Die probeweise Verwendung von Frauen im Eisenbahn­betriebsdienst nach Ablegung der vorgeschriebenen Prüfung hat das österreichische Eisenbahnministerium im Laufe des letzten Sommers bei der Bahn Bozen- Meran gestattet. Die oben angeführte Bedingung vorausgesetzt, sind Frauen auch als Stationsleiterinnen zugelassen.

Frauenstimmrecht.

Ueber die Betheiligung der norwegischen Frauen an den Kommunalwahlen schreibt Nylaende", eine Zeitschrift für Frauen­interessen, daß dieselbe eine sehr rege gewesen ist. In mancher Ge­meinde haben die Frauen verhältnißmäßig in größerer Zahl abge­stimmt, als die Männer. Ein alter Politiker äußert sich wie folgt: " Selbst für einen alten verhärteten Politiker von männlichem Ge­schlecht, wie der Unterzeichnete, war die Kommunalwahl hier gestern eine so feierliche Handlung, daß ich sie nie vergessen werde. Es war das erste Mal, daß wir die Freude hatten, mit unseren Frauen zu­sammen zur Wahlurne zu gehen. Man sah alte, ehrwürdige fon­servative Männer mit ihren Hausfrauen herbeikommen, welche lächelnd den Saal durchschritten und ihren Zettel in die Wahlurne legten. Auch ganz junge Damen kamen, über ihre eigene Unbeholfenheit lächelnd, aber trotzdem ihre Pflicht erfüllend." Frauen aller Stände, von der reichen Kaufmannsfrau bis zur Frau des kleinen Hand­werkers und Arbeiters, betheiligten sich an der Wahl. Ein Drittel der abgegebenen Stimmen darf wohl als von Frauen herrührend be­trachtet werden. In Bodo wurde ein Kaufmannsehepaar in die Kommunalvertretung gewählt. Die Konservativen haben in Chri­ stiania dank der rührigen und wirksamen Agitation der Frauen die größten Stimmenzahlen erhalten. Von ihren Kandidaten wurden Frl. Heyndahl mit 29725 und Frau Boechgrevink mit 29 693 Stim­men gewählt. Die sozialistischen Kandidaten beziehungsweise Kan­didatinnen erhielten zwischen 13000 und 14000 Stimmen. Am schlech­testen schnitten die Parteilosen" ab, denn sie vereinigten nur 2000 bis 3000 Stimmen auf sich. Die vorstehenden Ziffern könnten die Recht­gläubigen des Dogmas von der Vortrefflichkeit und inneren Noth­wendigkeit" einer parteilosen" frauenrechtlerischen Politik belehren. Vorausgesetzt, daß die Damen belehrbar sind.

Für die Zuerkennung des politischen Stimmrechts an die französischen Frauen ist von Seiten der Christlichen Frauenrecht­lerinnen" eine Bewegung eingeleitet worden. Beim Parlament ging, wie die Frauenbewegung" meldet, eine Vorlage zu einer entsprechen­den Wahlreform ein. Die radikalen Frauenrechtlerinnen" erblicken zum Theil eine Gefahr" in dieser Bewegung. Soweit wir die Situa­tion überblicken, sind so gut wie gar keine Aussichten vorhanden, daß die betreffende Vorlage zur Annahme gelangen könnte. Es ist des= halb unseres Erachtens ein müßiges Beginnen, wenn die radikalen Frauenrechtlerinnen sich den Kopf über die taktische Nothwendigkeit" zerbrechen, ihre grundsätzliche Forderung auf volle politische Gleich­berechtigung der Geschlechter in den Hintergrund zu rücken. Nützlicher wäre es, eine fräftige aufflärende Agitation unter die breiten Massen der Frauen zu tragen, damit diese, wenn die Gefahr" des Frauen­wahlrechts einst da ist, den richtigen Gebrauch vom Stimmzettel zu machen wissen. Die Aktion der christlichen Frauenbewegung in Frank­ reich , welche in größeren Kreisen des Klerikalismus Zustimmung und Unterstützung findet, verdient jedenfalls Beachtung. Sie ist ein charakteristisches Symptom mehr für die Wandlungs- und Anpassungs­fähigkeit des Katholizismus, der klerikalen Politiker. Trotz des Grund­satzes: Die Frau soll in der Gemeinde schweigen" werden sehr wahr­scheinlich wie in Belgien , so in anderen Ländern die Klerifalen die ersten bürgerlichen parteipolitischen Vorkämpfer für das Frauen­wahlrecht sein.

"

Frauenbewegung.

Prämiirung eines Frauenwerkes durch eine wissenschaft liche Gesellschaft. Die Medizinische Akademie in Paris hat den Hugopreis von 1000 Frcs. Fräulein Dr. Lipinskà aus Warschau für ihr Werk zuerkannt: Geschichte der Aerztinnen seit dem Alterthum bis auf unsere Tage."

Die erste in Deutschland approbirte Zahnärztin, Fräulein Freudenheim, hat kürzlich in Breslau ihr Staatsexamen be­standen.

Die Zahl der Hörerinnen an deutschen Universitäten be­trägt für das laufende Wintersemester 1270. Die Studentinnen ver­theilen sich wie folgt auf die Universitäten: Berlin 611; Bonn 105; Halle 89; Breslau 76; Leipzig 73; Freiburg 52( davon 17 immatri­tulirt); Würzburg 41; Rönigsberg 38; Straßburg 33; Heidelberg 33

24

Berantwortlich für die Rebaktion: Fr. Klara Bettin( Bundel) in Stuttgart .

