbeiterin, der Hausfrau, der Familie des Arbeiters und kleinen Mannes bedroht. Das Flugblatt ist bis jetzt in 300 000 Exemplaren verbreitet worden.

Betrachtungen.

Von Multatuli  . Deutsch von Wilhelm Thal.

III. Nicht im Programm.

In einem Hospital zu Amsterdam   sollte einem Matrosen ein Bein amputirt werden.

Der Chirurg nahm die Operation vor, und der Mann rauchte indessen mit stoischem Muth seine Pfeife. Er biß wohl von Zeit zu Zeit die Zähne zusammen, doch es gelang ihm, seinen Schmerz nicht merken zu lassen.

Der Arzt bewunderte diese Seelenstärke und sprach sich lobend darüber aus, während er die Wunde verband.

Plötzlich stieß der heldenmüthige Patient einen Schmerzens­schrei aus; der Arzt hatte ihn mit einer Nadel gestochen.

Wie? Sie schreien so heftig wegen eines Stiches und haben doch eben..."

,, Das ist wahr, aber sehen Sie, Herr Doktor, dieser Stich stand nicht im Programm."

Der Matrose hatte volles Recht, sich zu beklagen.

IV. Ueberflüssiger Brückenzoll.

Es war Winter.

Drüben auf dem Kanal wurde Schlittschuh   gelaufen. Das Eis war ebenso fest wie die Landstraße, man konnte ruhig darauf von einem Ufer nach dem anderen gehen. Trotzdem war eine Brücke über einen breiten Spalt geschlagen worden, den ich am Tage vorher noch gar nicht bemerkt hatte. Wer aber über die Brücke wollte, mußte dem Manne, der sie gebaut, einen Pfennig bezahlen wegen des Spaltes", wie er meinte.

Einzelne aber flüsterten: Er hat den Spalt wegen der Brücke gemacht."

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In Bremen   fand kürzlich eine Protestversammlung der Frauen gegen den Zolltarifentwurf statt, die von Genossin Bosse als Vertrauensperson der Genossinnen Bremens   einberufen worden war. Genossin 3ieß- Hamburg   referirte in ausgezeich­neter Weise und unter stürmischem Beifall, der nicht enden wollte, über Den Wuchertarifentwurf und die Frauen". Die Versammlung war von ca. 2000 Personen besucht, unter denen sich viele Frauen befanden. Eine energische Protestresolution gelangte zur einstimmigen Annahme. Daß die Ausführungen der Referentin gar manche Frau zur Erkenntniß ihrer Interessen wachgerüttelt haben, dafür spricht, daß eine Anzahl Frauen dem sozialdemokratischen Verein beitraten, und daß die Gleichheit" mehrere Abonnenten gewann. A. B.

Jahresbericht der Vertrauenspersonen der Genossinnen von Berlin  .

1. November 1900 bis 5. Dezember 1901.

Als die Vertrauenspersonen der Berliner   Genossinnen im abge­laufenen Thätigkeitsjahr ihr Amt antraten, galt es, die bereits zu Anfang des Kalenderjahrs durch eine Massenversammlung einge­leitete Agitation für den gesetzlichen Arbeiterinnenschuh kräftig weiter zu führen. Zu diesem Zwecke organisirten sie in verschiedenen Stadtheilen von Berlin   2, in den Vororten 3 Versammlungen, in denen Genossin Duncker- Leipzig referirte und die bekannte Reso­lution zu einstimmiger Annahme gelangte. Da im Verlauf des Jahres die Stadtverordnetenwahlen bevorstanden, so erachteten es die Genossinnen für geboten, Aufklärung über die vielseitigen und großen Interessen, welche die Proletarierinnen an der Kommunalverwaltung haben, in breitere Schichten des weib­lichen Proletariats zu tragen. Sie beriefen zunächst zwei öffentliche Volksversammlungen ein, in denen Genossin Zetkin   die Aufgaben der Kommunalpolitik im Hinblick auf die Verhältnisse der prole­tarischen Frauenwelt erörterte. Diese Versammlungen, die in der Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direk ten Kommunalwahlrechtes für beide Geschlechter ausflangen, waren ein großer Erfolg. Während es für gewöhnlich den Genossen nur selten gelingt, einen guten Versammlungsbesuch zu erzielen, wenn Kommunalfragen behandelt werden, waren beide Versammlungen der Genossinnen bis auf den letzten Platz gefüllt, und dies obgleich die eine davon in dem großen Saale von Keller tagte. Gegen Ende

Art durchschnitten, die meist nur den Zweck haben, den Brücken­bauern ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Was würde aus den Schulmeistern werden, wenn wir ein­fach so schrieben, wie jeder zivilisirte Mensch spricht?

Was aus den militärischen Taktikern, wenn wir begreifen wollten, daß das kleinste Volk bedeutender ist, als das größte Heer?

Was aus den Advokaten, wenn wir Gesetzgeber hätten, die im Stande wären, ihre Gedanken klar und deutlich auszudrücken? Was aus den Geistlichen, wenn wir begreifen würden, daß Jeder seine Religion in seinem eigenen Herzen finden muß? Und was schließlich aus den Moralisten, wenn wir unsere Sitten der schönen Natur entlehnten?

Wie viele pensionirte Zolleinnehmer gäbe es da!

V. Sokrates.

Sokrates   war ein Narr, und die Athener   thaten ganz recht daran, daß sie ihn verurtheilten.

Doch ich finde seine Strafe leicht.

Sterben, das ist was Rechtes! Jeder Mensch muß sterben, selbst Leute, die an allem Guten unschuldig sind. Ich finde es thöricht, daß man einem Individuum, dessen Wirken dem öffent­lichen Wohle gegolten hatte, als Strafe etwas zudiktirte, dem schließlich die schmutzigsten Nullen aller Zeiten unterworfen sind. Die Athener   hatten es zu eilig genau wie die Juden. Also Sokrates  ... sehen wir einmal zu, was Plutarch von ihm sagte.

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" In Athen   vertheidigten sich die Angeklagten gewöhnlich vor dem Tribunal mit schön gedrechselten Phrasen und versuchten ihre Richter durch Thränen und Bitten zu rühren. Sokrates verschmähte es, sich solcher Mittel zu bedienen."

Ich habe es ja bereits gesagt, dieser Sokrates war ein Narr! " In seiner sehr einfachen Vertheidigungsrede wies er auf sein

Die Gesellschaft wird in allen Richtungen von Spalten dieser Allen bekanntes Leben hin."