( davon 6 immatrikulirt); Göttingen 32; München 29; Kiel 19; Gießen 18; Rostock 7; Marburg 6; Erlangen 4; Greifswald und Tübingen je 2.

Verschiedenes.

Zopf und Schwert an der Berliner Universität. Der gegen­wärtige Rektor der Universität, Her Kekulé von Straboniz, hat den Sozialwissenschaftlichen Studentenverein" aufgelöst, weil dieser der Frauenfrage ein ernsteres Interesse zuwendete, als dem gelehrten Herrn faßbar war. Der Verein beabsichtigte, wie in jedem Semester so auch in dem laufenden, einige Frauen zu Vor­trägen heranzuziehen. Im Gegensatz zu der Praxis seines Vorgängers verbot Refulé von Stradoniß die angekündigten Vorträge der Schrift­stellerinnen Wally Zepler und Käthe Schirrmacher. Seine Maßregel begründete er mit einem Ausspruch, der zwar jene in letzter Zeit vielgefeierte und viel malträtirte Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft" vermissen ließ, es aber dafür an Tiefe und Origi nalität mit der Weisheit des letzten Bierbankphilisters aufnimmt. " Was Ihnen Frauen sagen können, daß können Ihnen Männer viel besser sagen," so lautete die Begründung des Ver­bots. Abgesehen davon, daß es sich in den vorliegenden Fällen um Frauen handelte, die bewiesen haben, daß sie manches ebenso gut, manches sicherlich besser sagen können wie nicht viel Männer, ist eins ficher: Frauen werden Vieles anders sagen als Männer. Und dem Sozialwissenschaftlichen Studentenverein kam es offenbar und durch­aus berechtigter Weise darauf an, dies Andersgesagte zu hören, Frauen über ihre eigenste Sache sprechen zu lassen. Nachdem die Vorträge verboten, berief der Verein eine Mitgliederversammlung ein, die sich mit mehreren Problemen der Frauenfrage beschäftigen sollte. In der Ankündigung der Versammlung wurde darauf hin­gewiesen, daß jedem auch Frauen die Betheiligung an der Diskussion freistände. Darin erblickte der Rektor eine Umgehung des Verbots, die einen Verstoß gegen§ 41 der Disziplinarverfügung für Studirende bedeute. Der betreffende Paragraph befugt die Dis­ziplinarbehörde, vorübergehend oder dauernd Vereine zu verbieten, deren Bestehen die akademische Disziplin gefährdet. Rekurs gegen die Verfügung des Rektors ist beim Ministerium eingelegt worden. Es muß doch ein eigenthümliches Ding mit der akademischen Disziplin sein, welche Herr Kekulé von Stradonitz mit ängstlicher Sorgfalt zu hüten bemüht ist. Durch Sauffomments, die berüchtig­ten Geschlechtsabende" mancher Verbindungen und Mensurwesen wird sie nicht bedroht. Dagegen bringt ihr der Hinweis schwere Ge­fahr, Frauen könnten sich an der Diskussion eines akademischen Ver­eins betheiligen, dem der Rektor das Abhaltenlassen von Vorträgen durch Frauen verboten hat. Die Maßregelung des Sozialwissenschaft­lichen Studentenvereins ist ein würdiges Dessert des Althof- Essens zur Feier der Geistesfreiheit", die an preußischen Universitäten herrscht. Diese Geistesfreiheit steht im Zeichen von Zopf und Schwert.

Erklärung der in Berlin studirenden Russen und Russinnen. Aus den Kreisen der in Berlin studirenden Russen und Russinnen ging uns das folgende Schriftstück mit der Bitte um Veröffent­lichung zu:

" In der von den alten Herren des V. D. St. am 18. dieses Monats einberufenen Akademiterversammlung kam eine Resolution zur Annahme, deren zweiter Theil folgenden Wortlaut hat:

"

Die Berliner deutsche Studentenschaft richtet an den Kultuss minister die ergebene Bitte, Vorkehrungen gegen die Beeinträchtigung des Studiums durch Ausländer zu treffen, soweit deren minder­werthige wissenschaftliche Leistungen oder gesellschaftliche Gewohn­heiten die nothwendigen Voraussetzungen für den Zuschnitt unseres akademischen Lebens vermissen lassen."

Wir, russische Studenten und Studentinnen, sehen uns dieser Thatsache gegenüber zur folgenden Erklärung genöthigt:

Indem wir annehmen, daß die hier studirenden Ausländer anderer Nationalitäten diese Kundgebung der deutschen Kommilitonen ihrerseits auch nicht unbeantwortet lassen werden und indem wir uns die eingehendere Erörterung der Angelegenheit für spätere Veröffent­lichungen in der Presse vorbehalten, beschränken wir uns jetzt auf nachstehende kurze Bemerkung: Wie auch unsere gesellschaftlichen Ge pflogenheiten sein mögen, jedenfalls sind sie derart, daß wir uns in unserem Heimathland niemals erlauben würden, ausländischen Studirenden gegenüber, welche die Gastfreundschaft unseres Landes in Anspruch zu nehmen genöthigt sind, vor der Deffentlichkeit ohne jedweden Versuch einer Begründung einen so schweren für sie im hohen Grade beleidigenden Vorwurf zu erheben."

-

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .